Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Nachhaltige Entwicklung

Investitionen in Ausbildung lohnen sich

Kleine und mittlere Unternehmen schaffen Arbeitsplätze und Einkommen. Sie bilden das Rückgrat einer funktionierenden Wirtschaft. Anhand des Beispiels Brasilien erläutert Bruno Wenn vom Entwicklungsfinanzierer DEG im Interview mit Dagmar Wolf, warum Investitionen in Aus- und Fortbildung wichtig sind.
Ausbildung bei Bosch in Campinas, Brasilien. dw Ausbildung bei Bosch in Campinas, Brasilien.

Warum siedeln sich deutsche Mittelständler gern im relativ teuren São Paulo an?
Es gibt dorthin langjährige Beziehungen. Viele Unternehmen sind schon in São Paulo, hier gibt es Gerichte, die Auslandshandelskammer, den Deutschen Club, die deutsche Community. Diese Infrastruktur hilft gerade kleineren und mittleren Unternehmen beim Einstieg. Es gibt Notare, Rechtsanwälte, Steuerberater und so weiter, die deutsche Unternehmen kennen. Im Landesinneren haben Sie diese Infrastruktur nicht in dieser Form. Da müssen Sie alles neu aufbauen, was natürlich wesentlich höhere Kosten bedeutet.

Womit haben Ihre Kunden in Brasilien am meisten zu kämpfen?
Worüber viele Unternehmen klagen, ist die mangelnde Infrastruktur – und zwar besonders außerhalb von São Paulo. Dabei geht es etwa um Straßen, Strom, Wasser, Abwasser und Abfallwirtschaft. Es mangelt auch an qualifizierten Arbeitskräften. Schwierig sind zudem die administrativen Anforderungen und die Rechtsunsicherheit wegen teils unklarer Gesetze. So wird derzeit diskutiert, das Alter, ab dem man offiziell arbeiten darf, von 16 auf 18 Jahre anzuheben. Was sollen Jugendliche mit 16 oder 17 Jahren dann nach der Schule tun? Größere Unternehmen können sich Lehrwerkstätten leisten, in denen sie Jugendliche ausbilden. Kleinere Unternehmen können das meist nicht.

Wenn Fachpersonal knapp ist, haben die Unternehmen doch ein Interesse daran, junge Leute auszubilden?
Sie müssen sogar ausbilden. Die beruflichen Qualifikationen, die Unternehmer brauchen, liefert das staatliche brasilianische Bildungswesen nicht. Um die Qualität zu erreichen, für die deutsche Unternehmen stehen, ist auch eine entsprechend qualifizierte Belegschaft nötig. Ein Beispiel: Wer nicht gelernt hat, eine Bauzeichnung anzufertigen und zu lesen, kann die gewünschte Maschine auch nicht bauen. Und wer hochwertige Güter verkaufen will, muss Qualität liefern – auch im After-Sale-Service. Wenn eine Maschine versagt, muss rasch Hilfe bereitgestellt werden. Das können nur qualifizierte Mitarbeiter. Heute muss vieles digital geschehen – Diagnose per Computer, Reparatur per Software. Das sind zusätzliche Herausforderungen, und dafür müssen auch Mitarbeiter kleiner Werkstätten auf dem Land geschult werden.

Bilden die Betriebe über den eigenen Bedarf hinaus aus?
Gut ausgebildetes Personal ist oft schwer zu halten. Das ist in Brasilien wie überall auf der Welt. Entsprechend ist es klug, über den eigenen Bedarf hinaus auszubilden. Und wenn beispielsweise Mechaniker, die der Zulieferer Bosch ausgebildet hat, später eigene Werkstätten eröffnen, ist das für Bosch auch gut: Das sind potenzielle Abnehmer seiner Produkte.

Ist betriebliches Training auf allen Ebenen nötig – bei niedrigqualifizierten Arbeitnehmern und bei Hochschulabsolventen?
Ja, denn der Wissensstand muss auf allen Ebenen an den jeweiligen Bedarf angepasst werden. In vielen Schwellen- und Entwicklungsländern vermitteln staat­liche Bildungsinstitutionen eher theoretisches Wissen. In Deutschland betonen wir die Bedeutung auch von praktischem Wissen. Das ist etwas Besonderes. Dort, wo die Vermittlung von anwendungsrelevantem Wissen nicht selbstverständlich ist, müssen die Unternehmen selbst dafür sorgen, dass ihr Personal den Herausforderungen gewachsen ist.

Die Verknüpfung von Theorie und Praxis, wie es die duale Berufsausbildung in Deutschland vorsieht, gibt es in Brasilien also nicht?
Die halbstaatliche Institution SENAI (Serviço Nacional de Aprendizagem Industrial – nationaler Ausbildungsdienst für die Industrielehre) bietet berufsbildende Kurse für die Industrie an sowie berufliche Weiterbildung. Sie kooperiert auch mit den Hochschulen bei der akademischen Ausbildung. Aber das gibt es nicht für alle Bereiche und ist keine generell übliche Einstellungsvoraussetzung. Der Vorteil des dualen Systems ist, dass der praktische Teil der Ausbildung in den Betrieben läuft. Das gibt es in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern bislang nicht. Unternehmer, die dort investieren möchten, sollten aber nicht warten, dass der Staat handelt, sondern unternehmerisch handeln und dabei vielleicht auch die Kooperation mit anderen suchen. In Indien ist etwa die katholische Initiative Don Bosco Mondo ein guter Partner. Sie entwickelt zusammen mit Firmen Ausbildungsgänge, die oft wenig qualifizierten Jugendlichen zugutekommen – und den Arbeitgebern auch.

