Entwicklung und
Zusammenarbeit

Faktenchecks

Im Kampf gegen Fake News

In Afrika, wie in den meisten Teilen der Welt, begünstigen politische Rhetorik, zweifelhafte Gesundheitsversprechen und geopolitische Interessen die Verbreitung von Falschinformationen. Africa Check, Pionier für Informationsintegrität auf dem Kontinent, deckt regelmäßig Lügen auf, bekämpft Falschinformationen und setzt sich für den (Wieder-)Aufbau von Medienkompetenz ein, um die Mächtigen mit Fakten zur Rechenschaft zu ziehen.
Unser Bild stammt aus einem der Leitfäden von Africa Check: „Africa Check’s guide to zombie claims: How to spot false information that just won’t die.“ Africa Check
Unser Bild stammt aus einem der Leitfäden von Africa Check: „Africa Check’s guide to zombie claims: How to spot false information that just won’t die.“

Im Februar brachte Africa Check, eine 2012 gegründete gemeinnützige Organisation zur Faktenprüfung und Förderung der Wahrhaftigkeit in öffentlichen Debatten und Medien in Afrika, in Nairobi einige der Forschenden und Faktenprüfer*innen zusammen, die die Wahlen 2024 in neun afrikanischen Ländern, darunter Südafrika, Ruanda, Senegal, Namibia, Ghana, Tunesien und Algerien, beobachtet hatten. Darüber hinaus sprachen Vertreter*innen von Africa Check aus Kenia und Nigeria über ihre jeweiligen Informationsökosysteme im Rahmen der Wahlen 2022 und 2023.

Insgesamt zeigten sich politische Verleumdungen gegen die Konkurrenz, Unwahrheiten, die die Glaubwürdigkeit der Wahlbehörden untergruben, und solche, die darauf abzielten, das Vertrauen der Öffentlichkeit in unabhängige Medien zu untergraben, als einige der Hauptbestandteile des Rezepts für Desinformation. Der Einsatz bezahlter Influencer*innen, die heimlich angeheuert wurden, um Falschinformationen zu verbreiten, war ebenfalls in allen Ländern weit verbreitet. 

Gefälschte Meinungsumfragen zu kontroversen Themen oder zur Beliebtheit von Kandidat*innen, gefälschte oder manipulierte Wahlplakate, gut gestaltete Manifeste mit hetzerischer Rhetorik, geschickt geschnittene Videos, die polarisierende Wortgefechte zeigten, und gefälschte Screenshots interner WhatsApp-Unterhaltungen wurden in allen Ländern mit unterschiedlicher Wirksamkeit und Schädlichkeit eingesetzt. 

Africa Check und Partner haben mit bewährten Instrumenten Maßnahmen ergriffen, um Informationsintegrität zu gewährleisten: Faktenprüfung, Entlarvung von Falschinformationen, Vermittlung von Medienkompetenz sowie Kurse zur digitalen Hygiene. Die Plattform bietet Programme an, in denen Menschen lernen, wie sie Informationen aus öffentlich zugänglichen Quellen überprüfen und falsche Informationen erkennen können, insbesondere in Fällen, in denen Desinformation darauf abzielt, kognitive Abkürzungen auszunutzen. Die Programme bieten auch Anleitungen zur Anwendung sicherer Online-Praktiken, um sich selbst und andere vor schädlichen Inhalten zu schützen, und erklären, wie Algorithmen funktionieren, um Empörung zu verstärken, und wie sie neu kalibriert werden können, um nützliche Inhalte anzuzeigen. 

