Private Hochschulen
„Harte Konkurrenz“
Warum sind in Südasien in den letzten Jahren so viele private Hochschulen entstanden?
- Das hat mehrere Gründe mit Folgen für das gesamte Bildungswesen:
- In unserer Region wird Bildung hoch geschätzt. Den meisten Eltern ist die Schulbildung ihrer Kinder sehr wichtig. Sie sind entsprechend bereit, Opfer zu bringen.
- In der Kolonialzeit gründeten evangelische und katholische Kirchen Schulen im Stil der Imperialmächte. Sie verlangten Gebühren und dienten der gesellschaftlichen Elite. Sie waren aber nicht profitorientiert. In den britischen Kolonien und alliierten Fürstenstaaten brachten die Schulen englischsprachige Absolventen hervor, die in der Kolonialverwaltung arbeiten konnten. Zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit waren diese Schulen hoch angesehen. Sie haben sich dann an die neuen Bedingungen angepasst und sind heute fester Bestandteil des Bildungssystems. Einige werden staatlich unterstützt.
- In den frühen 1950er Jahren begann in Sri Lanka die Regierungskampagne „Kostenlose Bildung für alle.“ Es ging um Grund- und Sekundarschule sowie um universitäre Bildung bis zum Bachelor-Abschluss. Alle Kinder besuchen seitdem die Grundschule und sollen dort zumindest lesen und rechnen lernen. Mittlerweile ist Bildung zu einem Grundrecht geworden. Deshalb ist das Thema politisch sehr sensibel.
- Seit den 60er Jahren halten die staatlichen Schulen mit der aufgrund des Bevölkerungswachstums steigenden Nachfrage nicht mehr mit. Deshalb sind in den vergangenen Jahrzehnten viele Privatschulen entstanden. In anderen Ländern in der Region ist das ähnlich.
- Südasiatische Regierungen geben nicht genug Geld aus, um alle Bildungseinrichtungen adäquat zu unterstützen. Es entstand also eine Hierarchie mit Schulen unterschiedlicher Qualität. In Sri Lanka prüft der Saat landesweit Schüler in der fünften Klasse und wählt die Besten für weiterführende Eliteschulen aus. Das hat aber mehrere negative Folgen. Ländliche Regionen und Dörfer verlieren ihre Talente, Dorfschulen können ihre Standards nicht verbessern, und viele Eltern sind enttäuscht, weil ihre Kinder nicht auf eine der „guten“ öffentlichen Schulen kommen. Elternfrustration ist der Hauptgrund der steigenden Nachfrage nach privater Bildung.
- Obwohl die Anzahl der staatlichen Universitäten in Sri Lanka um rund ein Viertel gestiegen ist, bieten sie nicht annähernd genug Studienplätze. Derzeit lassen sie weniger als 20 Prozent der Leute mit Zugangsberechtigung zu. Der Konkurrenzkampf bei der Abiturprüfung ist dementsprechend hart. Ähnliche Verhältnisse herrschen in Indien, Bangladesch und Pakistan. Die Regierung in Indien hat das erkannt und einfach doppelt so viele Studierende an staatlichen Universitäten zugelassen – allerdings ohne gleichzeitig Lehrpersonal oder Lehreinrichtungen aufzustocken.
- Der Privatsektor nutzt die Marktlücke und bietet vielen jungen Menschen bessere Qualifikationen und Jobperspektiven. Die Studiengänge sind gebührenpflichtig, und die Auswahl an Fächern ist recht breit. Viele der Hochschulen sind gewinnorientiert, manche sind als öffentlich-private Partnerschaften organisiert. Einige kooperieren mit westlichen Universitäten.
Aber auch in der Grund- und Sekundarstufe besuchen immer mehr Schüler Privatschulen. Die Anteil der Studierenden an Südasiens privaten Hochschulen ist allerdings deutlich größer und wächst rapide. Private Hochschulen können schneller auf die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt reagieren. Ihre Studiengänge sind wirtschaftsnah und bieten Fächer wie Unternehmensführung, Personalentwicklung, Öffentlichkeitsarbeit oder Hotelmanagement an. Universitäten legen dagegen mehr Wert auf die klassische akademische Bildung und Forschung.
Liefern alle Einrichtungen die gleiche Qualität, und wer überprüft das?
Das ist eine heikles Thema und hat mehrere Dimensionen:
- Aus politischen Gründen hält Sri Lankas Regierung an dem Mythos von der kostenlosen Bildung für alle fest und ignoriert die neuen privaten Einrichtungen weitgehend. Es gibt also noch keinen verbindlichen Rechtsrahmen, um private Bildungsangebote zu regulieren.
- Staatliche Sekundarschulen und private, die auf die Kolonialzeit zurückgehen, haben Prüfsysteme zur Qualitätssicherung. Diese Schulen bereiten Schüler auf den Realschulabschluss und auf das Abitur vor. Sie müssen die entsprechenden Standards erfüllen. Die meisten Schüler stehen vor der Abiturprüfung aber so unter Druck, dass sie private Nachhilfe nehmen.
