Gender-Agenda
In Afrika werden Frauen zu wenig gefördert
In vielen Ländern des Kontinents sind die Führungspositionen in Politik und Wirtschaft von Männern besetzt. Dies hat zuallererst soziokulturelle Gründe. Einige Kulturen sehen Männer automatisch in den Führungspositionen. Auch der Glaube, der von Frauen verlangt, sich ihren Männern „unterzuordnen“ spielt eine Rolle. Dies untergräbt das Selbstvertrauen und die Wertschätzung von Frauen.
Wer eine Führungsposition anstrebt, braucht Ressourcen wie Geld und Kontakte. Ehrgeizige Frauen benötigen obendrein oft die Erlaubnis ihrer Ehemänner und der männlichen Ältesten ihrer Gemeinschaft. Andernfalls werden sie denunziert und geächtet. So trennte sich beispielsweise ein bekannter polygamer Gewerkschafter in Kenia von seiner Frau, nachdem sie gegen seinen Willen für einen Parlamentssitz in Kenia kandidiert hatte. Obwohl die Frau den Sitz nicht gewann, war der Ehemann nachtragend. Er weigerte sich, das Schulgeld für die Kinder der Frau zu bezahlen.
Wie wichtig scheinbar männliche Unterstützung ist, zeigt sich auch an einem Beispiel aus dem Schulwesen in Südafrika. Dort machen weibliche Lehrkräfte fast drei Viertel der Lehrerschaft aus, aber nur etwas mehr als ein Drittel der Führungspositionen in der Schulleitung besetzen Frauen. Nuraan Davids von der Universität Stellenbosch forscht zu dem Thema. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Schulleiterinnen zwar kompetent sind, aber „alle behaupten, dass sie ohne die Empfehlung ihrer männlichen Vorgänger nicht für ihre Positionen in Betracht gezogen worden wären“.
Fehlende Gesetze
In manchen afrikanischen Ländern gibt es Gesetze zur Förderung von Frauen, um die Zahl der Frauen in Parlamenten und Regierungspositionen zu erhöhen. Diese werden aber häufig nicht wirklich umgesetzt, sondern die Sitze werden nur symbolisch an Freundinnen oder Geliebte männlicher Parteichefs oder hoher Regierungsbeamter vergeben.
Die kenianische Verfassung verbietet es eigentlich, dass ein Geschlecht mehr als zwei Drittel der Posten einer öffentlichen Einrichtung einnimmt. Die meisten Institutionen, einschließlich des Parlaments, verstoßen jedoch dagegen und tun dies auch weiterhin ohne Konsequenzen. In Kenia sind Gesetzgebungsverfahren langwierig und kleinteilig. Das erschwert die Frauenförderung. Allerdings mangelt es auf nationaler und subnationaler Ebene auch am nötigen politischen Willen.
Trotz jahrelanger Bemühungen um die Stärkung der Rolle der Frau hat es Ruanda als einziges afrikanisches Land geschafft, dass dem Kabinett mehr als 50 Prozent Ministerinnen angehören und über 60 Prozent der Abgeordneten weiblich sind. Auch wenn Ruanda unter der autoritären Herrschaft von Präsident Paul Kagame steht, der die meisten Entscheidungen trifft, ist die Tatsache, dass Frauen beteiligt sind und Spitzenpositionen in der Regierung bekleiden, ein starkes soziokulturelles Signal.
Ungleiches Recht
Die fehlende Geschlechtergleichstellung zeigt sich auch in rechtlichen Angelegenheiten. In armen Gemeinschaften sind Traditionen tendenziell wichtiger als formale Gesetze. In Dörfern gilt das besonders. Geistliche und Ältestenräte entscheiden über Streitfälle. Trotz Verboten gibt es vielfach noch Kinderehen und Brautpreise, was Heranwachsende in gewissem Maße zu Handelsware macht.
Selbst wenn sie das Recht auf ihrer Seite haben, können nur sehr wenige afrikanische Frauen aufgrund der Unterschiede bei Einkommen und Bildungsniveau vor Gericht ziehen (über die Bedeutung von Bildung und Beschäftigung für Gleichstellung siehe Sundus Saleemi auf www.dandc.eu). Land und Vermögenswerte gehörten typischerweise Männern. Laut Weltbank, würde vor allem Grundbesitz dazu beitragen, weibliches Selbstbewusstsein zu stärken.
Sozialer Druck macht es Frauen obendrein schwer, gegen streitlustige und gewalttätige Ex-Partner vor Gericht zu ziehen. Weltweit finden Vergewaltigungsopfer nur wenig Beachtung und werden oft ignoriert. Schlimmer noch: ihr Trauma wird manchmal systematisch heruntergespielt, indem manche Leute – oft Männer – den Frauen die Schuld an der Tat geben. Wenn eine Frau nachts in einem Nachtclub oder in einem Hotel vergewaltigt wird, stellt die Gesellschaft unter anderem die obskure Frage: „Was hat sie zu dieser späten Stunde außerhalb des Hauses gemacht?“ Es ist, als ob Übergriffe auf Frauen nach Feierabend erlaubt seien.
In einigen Gemeinschaften wird traditionell die Vergewaltigung von Frauen und Kindern dadurch gelöst, dass der Vergewaltiger gezwungen wird, das Opfer zu heiraten. In Fällen, in denen dies nicht möglich ist, akzeptiert die Familie eine Zahlung des Vergewaltigers als Widergutmachung.
Erfolgsmeldungen gibt es indessen auch, etwa wenn ein kenianischer Parlamentsabgeordneter ins Gefängnis muss, weil er eine Kollegin geschlagen hat, oder wenn Investoren Unternehmern wegen eines Vergewaltigungsskandals kein Kapital mehr zur Verfügung stellen. Manche Länder sehen hohe Haftstrafen für sexualisierte Gewalt oder Kinderbelästigung vor.
Andererseits werden Teeangerinnen für sexuelle Abenteuer oft bestraft. Der ehemalige tansanische Präsident John Pombe Magufuli verbot schwangeren Schülerinnen, weiter zu Schule zu gehen. Die Jungen, die die Mädchen geschwängert hatten, konnten ihre Ausbildung fortsetzen. Grundsätzlich gilt: Frauengesundheit und Sexualaufklärung kommen in der Bildung zu kurz (siehe hierzu auch Mahwish Gul auf www.dandc.eu).
Wichtig wäre, die Narrative in den sozialen und Mainstream-Medien zu verändern (siehe Kasten). Sporadische Aufmerksamkeit wie sie die #MeToo-Bewegung hervorgebracht hat, reicht nicht. Die Stimmen und der Status von Frauen in der täglichen Berichterstattung muss gestärkt werden.
Experten sagen, es bedürfte mehrerer Maßnahmen, um Frauen in Afrika zu fördern und in Führungspositionen zu bringen. Nötig sind bessere Bildungschancen und das Bewusstsein dafür, dass Geschlechtergerechtigkeit gut für das Wohlergehen der Gesellschaft sind.
Alphonce Shiundu ist ein kenianischer Journalist, Redakteur und Faktenchecker.
Twitter: @Shiundu