Welche Rolle spielt die DEG?
Wir unterstützen solche Ansätze unter anderem im Rahmen von develoPPP.de. So heißt das Programm, mit dem das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) innovative Entwicklungspartnerschaften mit der Wirtschaft in Schwellen- und Entwicklungsländern fördert. Die Fördermittel fließen vielfach in Aus- und Fortbildungsmaßnahmen. Ausbilden stellt viele Unternehmen vor große Herausforderungen und ist zunächst mit Kosten verbunden. Viele Manager zögern, das in einem Schwellen- oder Entwicklungsland anzugehen.

Wie funktioniert develoPPP.de?
develoPPP.de richtet sich an deutsche und europäische Unternehmen, die sich langfristig in Entwicklungs- und Schwellenländern engagieren und dabei ihr unternehmerisches Engagement nachhaltig gestalten wollen. Das BMZ stellt hierfür öffentliche Mittel bis zu einer Höhe von 200 000 Euro und maximal 50 Prozent der Projektkosten zur Verfügung. Dazu finden vier Mal pro Jahr Ideenwettbewerbe statt, bei denen Unternehmen ihre Vorschläge einreichen können. Die Vorhaben können bis zu drei Jahre dauern und in verschiedenen Branchen und Themen angesiedelt sein. Konkret kann es dabei etwa darum gehen, ein Pilotvorhaben oder Umwelt- oder Qualifizierungsmaßnahmen zu realisieren. Wichtig ist, dass die Vorhaben entwicklungspolitisch relevant sind. Für viele kleine und mittlere Unternehmen ist der eigene Beitrag von mindestens 50 Prozent der Projekt­kosten viel Geld. Wenn sie es ernst meinen, ist das Vorhaben ihnen aber auch dieses Geld wert. Der eigene Beitrag ist ein Ausdruck von Eigenverantwortung.

Und was tut die DEG über develoPPP.de hinaus?
Wir sind Teil einer internationalen Initiative, die sich „Let’s Work“ nennt. Es geht darum, langfristige Beschäftigung zu fairen Bedingungen voranzubringen. Im vergangenen Jahr haben wir im Rahmen dieser Partnerschaft eine Studie zu Qualifizierungslücken erarbeitet. Diese Lücken zwischen Anforderungen und den Qualifizierungen, die Arbeitnehmer mitbringen, sind eine große Barriere für soziale und ökonomische Entwicklung gerade in Entwicklungsländern. Unsere Studie „Bridging the skills gaps in developing countries“ hat eine Reihe von Unternehmen untersucht und aufgezeigt, wie Qualifizierungslücken durch gezielte Maßnahmen privater Unternehmer bei Mitarbeitern, Zulieferern und angrenzenden Gemeinden geschlossen werden können (siehe E+Z/D+C e-Paper 2016/03, S. 6). Sie enthält auch eine Checkliste, mit der Unternehmen sich ihre eigenen Erfordernisse klarmachen können.

Unterstützt die DEG nur deutsche Unternehmen oder auch brasilianische Unternehmen?
Wir fördern entwicklungspolitisch sinnvolle Privatinvestitionen in Schwellen- und Entwicklungsländern, und entsprechend finanzieren wir auch brasilianische Unternehmen. Wenn sie unseren Anforderungen entsprechen, können wir auch chinesische Firmen in Brasilien finanzieren – oder brasilianische Firmen in Mosambik, zum Beispiel. Wir wollen vor allem kleine und mittlere Unternehmen fördern, die ihre Ideen ohne langfristiges Kapital nicht verwirklichen könnten. Die DEG beteiligt sich an vielversprechenden Vorhaben direkt oder finanziert sie mit langfristigen Krediten. Zudem kooperieren wir auch mit Banken und Fonds in Schwellen- und Entwicklungsländern. Wir leihen ihnen Geld und helfen ihnen, ihr Risikomanagement zu verbessern, damit sie kleine und mittlere Unternehmen vor Ort optimal bedienen können. Unsere Vision ist es, dass sich ein starker, leistungsfähiger Mittelstand entwickelt, wie wir ihn in Deutschland haben. In Deutschland sind 90 Prozent aller Unternehmen kleine und mittlere Unternehmen. Und auch in vielen Entwicklungsländern sind kleine und mittelständische Unternehmen eine wichtige Säule.


Bruno Wenn ist Sprecher der Geschäftsführung der DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft, die als Unternehmen der KfW Bankengruppe den Privatsektor in Entwicklungsländern fördert.
http://www.deginvest.de


Links
DEG-Studie: Bridging the skills gaps in developing countries.
https://www.deginvest.de/DEG-Documents-in-English/About-DEG/What-is-our-impact/Bridging-Skills-Gaps_DEG_2016.pdf
Let’s Work Partnership:
https://letswork.org/