Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Senegal

Hochschulen und Wahlen

Senegal hat ein starkes Bildungswesen und eine stabile Demokratie. Institutionen der früheren Kolonialmacht sind mittlerweile eindeutig senegalesisch. Das Land entwickelt sich kontinuierlich ohne dramatische Brüche.
Meinungsvielfalt ist normal: Zeitungs­verkäufer in Dakar. Verfürth Meinungsvielfalt ist normal: Zeitungs­verkäufer in Dakar.

Senegal ist eine Kompetenzschmiede. Seine Hochschulen bringen hochqualifizierte Führungspersönlichkeiten hervor, die nicht nur in der nationalen Verwaltung arbeiten, sondern auch in der Privatwirtschaft, großen internationalen Institutionen von Weltbank bis UN oder zivilgesellschaftlichen Organisationen. Hochrangige senegalesische Offiziere leiten Einsätze im Rahmen von Friedensmissionen der UN und der AU.

In Westafrika ist Senegal die viertgrößte Volkswirtschaft – nach Nigeria, der Elfenbeinküste und Ghana, die alle in großem Stil Rohstoffe wie Öl, Kakao und Kaffee exportieren. Von Anfang an war klar, dass Senegal sich durch Wissens- und Erfindungsreichtum hervorheben musste. Für ein kleines Land mit knapp 14 Millionen Menschen ist Senegals Stellung dank der Humanressourcen ausgesprochen stark. Senegal hat keine Rohstoffe – allerdings wurde vor der Küste kürzlich Öl gefunden. Bisher basiert das senegalesische Entwicklungsmodell aber vor allem auf Bildung. 40 Prozent des Staatshaushalts fließen in diesen Sektor.

Senegal profitiert davon, dass Dakar in der Kolonialzeit die Hauptstadt Französisch-Westafrikas war. Die Université Cheikh Anta Diop in Dakar war die Bildungseinrichtung schlechthin für die regionale Elite. Dass die muslimisch geprägte Stadt Dakar eine lange Tradition der Auslegung schriftlicher Texte hatte, half sicherlich. Die meisten großen Städte südlich der Sahara haben keine Schriftkultur, die vor die Kolonialherrschaft zurückreicht.

1960 wurde Léopold Sedar Senghor erster Präsident des unabhängigen Senegal. Dieser Dichter und Intellektuelle liebte die französische Sprache und Kultur. Bis heute ist die Wertschätzung von Wissen und Diplomen im Land tief verankert. Senegal ist das einzige afrikanische Land, in dem alle Studenten Stipendiaten des Staates sind. Allerdings sind die Universitäten nun dem jährlichen Ansturm neuer Abiturienten nicht mehr gewachsen. Tausende Senegalesen studieren in Europa, vor allem in Frankreich. Manche zieht es aber auch nach Nord­amerika, Russland, in die Ukraine oder sogar nach China und Japan.

Im ganzen Land bilden Hunderte Berufsschulen vor allem für Dienstleistungstätigkeiten aus: Marketing und Kommunikation, Neue Technologien, Finanzwesen und Versicherungen et cetera. Diese Schulen haben zum Entstehen von Callcentern beigetragen, die den französischen Markt bedienen.

Gute Noten sind wichtig. Das gilt besonders, weil 60 Prozent der Bevölkerung unter 30 Jahre alt ist und Arbeitsplätze rar sind. Der Wettbewerb ist hart. Als die Regierung voriges Jahr 5000 Beamte einstellen wollte, bekam sie 100 000 Bewerbungen.

Die Einschulungsquote ist hoch. Dass sie in den vergangenen Jahren weiter gestiegen ist, beeinträchtigt aber die Qualität der Schulen. Laut dem „Education for All“-Bericht der UNESCO für 2013/2014 gehört Senegal zu den Ländern, in denen sich der Lernende-Lehrende-Schlüssel von 1999 bis 2011 um 20 Prozent verschlechtert hat. Zudem beanstandet der Bericht, dass weniger als die Hälfte der Lehrkräfte den nationalen Normen entsprechend ausgebildet sind. Die UNESCO empfiehlt, alle Kinder sollten die gleiche Chance auf Bildung haben – und dafür sollten die Schüler, die am dringendsten Unterstützung brauchen, die besten Lehrer bekommen.