Batteriesäure als Heilmittel gegen Grauen Star

David Ajikobi ist Landesredakteur für Africa Check in Nigeria. Er erklärt, dass neben politischer Desinformation auch Desinformation im Gesundheitsbereich ein großes Problem darstellt. „Das führt zu gefährlichem Verhalten, und der Schaden ist manchmal lebensbedrohlich“, erklärt er und verweist auf die Verbreitung ungetesteter Behandlungsmethoden, wie beispielsweise eine absurde Falschbehauptung in den nigerianischen sozialen Medien, der zufolge Batteriesäure ein Heilmittel gegen Grauen Star sei. „Das ist ein großes Problem, insbesondere auf einem Kontinent, auf dem es wenige wirklich funktionierende Gesundheitssysteme gibt und die Gesundheitskosten aus eigener Tasche bezahlt werden müssen“, fügt er hinzu. 

Mit anderen Worten: Menschen gehen nicht ins Krankenhaus, weil sie von billigen, ungetesteten Heilmitteln gehört haben, die Wunder versprechen. Jemand, der Schwierigkeiten hat, sich zu ernähren, wird wahrscheinlich etwas ausprobieren, das mit geringem Einkommen finanziert werden kann, bevor mehr Geld in Krankenhausrechnungen fließt. Das ist die Ökonomie des Überlebens.

Irreführende Gesundheitsratschläge können tödliche Folgen haben, nicht nur für einen selbst. Das gilt insbesondere in Zeiten von Epidemien oder Pandemien wie Covid-19 oder Ebola. Nicht wenige Menschen glauben religiösen Autoritäten, wenn diese behaupten, dass Impfstoffe Teil eines weltweiten Sterilisierungsprogramms seien. Sie verweigern sich und ihren Kindern Impfungen gegen vermeidbare Krankheiten wie Polio, Tetanus, Masern und Tuberkulose.

Die Routen von Desinformation in Afrika sehen so aus: Sie verbreitet sich über soziale Medien – WhatsApp, X, Facebook, TikTok, Instagram, YouTube oder Telegram –, landet dann bei lokalen Radiosendern und wird in Moscheen und Kirchen, auf Marktplätzen und auf offiziellen Plattformen als Tatsache wiederholt. An anderen Tagen entsteht sie auf dem Marktplatz und landet in der WhatsApp-Gruppe der Familie. So zirkuliert sie ungehindert, vergiftet Köpfe und gefährdet Leben. 

Kämpfe um Herzen und Köpfe

In Westafrika gewinnt ein weiterer Aspekt der Desinformation an Bedeutung. Forschende führen dies auf die geopolitische Situation in der Region zurück, in der wichtige globale Akteure versuchen, die Herzen und Köpfe der Bevölkerung für sich zu gewinnen. „Falsche Narrative und Desinformation werden genutzt, um den Einfluss ausländischer Akteure – Russlands, Chinas, aber auch der USA und der EU – zu stärken“, sagt Ajikobi.

Valdez Onanina ist Chefredakteur für das frankophone Afrika bei Africa Check. Er lebt in Dakar, Senegal, und hat umfangreiche Recherchen in französischsprachigen Ländern durchgeführt, die in den letzten zehn Jahren Staatsstreiche erlebt haben. „Fehlinformationen und Desinformation, insbesondere aus China oder Russland, bleiben eine Bedrohung, da sie zur zunehmenden Polarisierung der öffentlichen Debatten und politischen Auseinandersetzungen in unseren Ländern beitragen“, sagt Onanina.

Laut Onanina gibt es dafür zwei Gründe: „Ein sehr fragiles Medienökosystem hat mit einer schwierigen wirtschaftlichen Lage zu tun, was sich direkt auf Qualität, Ethik und Wirkung von Journalismus auswirkt“, sagt er. „Zweitens sinkt weltweit das Vertrauen in die Medien, was auf verschiedene Faktoren zurückzuführen ist, darunter der Aufstieg des Populismus in mehreren Ländern, wo Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens dieses Misstrauen oft durch falsche Aussagen schüren.“ 

Falschinformationen aus höchster Instanz

Was den letzten Punkt betrifft, wissen wir in Kenia genau, was er meint. Hier ein Beispiel dafür, wie Fake News aus höchster Regierungsinstanz verbreitet werden. 

