Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Städtische Elendssiedlungen

Ein Zuhause  für die Armen

Obwohl die Wirtschaft in vielen asiatischen Ländern wächst, lebt in den Städten weiterhin über ein Viertel der Menschen in informellen Siedlungen. Da die Regierungen nicht viel dagegen unternehmen, haben zivilgesellschaftliche Organisationen die Dinge in die Hand genommen. Die Asian Coalition for Housing Rights ist ein Netzwerk besonders aktiver Gruppen. Sie beweist, dass es gar nicht so schwer ist, die städtische Marginalisierung anzugehen.

Von Somsook Boonyabancha und Diana Mitlin

Große Fortschritte macht in Asien zurzeit nicht nur die Wirtschaft. Auch die Restrukturierung der Stadtzentren sowie großangelegte Infrastrukturprojekte schreiten voran. Den Armen macht beides das Leben nur noch schwerer. Wenn ihre Probleme gelöst werden sollen, müssen sie mitwirken. Das ist den Mitgliedsorganisationen der Asian Coalition for Housing Rights (ACHR) nach jahrzehntelanger Arbeit klar. Die einkommensschwachen Städter wissen am besten, was schiefläuft. Und sie sind es auch, die am dringendsten etwas ändern wollen.

Im Jahr 2009 startete die ACHR das dreijährige Programm „Asian Coalition for Community Action“ (ACCA). Sie wird vom Londoner International Insitute for Environment and Development (IIED) finanziert, das dafür eine Zuwendung von der Bill & Melinda Gates Stiftung erhielt. Das Programm soll Menschen dabei unterstützen, ihre eigenen Lösungen zu finden und umzusetzen. Kleine Veränderungen können oft große Wirkung haben, wie zum Beispiel kleine Straßen oder Brücken, die eine informelle Siedlung an das städtische Verkehrs- netz anbinden. Wichtig sind auch Wasserversorgung, Abwasserrohre, Gemeinschaftslatrinen oder Straßenlaternen (siehe Kasten).

Gemeinsam anpacken

ACCA legt Wert darauf, dass diese Projekte von der Bevölkerung selbst angestoßen werden und dass die Menschen ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen. Sie bauen Kapazitäten in ihrem Viertel auf. Erfolgreiche Projekte erregen zudem immer auch öffentliche Aufmerksamkeit. So tragen kleine Maßnahmen dazu bei, politischen Druck zu erzeugen. Das Ziel ist letztlich, Ministerien und Kommunalverwaltungen dazu zu bringen, mit den Bürgerorganisationen zusammen­zuarbeiten. Offizielle Kooperationen zwischen den Organisationen und der öffentlichen Stadtplanung sollen entstehen. Die ACCA-Gruppen verlangen zudem Reformen, damit die Kommunalpolitik sich mehr an den Armen orientiert und die Aufwertung von ärmlichen Stadtteilen erschwinglicher wird.

ACCA wird von ACHR-Mitgliedern umgesetzt. Sie sind von den Fähigkeiten einkommensschwacher oder anders benachteiligter Menschen überzeugt. Sie arbeiten mit Nachbarschaftsgruppen zusammen, die mit lokalen Behörden verhandeln und Zugang zu grundlegender Versorgung fordern.

ACCA soll diese Initiativen stärken. Vor allem fördert sie kleine Projekte, die informelle Siedlungen aufwerten („upgrading“). Obendrein ist pro Stadt mindestens ein großes Wohnungsbauprojekt möglich. Die Leute setzen diese Maßnahmen selbst um. Nachbarschaftsgruppen entwerfen Projektpläne, führen Erhebungen durch und gehen Partnerschaften ein.

Kleines Budget

Das Budget von ACCA ist bescheiden. Vor allem sollen die Programme zum Nachdenken anregen. Ziel ist, so viele Städte und Viertel wie möglich zu erreichen.

Die höchste Fördersumme beträgt 58 000 Dollar pro Stadt. Mit zunächst 15 000 Dollar sollten teilnehmende Organisationen mindestens fünf kleine Upgrading-Projekte umsetzen, jedes davon in einem anderen Viertel. Manche Gruppen schaffen es, bis zu zwölf Projekte mit dieser Summe zu finanzieren. Sobald die Organisationen mit ihren kleinen Projekten begonnen haben, können sie sich um die 40 000-Dollar-Förderung für ein großes Wohnungsbauprojekt bewerben. Davon werden maximal sieben oder acht pro Land vergeben.

In den meisten Fällen gewährt der Staat bei den Großprojekten seinerseits Zuschüsse. Diese sind oft um ein Vielfaches höher als die ursprüngliche Förderung. Bei kleinen Projekten kommt ACCA für rund die Hälfte der Kosten auf. Die Bürger tragen selbst rund ein Drittel, für den Rest sammeln sie Spenden oder erbitten Unterstützung von der Stadtverwaltung. Bei den großen Projekten jedoch machen öffentliche Gelder im Schnitt über 85 Prozent der Finanzierung aus. Letztlich haben 2,3 Millionen Dollar an ACCA-Förderung bis August 2011 dazu geführt, dass fast 41,5 Millionen Dollar in Stadtentwicklung investiert wurden.

