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Klimapolitik

Richtungsweisend

Der Klimagipfel in Madrid hat keine Ergebnisse gebracht. Regierungen, die wissenschaftliche Erkenntnisse leugnen, bremsen die Menschheit. Der Kampf um Klimaschutz geht weiter, aber die Entwicklungsländer können sich nicht mehr auf das multilaterale System verlassen. Unter den Industrienationen zeigen nur noch europäische Länder nennenswerten Ehrgeiz.
Greta Thunberg und Vanessa Nakate beim Klimagipfel in Madrid. Jar David/picture alliance/ABACA Greta Thunberg und Vanessa Nakate beim Klimagipfel in Madrid.

Die Delegationen aus den Waldbrandnationen USA, Australien und Brasilien verhielten sich bei der UN-Konferenz in Dezember besonders destruktiv. Andere, etwa die Kanadier und Japaner, konnten sich hinter ihnen verstecken. Die Menschheit rast auf eine Katastrophe zu, aber multilaterales Handeln bietet keinen Schutz. Die Klimarahmenkonvention (UN Framework Convention on Climate Change – UNFCCC) liegt in Scherben. Dennoch war es besser, aus Madrid ohne Ergebnisse abzureisen, als faule Kompromisse zu akzeptieren.

Die Fakten sind klar. Die Klimakrise eskaliert schneller als vorhergesagt. Wenn in den nächsten zehn Jahren keine dramatische Trendumkehr gelingt, wird sie unkontrollierbar, warnt der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change (siehe Mojib Latif in der Rubrik Debatte des E+Z/D+C e-Papers 2018/11). Die Datenlage ist erdrückend. Das unter anderem so für den Zustand der Ozeane (siehe Floreana Miesen in der Rubrik Monitor von E+Z/D+C e-Paper 2019/11), den Verlust der Artenvielfalt (siehe Theresa Krinninger der Rubrik Monitor von E+Z/D+C e-Paper 2019/07) oder die Folgen von Landwirtschaft und Landnutzung (siehe Katja Dombrowski in der Rubrik Monitor von E+Z/D+C e-Paper 2019/09). Dass skrupellose Regierungen trotzdem noch fossilen Interessen Vorrang geben, dürfte schon bald als Verbrechen gegen die Menschlichkeit gewertet werden.

Vielen Menschen ist die Lage klar. 2019 gab es weltweit Schulstreiks für den Klimaschutz. Eine neue Bewegung namens Extinction Rebellion ruft zu zivilem Ungehorsam auf. Die Medien berichten vor allem über reiche Länder, aber in armen Weltregionen machen sich die Menschen besonders Sorgen. „In meinem Land hängen die Menschen von den Ernten ihrer Bauernhöfe ab“, sagt die junge Klima-Aktivistin Vanessa Nakate aus Uganda. „All diese Dürren und Fluten machen sie hoffnungslos.“

Manche Politiker reagieren auf öffentlichen Druck. Ein seltener Lichtblick in der Madrider Düsternis war das Green-Deal-Versprechen der EU (siehe Kasten). Das Paket ist ehrgeizig und stimmig. Offensichtlich sind europäische Politiker beeindruckt von den vielen Teenagern, die die schwedische Schülerin Greta Thunberg mobilisiert hat. Jedenfalls statuiert die EU mit dieser Politik ein Exempel, dem andere reiche Nationen folgen müssen.

Besser wäre sicherlich gewesen, die EU hätte einige Monate zuvor ihre neue Politik angekündigt, weil sie dem Gipfel damit Schwung verliehen hätte. Stattdessen bestätigte der Europäische Rat das Paket erst kurz vor Konferenzende. Da die neue Europäische Kommission aber erst seit Anfang Dezember im Amt ist, ist ihr das Timing nicht vorzuwerfen. Nun muss die Umsetzung aber schnell erfolgen.

Wenn sie die Versprechen hält, tut die EU der Menschheit einen großen Dienst. Die Entwicklungsländer brauchen Ehrgeiz in der reichen Welt. Leider war aber EU-Rhetorik in der Vergangenheit oft besser als EU-Handeln. Das gilt besonders für Deutschland, wo die Bundesregierung ihrer eigenen Planung bei der Emissionsreduzierung hinterherhinkt, aber nur halbherzige Schritte unternimmt, um wieder aufzuholen.

