Capacity Building
„Mehr Innovationen schaffen“
[ Interview mit Joachim Langbein ]
Warum interessieren sich Regierungen in Lateinamerika für Innovationen im Privatsektor?
Die Innovationsfähigkeit einer Volkswirtschaft ist die Grundlage für ihre dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit. Für Lateinamerika und die Karibik kommt es darauf an, den Übergang von der ressourcenbasierten zur wissensbasierten Wirtschaft zu schaffen und internationale Vernetzung als Chance zu begreifen. InWEnt unterstützt in Kooperation mit der UN-Kommission für wirtschaftliche Entwicklung in Lateinamerika und der Karibik – kurz CEPAL – den Erfahrungsaustausch.
Kann denn eine deutsche Institution Regierungen in ärmeren Ländern glaubwürdig in der Innovations- und Technologiepolitik unterstützen? Es ist doch zweifelhaft, dass InWEnt Interesse daran hat, Konkurrenz für deutsche Firmen heranzuzüchten.
Dieser Eindruck ist verbreitet – aber falsch. Die Erfahrung lehrt, dass hochentwickelte Länder mit starken, wettbewerbsfähigen Industrien die wichtigsten und attraktivsten Handelspartner Deutschlands sind. Die Vorstellung, dass die reiche Welt nur Ressourcen der armen Welt ausplündert, ist überzogen. Große Märkte gehen mit vielfältigen Chancen und Möglichkeiten einher. Von Technologiekooperation und gemeinsamer Forschung und Entwicklung profitieren beide Seiten – eine klassische Win-Win-Situation.
Die Ökonomien Lateinamerikas stützen sich bisher vor allem auf Rohstoffexporte, also nicht in erster Linie auf Innovationen.
Das bedeutet aber nicht, dass das optimal wäre, oder gar, dass das so bleiben muss. Im Interesse einer nachhaltigen Entwicklung und der Armutsbekämpfung ist es heute notwendig, Wachstum nicht nur über Ressourcenvorkommen und niedrige Lohnkosten zu erzielen. Digitalisierung und Globalisierung bedeuten, dass es andere, attraktivere Perspektiven gibt. Dafür ist Wissen nötig – verbunden mit der Fähigkeit, es erfolgreich in Produkte, Prozesse und Dienstleistungen umzusetzen. So entstehen auf Dauer zusätzliche Beschäftigung und Einkommen. Volkswirtschaften, die diesen Weg nicht gehen, werden von der internationalen Entwicklung abgehängt. Deshalb findet auch unser Auftraggeber, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit – kurz BMZ – das Thema wichtig.
Wie schätzen Sie denn die Forschungsleistung in der Region ein?
Es gibt sehr gute Hochschulen und Institute. Allerdings fehlt es oft an ökonomisch erfolgreichen Resultaten, weil neue Erkenntnisse nicht zu marktfähigen Produkten oder Produktionsverfahren weiterentwickelt werden. Das Problem haben die Regierungen erkannt, und deshalb ist auch die CEPAL zum Thema aktiv geworden.
Wer ist die Zielgruppe von InnoTALK?
Wir setzen auf mehreren Ebenen an. Es geht nicht nur um die Policymaker, also die Entscheidungsträger im Kabinett zum Beispiel, die Ziele der nationalen Politik festlegen. Wichtig sind auch die Policyshaper, die Leute, die deren Politik dann implementieren. Mit den Policymakern sind wir auf Konferenzen – nicht zuletzt dank CEPAL – im Gespräch. Policyshaper sowie Vertreter von Firmen und Hochschulen bilden wir dagegen mit verschiedenen Mitteln fort: Trainingskurse und Workshops vor Ort, Fachstudienreisen, aber auch ein International Leadership Training. Dieses „ILT“ ist praxisorientiert und findet in drei Phasen statt:
– Noch in der Heimat lernen die Teilnehmer Deutsch und belegen einen E-learning-Kurs zum Thema Innovationsförderung, den wir speziell für dieses Projekt in Zusammenarbeit mit der Fraunhofer Academy entwickelt haben.
– Dann kommen sie für ein Jahr nach Deutschland, wo sie unter anderem fünf Monate lang in einer deutschen Institution zur Innovationsförderung mitarbeiten und miterleben, wie dort Programme zur Innovationsförderung umgesetzt werden.
– Abschließend implementieren sie in der Heimat ein konkretes Transfer-Projekt, in dem sie das in Deutschland Gelernte mit den Bedingungen vor Ort abgleichen und umsetzen.
Welche Rolle spielen die Unternehmen?
Das ist die dritte wichtige Ebene. Letztlich sind sie es, die Wissen in marktfähige Produkte umsetzen. Wir definieren Innovation als die Umsetzung von Wissen in Geld, wohingegen Invention – also Erfindung – die Umsetzung von Geld in Wissen ist. Innovation findet also nur im Unternehmen statt. Wir bieten in ausgewählten Ländern auch Trainings zum betrieblichen Innovationsmanagement an. In bescheidenem Umfang können wir sogar pilothaft Kooperationsprojekte zwischen deutschen und lateinamerikanischen Firmen und Forschungseinrichtungen fördern.
Wie soll ich mir das vorstellen?
Denken Sie zum Beispiel an die Sanierung von Tankstellengrundstücken, die nun neu genutzt werden sollen. In Deutschland ist es üblich, solche Böden nicht abzutragen, sondern am Standort durch den Einsatz von Bakterien wieder nutzbar zu machen. Grundsätzlich geht das auch in Brasilien – aber es sind wegen anderer Umweltbedingungen auch andere Bakterienkulturen und Belüftungsmethoden nötig. Wenn ein deutscher Anlagenbauer, der sich damit auskennt, mit einem einschlägigen brasilianischen Partner kooperiert, sind die Chancen gut, eine sinnvolle Lösung zu finden. Solche Kooperationen haben wir bereits in einem früheren Projekt zur Umwelttechnologiekooperation mit Brasilien gefördert. Oft sind es relativ kleine, pragmatische Ideen, die neue Geschäftsmodelle möglich machen.
Es geht also nicht unbedingt um aufwendige Spitzentechnologie?
Nein, es kommt mehr darauf an, die richtigen Leute miteinander in Verbindung zu bringen, damit sie sich austauschen. Die Forscher müssen wissen, was die Firmen brauchen, und die Manager müssen wissen, welche Wissenschaftler vielleicht Rat für sie haben. Deshalb hat sich vielerorts das Modell des Technologieparks teilweise mit angeschlossenem „Business incubator“ (Gründerzentrum) bewährt, bei dem Unternehmensgründer in räumlicher Nähe zu Forschungsstätten angesiedelt werden, sodass der wechselseitige Austausch leichtfällt.
Kümmert sich InWEnt auch um Innovations- und Technologieförderung in anderen Weltgegenden?
Ja, in Südostasien läuft unser Projekt „Business Incubation in South East Asia“. In Thailand ist das Projekt inzwischen abgeschlossen, das dortige Modell dient nun als Best Practice für unsere Arbeit in Vietnam, Indonesien und auf den Philippinen. Außerdem beziehen wir Fachleute aus Kambodscha ein. Das ist ein Beispiel für sinnvolle Süd-Süd-Kooperation.
Die Fragen stellte Hans Dembowski.