Der kenianische Präsident William Ruto reiste im September 2024 nach Deutschland, um ein bilaterales Abkommen zur Arbeitsmigration zu unterzeichnen. „Dieses Abkommen wird 250.000 Arbeitsplätze für junge Menschen aus Kenia schaffen“, sagte er in einem Interview mit der Deutschen Welle (DW), dem staatlichen internationalen Sender Deutschlands. Der britische öffentlich-rechtliche Sender BBC griff diese Zahl auf und schrieb in einem Beitrag auf X: „Deutschland hat zugestimmt, 250.000 qualifizierte und teilqualifizierte kenianische Arbeitskräfte aufzunehmen.“ 

Kurz nachdem der Beitrag der BBC veröffentlicht worden war, zitierte das deutsche Innenministerium diesen und postete auf X: „Diese Information ist eindeutig falsch. Das Abkommen zwischen Deutschland und Kenia enthält keine Zahlen oder Quoten für Fachkräfte, die die Möglichkeit erhalten, in Deutschland zu arbeiten. Alle Interessenten müssen die strengen Anforderungen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes erfüllen.“ 

Für Kenianer*innen stammte diese Zahl vom Präsidenten. Und eine befreundete Regierung hatte sie gerade für falsch erklärt. Viele, die das DW-Interview sahen, den BBC-Bericht lasen oder die Kommentare des Präsidenten in Kenia hörten, sahen darin eine Kritik der Deutschen an Ruto. 

Rutos Behauptung, dass die Vereinbarung Zahlen enthalte, und sein Versäumnis, die Details offenzulegen, schürten die Hoffnung von Millionen junger Kenianer*innen, die meisten von ihnen arbeitslos. Plötzlich herrschte große Aufregung im Internet, und viele sahen sich bereits im Flugzeug nach Deutschland sitzen. 

Als die deutsche Regierung klarstellte, dass das Abkommen keine Zahlen enthalte,und betonte, dass es um Fachkräfte gehe, erschütterte dies das ohnehin schon bröckelnde Vertrauen in den Präsidenten. 

Dennoch entschieden sich einige, die Angelegenheit zu verdrehen, und argumentierten, dass die Aussage des Staatsoberhauptes zwar wahr sei, die deutsche Regierung ihm jedoch widersprechen müsse, da Einwanderung ein heißes Wahlkampfthema bei den bevorstehenden deutschen Wahlen sei. Ruto hatte den Menschen Arbeitsplätze versprochen und musste nun um jeden Preis zeigen, dass er dieses Versprechen einhalten würde. 

So gedeiht Desinformation. Fakten werden verdreht, um sie an ein bestimmtes Narrativ anzupassen. Selbst wenn Unwahrheiten aufgedeckt werden, ist es schwierig, sie zu korrigieren – denn diejenigen, die die Falschinformationen verbreiten, beharren auf ihrer Version der Ereignisse, da sie ein bestimmtes Ziel vor Augen haben. 

Aber es gibt Hoffnung. Dank grenzüberschreitender und gemeinschaftlicher Informationsforensik in einer vernetzten Welt, in der tausende digital versierte junge Menschen Zugang zum Internet haben, kommt die Wahrheit oft ans Licht. Wenn dies geschieht, werden jedoch das Vertrauen und der gute Wille der Öffentlichkeit, auf denen die Arbeit aller Staatsbediensteten und Behörden beruht, untergraben. Ziviler Ungehorsam wird zur patriotischen Pflicht und Regierungsführung schwierig.

Quellen

Africa Check: 
https://africacheck.org/ 

Kamau, S. and Shiundu, A., 2024: “Investing in fake news? The disinformation industry in Kenya’s 2022 elections.” In: State-Sponsored Disinformation Around the Globe (2024): 194-215. DOI: 10.4324/9781032632940-15.

Alphonce Shiundu ist ein kenianischer Journalist und Redakteur bei Africa Check.
shiunduonline@gmail.com 

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