Die Herausforderungen sind riesig – unter anderem, weil der UNFCCC-Prozess in der Sackgasse steckt. Die EU muss nun vorangehen, ohne zu wissen, ob andere folgen. Beim Klimagipfel im nächsten Jahr, der kurz nach den Wahlen in den USA stattfindet, ist die Lage vielleicht wieder etwas besser – falls Donald Trump nicht im Amt bestätigt wird. Es ist nicht sicher, dass es so kommt – aber er wäre zum Gipfelzeitpunkt nur noch ein Präsident ohne Einfluss. Nach ihm käme wohl ein Demokrat an die Macht und die Entscheidung, aus dem Pariser Klimaabkommen auszutreten, würde revidiert. Vermutlich würden auch Green-New-Deal-Konzepte umgesetzt, die in eine ähnliche Richtung wie die neue EU-Politik weisen.

Bemerkenswert ist, dass die konservative britische Regierung in Madrid trotz Brexit auf Seiten der EU und nicht der USA stand. Sie wird Gastgeberin des Klimagipfels 2020 in Glasgow sein. Ihre Haltung ist zwiespältig: Einerseits verspricht sie an der bisherigen, fortschrittlichen Klimapolitik festzuhalten, andererseits befürwortet sie die Art von Deregulierung, die normalerweise zu weniger Umweltschutz führt.

Die Parlamentswahlen im Dezember haben Premierminister Boris Johnson so gestärkt, dass er nun machen kann, was er will. Die Spitzenpolitiker der EU haben viele Gründe, ihm zu misstrauen, weshalb die Verhandlungen über die künftigen Beziehungen mit dem Königreich schwierig werden dürften. Es wäre aber vermutlich klug, schnell ein großzügiges Klimapaket anzubieten, denn Kooperation für Nachhaltigkeit ist sicherlich einem destruktiven Deregulierungswettbewerb vorzuziehen.

Marktkräfte werden solch eine Kooperation vielleicht sogar unterstützen. Zwar hat Marktradikalismus in der Vergangenheit fortschrittliche Politik oft verhindert, aber das Klimabewusstsein privater Investoren wächst derzeit. Sie schrecken seit einiger Zeit vor Kohleinvestitionen zurück und beginnen sich nun auch aus der Öl- und Gaswirtschaft zurückzuziehen. Sie wissen, dass Unternehmen irgendwann für die Schäden, die sie verursachen, zahlen müssen. Jüngst hat die Investmentbank Goldman Sachs angekündigt, sie werde in der Arktis keine Bohrungen finanzieren.

Die Zentralbanken unterstützen diese Entwicklung in gewissem Maß. Sie versuchen die makroökonomischen Konsequenzen der Klimakrise zu erfassen. In einer deprimierenden Zeit ist es vielleicht ein gutes Omen, dass die britische Zentralbank diese Debatte zuerst vorangetrieben hat und sich nun die neue Präsidentin der Europäischen Zentralbank Christine Lagarde als Vorreiterin profiliert. Lob verdient zudem die Europäische Investitionsbank, die sich bis Ende 2021 komplett aus der Finanzierung fossiler Investitionen zurückziehen will. Auf solche Signale achten Privatanleger.

Wir können nicht darauf vertrauen, dass die Klimarahmenkonvention die Probleme löst. Die Katastrophe zu verhindern erscheint ähnlich hoffnungslos, wie gegen einen starken Strom anzuschwimmen. Wir müssen aber weiterkämpfen, und selbst wenn Massenprotest nicht jede skrupellose Regierung überzeugt, ist er nicht nutzlos. Privatanleger auf die Klimawissenschaft aufmerksam zu machen ist auch sinnvoll.


Saleemul Huq ist Direktor des International Centre for Climate Change and Development (ICCCAD) an der Independent University, Bangladesch (IUB) in Dhaka. Er ist außerdem langjähriger Mitarbeiter des International Institute for Environment and Development in London.
saleemul.huq@icccad.net
http://www.icccad.net

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