ACCA ermutigt Nachbarschaftsorganisationen zudem, Spargruppen für zukünftige Projekte zu gründen. Denn Behörden investieren eher, wenn die Bewohner bereits kleine Projekte erfolgreich umgesetzt haben und sich auch selbst an den Kosten beteiligen.

In 37 der 65 Städte, in denen große Projekte durchgeführt wurden, stellte die Regierung das Land für die Wohnungen bereit – entweder umsonst oder als Pacht- oder Mietgrundstück, das nach langjähriger Zahlung ins Eigentum des Bewohners übergeht. Darüber hinaus haben 7000 informelle Bewohner Besitztitel für ihr Grundstück erhalten.

Gruppen in Kambodscha, Indonesien, Nepal und Sri Lanka, die kleine Projekte fertiggestellt haben, bekamen Landbesitztitel von der Regierung. Hier sowie in Städten in den Philippinen, Vietnam, Fidschi, Thailand und Laos steuerte die Regierung die Infrastruktur für große Projekte bei. Häufig bot sie zudem technische Hilfe an, spendete Baumaterial und stellte Baugeräte zur Verfügung.

Alle Projekte sind verhältnismäßig kostengünstig, denn auch andere Viertel sollen sie kopieren können. Pro Stadt stellt ACCA auch 3000 Dollar für die Evaluierung, Networking, Sparprojekte und kommunalen Austausch bereit. Außerdem investiert das Projekt jährlich 10 000 Dollar pro Land in landesweite Koordination. Es haben sich bereits mehrere nationale ACCA-Komitees gegründet.

Das ACCA-Modell zeigt, wie wichtig die Eigenverantwortung und das Engagement der Bewohner sind, wenn Stadtentwicklung auch die Armen einbeziehen soll. Sie müssen aus einer Position der Stärke heraus mit Behörden verhandeln können. ACCA war dort besonders dort erfolgreich, wo auf bereits bestehende Aktivitäten aufgebaut werden konnte. Das war beispielsweise in Kambodscha, Nepal, den Philippinen, Vietnam, Sri Lanka, Thailand und Laos der Fall.

Öffentliche Unterstützung

Wenn die Zusammenarbeit einer Graswurzelorganisation mit den städtischen Behörden gefestigt ist, fördert ACCA die Einrichtung eines „City Fund“. Beide Parteien zahlen in diesen Fonds ein und verwalten ihn gemeinsam. Anders als bei einer konkreten Projektinvestition kann das hier angelegte Geld auch in anderen Stadtteilen für Upgrading genutzt werden.

Die Tabelle (siehe Heft S. 148) zeigt, wo solche Fonds bestehen und wie hoch die Beteiligung ist. In sieben Ländern waren Regierungen bereit, sich zu beteiligen. Die Beträge mögen noch gering sein – aber man darf nicht vergessen, dass sie in nur zwei Jahren eingeworben und ausgezahlt wurden. Bei 63 von 66 Großprojekten ist eine offizielle Partnerschaft zwischen Bürgern und Stadtverwaltung entstanden. Sie haben gemeinsame Stadtentwicklungskomitees aufgebaut, in denen die einkommensschwachen Bürger gleichberechtigt mit städtischen Partnern zusammenarbeiten können.

An vielen Orten haben staatliche Stellen sogar ihre Standards für Stadtplanung angepasst. So sparen sie Kosten und die Armen können Wohnraum ent­wickeln, der ihren Bedürfnissen entspricht.

Das beeindruckendste Beispiel ist die vietnamesische Stadt Vinh, die die Standards zur Sanierung alter Sozialwohnungen geändert hat. Anstatt die Projekte von teuren Bauunternehmern verwirklichen zu lassen, übernehmen nun Bürger die Verantwortung. Dises vorbildliche Modell ist aus einem ACCA-Projekt im Stadtteil Cua Nam hervorgegangen (siehe Kasten).

ACCA hat bereits bewiesen, dass es wirklich gar nicht sonderlich schwierig ist, in asia­tischen Städten Veränderungen anzustoßen. Die ­Armutsprobleme der Städte sind lösbar. Das ACCA-Konzept macht die armen Städter – also die Nachfrage­seite – zu den Hauptakteuren. Das neue Finanzsystem ist offen ­zugänglich und auf die Zielgruppe zugeschnitten. In ­Partnerschaft können Regierung und Bürger als Team zusammen arbeiten. Die ­Armen werden dabei als Bürger mit Rechten und als produktive Menschen anerkannt.

Das ACCA-Modell funktioniert. Es geht das Problem der städtischen Armut sinnvoll an. Und es zeigt, wie globale und nationale Finanzsysteme geändert werden sollten, damit sie den Bedürfnissen der Menschen entsprechen.

Während der letzten 18 Monate engagierte ACCA sich mit kleinen Investitionssummen in folgenden Bereichen:

– Wegebau (126 Projekte)
– Wasserversorgung (103 Projekte)
– Toilettenbau (98 Projekte)
– Abwasserkanäle (68 Projekte)
– Spielplätze und Grünflächen (48 Projekte)
– Gemeindezentren (46 Projekte)
– Strom und Straßenbeleuchtung (30 Projekte)
– Brücken (13 Projekte)
– Abfall und Kompostierung (8 Projekte).