Die für afrikanische Verhältnisse gute Breitenbildung hat Senegal geholfen, schnell und effektiv auf HIV/Aids zu reagieren, als diese Krankheit in den achtziger Jahren Afrika erfasste. Die Regierung setzte sofort auf Aufklärung und breite Partizipation. Auch muslimische und christliche Würdenträger warben daraufhin beispielsweise für Kondome. Heute beträgt die Infektionsrate laut UNAIDS nur etwa ein Prozent.


Prägende Organisationen

Bereits in der Kolonialzeit gab es mehrere mit Frankreich verbundene politische Parteien und Gewerkschaften. Sie wurden von Intellektuellen geleitet, die in Frankreich oder Dakar studiert hatten. Nach und nach wurden diese Organisationen zu rein senegalesischen Institutionen, die Generationen von Senegalesen geprägt haben.

Bis heute ist Senegal ein Vorreiter mit Blick auf ­Demokratie und Rechtsstaat. Als einziges westafrikanisches Land hat es nie einen Staatsstreich erlebt. Auf ihre Demokratie sind die Senegalesen stolz. Als der ehemalige Präsident Abdoulaye Wade die Verfassung ändern ließ, um sich nach 12 Jahren an der Macht eine weitere Amtszeit zu ermöglichen, stellte sich die Opposition im zweiten Wahlgang geschlossen hinter den Gegenkandidaten Macky Sall. Wade wurde abgewählt, und Sall wurde Staatschef. Die Demokratie hat über die Jahre tiefere Wurzeln bekommen. Anfangs beherrschte die Partei Senghors Politik und Staat. Andere Parteien fassten erst allmählich Fuß. Seit der Unabhängigkeit war aber jeder Präsident durch Wahlen legitimiert.

Die Medienlandschaft ist in den vergangenen ­Jahren rasant gewachsen. Es gibt heute 15  allgemein­bildende Tageszeitungen, zehn Sport- und Boulevard­magazine und zehn spezialisierte Wochen- und Monatszeitschriften für Themen wie Wirtschaft, Management und Kultur. Senegal hat zehn Fernsehsender und 150 Radiostationen sowie 30 Online-Magazine.

80 Prozent der Radio- und TV-Programme werden in der meistgesprochenen Sprache Wolof, die etwa vier Fünftel der Bevölkerung beherrschen, gesendet. Es gibt aber selbstverständlich auch französische Sendungen. In beiden Sprachen ist das Informationsangebot gut und vielfältig und enthält viele kritische Stimmen. Der Medienpluralismus trägt zur politischen Stabilität bei. Senegalesen vertrauen ihrem politischen System und wissen, dass sie ihre Regierung bei Wahlen abstrafen können.

Sozial ist das Land recht homogen. Laut der amtlichen Statistik sind 95 Prozent der Bevölkerung Muslime und vier Prozent Christen. Senghor war Christ, und seine beiden Nachfolger Abdou Diouf und Wade waren mit Christinnen verheiratet. Erst 2012 zog ein rein muslimisches Paar in den Palast der Republik ein – Macky Sall und seine Frau.

In zahlreichen Familien leben Christen und Muslime zusammen. Interreligiöse Hochzeiten sind an der Tagesordnung. Während mehrere afrikanische Länder an religiösen, ethnischen und ethno-religiösen Spaltungen leiden, ist Senegal bislang ein Modell der religiösen Toleranz. Die meisten Senegalesen sind darauf stolz und wollen nicht, dass sich daran etwas ändert. Dass es dem französischen Kalender entsprechend mehr christliche als islamische Feiertage gibt, finden sie nicht schlimm, sondern amüsant.

 

Abdou Khadre Lo ist Geschäftsführer von Primum Africa Consulting in Dakar.
abdoulo@primumafrica.com