- Für die grundständigen Uni-Studienfächer wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten Standards zur Qualitätssicherung eingeführt. Sie sind aber noch nicht voll etabliert. Postgraduierten-Programme sind zum Beispiel noch gar nicht reguliert. Auch können sich Studiengebühren stark unterscheiden. Ein Semester für einen Master of Business Administration (MBA) kostet umgerechnet zwischen 500 Euro und 4 500 Euro.
- Der Gesetzgeber erwägt seit mehr als einem Jahrzehnt ein neues Bildungsgesetz. Dennoch fehlen aber die rechtlichen Rahmenbedingungen, um verschiedene Bachelor- und Master-Abschlüsse aufeinander abzustimmen.
Gibt es neue Exzellenzzentren, die das Niveau der öffentlichen Universitäten erreicht haben oder sogar besser sind?
Generell können die privaten Hochschulen nicht mit den staatlichen Universitäten mithalten. Dafür haben sie zu wenig Personal und Lehreinrichtungen. Die meisten sind Wirtschaftsschulen mit recht eingeschränktem Lehrprogramm. Allerdings sind auch ein paar Elite-Privatschulen in der Sekundarstufe entstanden. Sie bereiten ihre Schüler auf internationale Prüfungen vor, wie etwa das General Certificate of Education (GCE) oder das International Baccalaureate. Damit können die Absolventen an Universitäten in der Schweiz und in Großbritannien studieren. Diese Abschlüsse werden auch in vielen anderen Ländern anerkannt. Die Unterrichtssprache ist Englisch, aber die Gebühren können sich offenbar nur die Wohlhabenden leisten. Außerdem kommen dort moderne Methoden zum Einsatz, etwa das ergebnisorientierte Lernen (outcome-based education – OBE) oder schülerzentriertes Lernen (learner-centred teaching – LCT). Das gibt es an den staatlichen Schulen nicht.
Wer profitiert am meisten vom Privatisierungstrend?
Als die öffentlichen Universitäten in den späten 1940er Jahren gegründet wurden, konnten viele unterprivilegierte Schüler in höhere Bildungsschichten aufsteigen. Vor den 1960er Jahren war ein Universitätsstudium nicht nur abhängig von der Leistung, sondern auch von der Herkunft. Benachteiligte Regionen wurden also zunehmend begünstigt. Dorfkinder konnten nun mit Universitätsabschlüssen in die höchsten Ränge der öffentlichen Verwaltung aufsteigen. Meiner Meinung nach profitieren dagegen heute eher die Wohlhabenden von der Privatisierung.
Gibt es auch einen Gender-Aspekt? Investieren Familien zum Beispiel eher in die Bildung ihres Sohnes?
Es gibt bestimmt Unterschiede zwischen den vier Glaubensgruppen, den Buddhisten, Hindus, Christen und Muslimen. Aber ich denke, die meisten Eltern setzen auch auf die Bildung ihrer Töchter. Tatsächlich schreiben sich mehr Frauen als Männer an den Universitäten ein – vielleicht, weil sie strebsamer sind. Das gilt sogar für die muslimischen Gemeinden in Sri Lanka. Auch sie motivieren Mädchen zum Lernen und Arbeiten. Das zeigt sich auch auf dem Arbeitsmarkt. In vielen Branchen arbeiten mehr Frauen als Männer.
Private Bildungseinrichtungen sind Unternehmen, und manche Unternehmen scheitern. Was machen die Studierenden, die viel in ihre Ausbildung investiert haben, wenn ihre Hochschule pleitegeht? Womöglich werden ihre Abschlüsse international nicht anerkannt?
Das ist schon passiert und hat Eltern und Studenten in der Luft hängen lassen. Hochschulen werben häufig mit Abschlüssen, die angeblich einer ausländischen Partner-Hochschule entsprechen. Das stimmt aber manchmal nicht. Betroffene waren sehr wütend, konnten aber nichts tun. Ohne Zweifel müssen die Behörden in Sri Lanka private Hochschulen kompetent regulieren. Das erfordert ein kluge Politik und echte Transparenz.
Ich habe gehört, dass die Regierung in Bangladesch auf private Hochschulen setzt, weil sie hofft, dass Absolventen in Industrieländer auswandern und Geld zurückschicken. Steckt da politisches Kalkül dahinter?
Wenn dem so sein sollte, dann hat diese Politik zumindest Früchte getragen. Die Heimatüberweisungen aus dem Ausland verschaffen Bangladesch eine ausgeglichene Zahlungsbilanz. In Sri Lanka dagegen bringt der Mangel an privaten Hochschulangeboten Eltern sogar dazu, ihre Kinder für viel Geld zum Studieren ins Ausland zu schicken.
Sivali Ranawana ist emeritierter Professor der Ernährungswissenschaften an der Wyamba-Universität und evaluiert seit mehr als zehn Jahren Studiengänge in Sri Lanka und Bangladesch. Für die Nationale Bildungskommission Sri Lankas war er kürzlich Ko-Autor einer Studie über die Bildungsangebote für Postgraduierte.
sivalir@gmail.com