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Kommentar

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Asien hat Armut zurückgedrängt, aber der Kampf ist noch nicht gewonnen. Schwierige Herausforderungen stehen bevor – und breitenwirksames Wachstum ist die richtige Strategie, sie anzugehen.

Von Ursula Schäfer-Preuss

Asien gilt als beispielhafter ökonomischer Erfolg. Tatsächlich hat sich das Pro-Kopf-Einkommen in der Region von 1990 bis 2008 fast verdreifacht. Die Lebensqualität eines großen Teils der Weltbevölkerung ist gestiegen. Eine aktuelle Studie der Asiatischen Entwicklungsbank (Wan und Sebastian 2011) zeigt, dass die Zahl der in extremer Armut lebenden Menschen in der Region von 1,42 Milliarden im Jahr 1990 auf 754 Millionen im Jahr 2008 fast halbiert wurde. Der Kontinent macht Fortschritt auch in Richtung auf andere Millen­niumsentwicklungsziele (MDGs) wie den Zugang zu sauberem Trinkwasser, die Gendergerechtigkeit im Bildungswesen oder die Senkung der Kindersterblichkeit.

Dennoch dürfen sich die Geber nicht von dieser Region abwenden, in der immer noch zwei Drittel der Armen dieser Welt leben. Viele Länder im asiatisch-pazifischen Raum werden vermutlich nicht einmal die MDG-Marke für Hunger erreichen.

Zudem wächst die Ungleichheit in vielen Ländern. Die Einkommensschere öffnet sich unter anderem zwischen Stadt und Land. Der Zugang zu Sanitärversorgung, Bildung und medizinischen Basisdiensten ist nicht für alle gleich. Die Arbeitslosigkeit ist zwar generell niedrig, aber zwei Drittel der asiatischen Erwerbstätigen rackern im informellen Sektor, wo Not und Schutzlosigkeit verbreitet sind. Frauen finden nur selten gut bezahlte und formal geregelte Arbeitsplätze. Wenn Asien die Früchte seines enormen Wachstums nicht fairer verteilt, kann soziale Spaltung die politische Stabilität unterhöhlen.

Der demographische Wandel ist eine weitere Herausforderung. Die Jugendarbeitslosigkeit ist in letzter Zeit vielerorts schlimmer geworden. Länder mit vielen jungen Leuten wie In­dien oder die Philippinen brauchen massenhaft neue und produktive Jobs, damit diese Generation sinnvoll beschäftigt wird. Zugleich altern Gesellschaften in China oder Sri Lanka, so dass sichere und angemessene Rentensysteme gebraucht werden.

Bisher hat der Export Asiens Wachstum angetrieben. Angesichts der Verschuldungskrisen, die Nordamerika und Westeuropa erschüttern, wird das so kaum weitergehen. Ohne größere Binnennachfrage in Asien ist das Wachstumstempo nicht durchzuhalten. Stärkere regionale Integration könnte zu einem neuen, gesünderen Gleichgewicht beitragen.

Auch der Klimawandel erfordert mit seinen geografischen, sozialen und ökonomischen Folgen entschlossenes Handeln. Neue Gesundheitsgefahren drohen. Millionen Menschen werden tief liegende Küstengebiete verlassen müssen. Harte ökonomische und soziale Konsequenzen betreffen vor allem Randgruppen und Arme. Sämtliche Investitions- und Entwicklungspläne müssen Maßnahmen zur Begrenzung des Klimawandels und zur Anpassung an ihn einschließen.

„Inclusive growth“ – breitenwirksames Wachstum – ist die richtige Antwort auf all diese Herausforderungen. Es geht darum, allen Mitgliedern einer Gesellschaft die Teilhabe am Wachstum zu ermöglichen. Nötig sind gute Arbeitsplätze und gleichberechtigter Zugang zu medizinischen Basisdiensten und Bildungseinrichtungen. Asien braucht soziale Sicherungssysteme. Millionen leben in der Gefahr der plötzlichen Verarmung, wenn der Brotverdiener der Familie krank wird oder stirbt. Das gilt auch im Fall von Naturkatastrophen oder ökonomischen Erschütterungen.

Asien braucht weiterhin Entwicklungszusammenarbeit, damit solide Infrastrukturen entstehen, der Finanzsektor wächst und private Unternehmen stark werden. Nötig sind Ausbildungschancen und professionelle Gesundheitsversorgung sowie Investitionen in soziale Sicherung, Rechtsstaatlichkeit und fähige Verwaltungen. Nach 20 Jahren spektakulärer Erfolge kann der asiatisch-pazifische Raum in der nächsten Generation Wohlstand erreichen. Damit das geschieht, gilt es, Ungleichheit nicht wachsen zu lassen, die Verletzlichkeit vieler Menschen zu verringern und Armut weiter zu bekämpfen.

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