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Gesundheit

Apotheken auf Motorrollern

Es scheint paradox: Arme Menschen bezahlen mehr für dieselben Medikamente als reiche. Dennoch haben sie oft keinen Zugang zu den Arzneien, die sie brauchen. Eine neue Studie gibt Hinweise, wie sich das ändern könnte.

Der Aufruf an Pharmaunternehmen, auch den Armen Medikamente zu liefern, ist alt; die Marktchancen groß. Arme Menschen geben im Schnitt mehr als fünf Prozent ihres Einkommens für Gesundheit aus und davon gut ein Drittel für Medikamente. Ein Absatzmarkt von über 52 Milliarden Dollar in lokaler Kaufkraftparität wartet auf die Hersteller.

Doch noch immer mangelt es weltweit rund 1,7 Milliarden Menschen an lebenswichtigen Medikamenten. In Afrika und Indien sind es über die Hälfte der Bevölkerung. Zudem sind die Medikamente, die sie kaufen können, häufig teuer, abgelaufen oder gefälscht.

Eigentlich wären wichtige Arzneimittel längst für jeden erschwinglich, denn 95 Prozent sind in Entwicklungsländern nicht mehr patentgeschützt. Doch ausgerechnet bei den Ärmsten der Armen in den Dörfern und Slums der Entwicklungs- und Schwellenländer kommen die Preissenkungen nicht an. Hier sind Medikamente sogar teurer, denn zwischen Herstellern und Kunden liegen lange Transportwege auf teils unpassierbaren Straßen, undurchsichtige Regulierungen und Zölle, schlecht ausgebildete Ärzte oder Zwischenhändler, die hohe Aufschläge verlangen.

Um diese Hürden zu überwinden, müssen Unternehmen bei Vertrieb und Marketing neue Wege gehen. Das Ende Januar veröffentlichte Handbuch „Bringing Medicines to Low-Income Markets“ hält Tipps für Hersteller parat, die in arme Märkte investieren wollen.

Die Autoren schlagen sozial denkenden Unternehmen die Formel „4As+1“ vor:
Acceptance: Unternehmen müssen sich über die Märkte der Armen informieren und ihre Produkte den Bedürfnissen anpassen.
Awareness: Sie sollten Bildung zu Gesundheitsthemen unterstützen, um die medizinischen Kenntnisse von Patienten und Personal zu erweitern.
Availability: Ihre Medikamente müssen auch in abgelegenen Gegenden vorhanden sein.
Affordability: Medikamentenpreise soll­ten erschwinglich sein. Dafür können ­Unternehmen besondere Finanzierungsmethoden anbieten oder Mikroversicherungen unterstützen.
+Actors: In all diesen Bereichen sollten Unternehmen mit anderen Akteuren zusammenarbeiten, die sich vor Ort auskennen, und denen die Bürger vertrauen.

Das Handbuch enthält viele Beispiele dafür – etwa bei Verpackungen: Für Analphabeten ist es attraktiv, wenn Packungsbeilagen Zeichnungen oder farbige Markierungen enthalten. In Orten, wo Bewohner weder ins Internet noch an klassische Bildung kommen, punkten „Health camps“ wie in Indien. Dort fahren Gesundheitsberater von Dorf zu Dorf und geben neben Infos auch Diagnosen und Gesundheitstipps. Und das afrikanische Unternehmen „Riders for health“ verleiht Fahrzeuge an medizinisches Personal, damit sie auch entlegene Gebiete erreichen – meist wendige Motorroller. Damit Pa­tienten nicht aus Geldnot auf Medikamente verzichten, ermöglicht ein philippinisches Unternehmen ihren Verwandten im Ausland, die Behandlung zu bezahlen. Dafür winken sogar reduzierte Preise.

Eva-Maria Verfürth