Wahlen
Demokratie fördern
Lebenserfahrung ist relevant. Wenn ein Land nur Gewalt, Missbrauch und Verbrechen kennt, werden die Bürger kein sauberes Regierungshandeln einfordern. Erwartungen können sich aber ändern, wozu Bildung ebenso beitragen kann wie die Medien und zivilgesellschaftliches Engagement. Wenn Sicherheit und Chancen in einem Klima der Rechenschaftspflicht wieder wachsen, werden neue und hilfreiche Erfahrungen möglich.
Paul Collier von der Universität Oxford hat schon vor Jahren ausgeführt, dass Wahlen in Postkonflikt-Ländern meist mehr Probleme verursachen als lösen. Es komme also bei der Demokratieförderung vor allem darauf an, Regeln zu definieren und einzuhalten. Verfrühte Wahlen würden dagegen nur jemanden zu fast diktatorischen Vollmachten berufen, der dann versuche werde, lebenslang im Amt zu bleiben.
Burundi ist ein Beispiel; es steht am Rande des Bürgerkriegs. Voriges Jahr gab es dort Massenproteste, Gewalt und einen fehlgeschlagenen Militärputsch. Der Grund war, dass Präsident Pierre Nkurunzizia noch mal bei einer Präsidentenwahl antrat, obwohl er die zwei Amtszeiten, die die Verfassung und das Friedensabkommen von Arusha aus dem Jahr 2000 als Obergrenze vorsehen, bereits absolviert hatte. Zehntausende flohen. Nach allerlei Manipulationen und Verschiebungen wurde gewählt. Nkurunziza ist immer noch im Amt, seine Glaubwürdigkeit ist beschädigt und der Frieden fragil.
Ugandas Präsident Yoweri Museveni soll eine Verhandlungslösung vermitteln. Leider kann er nicht die nötigen Erwartungen wecken. Er ist seit drei Jahrzehnten an der Macht, die er als Rebellenführer ergriff. Wahlen bestätigten ihn viel später im Amt – und zuletzt geschah das im Februar, begleitet von Schiebereien, Einschüchterung und willkürlichen Festnahmen.
Das ist typisch für Wahlen in Ländern, wo autoritäres Denken fortlebt. Nach Diktatur oder Bürgerkrieg wäre es vielleicht klüger, erst unter UN-Herrschaft ein Mindestmaß an institutioneller Stabilität wiederherzustellen, bevor gewählt wird.
Der Sicherheitsrat könnte einen internationalen Verwaltungschef benennen, um das Land nach globalen Regeln und im Sinne der Sustainable Development Goals zu führen. Einheimische müssten natürlich an wichtigen Positionen involviert werden, aber niemand von ihnen sollte eine dominante Machtposition bekommen. Ziel wäre, die Wirtschaft in Schwung zu bringen, Lebenschancen zu erweitern und die Lebensqualität zu steigern sowie Rechtssicherheit zu schaffen und Bildung voranzutreiben. Collier zufolge bringt Wohlstandsentwicklung mehr Legitimität als Wahlen, bei denen der Sieger alles bekommt.
Eine neue Verfassung könnte später ausgehandelt werden, wenn es bereits Entwicklungserfolge gibt – und dann wären auch Wahlen sinnvoll. Solch ein Ansatz hätte jüngst in der Zentralafrikanischen Republik hilfreich sein können. Stattdessen wurden ohne konkreten Entwicklungsfortschritt viel Zeit und Ressourcen in verwirrende und wenig überzeugende Wahlen gesteckt.
Kritiker werden sagen, ohne Wahlen könne keine Demokratie geschaffen werden. Das stimmt. Allerdings sind verfrühte Wahlen eben auch kein Mittel, um eine echte Demokratie zu schaffen.
Demokratischer Wandel ist möglich, erfordert aber Zeit, Entwicklung und Raum für die Zivilgesellschaft. In Asien, Afrika und Lateinamerika haben Wahlen in letzter Zeit zu friedlichen Regierungswechseln geführt – etwa in Taiwan, Indonesien, Sri Lanka, Nigeria, Senegal, Chile und Argentinien. Sicherlich ist die Amts- und Regierungsführung dort nicht überall perfekt. Aber die Bürger erwarten dort jetzt die Einhaltung demokratischer Regeln.
Hans Dembowski ist Chefredakteur von E+Z/D+C.
euz.editor@fs-medien.de