Biolandbau

Die vier Säulen des Zero Budget Natural Farming

Die Landesregierung des südindischen Bundesstaats Andhra Pradesh fördert Biolandwirtschaft. Vijay Kumar Thallam berät die Regierung und setzt das Konzept um, das er für E+Z/D+C in einem per E-Mail geführten Interview erläutert.
ZBNF-Expertinnen helfen Bäuerinnen bei der Herstellung von botanischen Extrakten, die als Pflanzenschutz aufgesprüht werden. APZBNF ZBNF-Expertinnen helfen Bäuerinnen bei der Herstellung von botanischen Extrakten, die als Pflanzenschutz aufgesprüht werden.

Warum ist Biolandwirtschaft so wichtig für Indien und andere Entwicklungsländer?
Unser Planet steht vor drastischen Umweltveränderungen. Wir erleben gerade das sechste Massensterben, und es ist menschengemacht. Der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change – IPCC) warnt, dass wir die Landnutzung weltweit dringend ändern müssen (siehe Katja Dombrowski im Monitor von D+C/E+Z e-Paper 2019/09). Andernfalls werden die Durchschnittstemperaturen um mehr als 1,5 Grad ansteigen – mit verheerenden Folgen. Kleinbauern und ihre Familien sowie Landarbeiter, die kein eigenes Land besitzen, sind am wenigsten für die Klimakrise verantwortlich, aber es trifft sie am härtesten. Niederschläge werden immer unregelmäßiger. Trockenperioden und Dürren verschlimmern sich. Das Grundwasser wird erschöpft. Ungewöhnliche Regenfälle und schwere Stürme geben Anlass zur Sorge. Ernteausfälle werden immer wahrscheinlicher. Alle Staaten müssen dafür sorgen, dass Land nicht degradiert, Böden nicht erodieren und Bauern nicht in Not geraten. Eine Möglichkeit ist Zero Budget Natural Farming (ZBNF), das wir betreiben.

Was ist ZBNF?
ZBNF fördert Polykultur, die gleichzeitige Kultivierung mehrerer Nutzpflanzen. „Zero Budget“ meint, dass die Kosten für die Hauptkultur von anderen Kulturen gedeckt werden. Es bedeutet zudem, dass diese Art der Biolandwirtschaft keine teuren externen Inputs erfordert. Alle nötigen Inputs werden im Betrieb selbst hergestellt. Unsere regenerative Landwirtschaft mit ganzheitlichem Landmanagement basiert auf den Kräften der Natur. ZBNF wurde von Subhash Palekar entwickelt, einem charismatischen Bauernführer, der sich seit mehr als 20 Jahren dafür einsetzt. Die Methode baut auf der Arbeit vieler herausragender Persönlichkeiten auf. Die vier Prinzipien – oder Säulen, wie wir sie nennen – sind:

  • Beejamrutham: mikrobielle Samenbeschichtung durch Rezepturen auf Basis von Kuh-Urin und Kuhdung.
  • Jeevamrutham: Verbesserung des Bodenmikrobioms durch Anwendung einer Impfstoffkultur aus reiner Erde, Kuhdung, Kuh-Urin und anderen lokalen Naturprodukten.
  • Achhadana (Mulchen): den Boden das ganze Jahr über mit Zwischenfrüchten und Pflanzenrückständen bedeckt halten.
  • Waaphasa: Aufbau von Bodenhumus mit erhöhter Bodenporosität und Bodenbelüftung.

Zum Pflanzenschutz nutzt ZBNF natürliche Ressourcen wie Kuhdung, Kuh-Urin, pflanzliche Extrakte und anderes. Auch Zwischenfrüchte und Polyfrüchte, einschließlich Bäumen, tragen zur Bekämpfung von Schädlingen bei. Wir verwenden keine synthetischen Chemikalien.

Wären ertragsstarke, hochtechnologisierte Methoden nicht profitabler?
Nun, diese Begriffe müssen wir zuerst definieren. Die Natur ist ein sehr ausgeklügeltes und hochproduktives System. Die komplexen Netzwerke mikrobieller Populationen unter der Erde sind Treiber des Pflanzenwachstums. So wird beispielsweise geschätzt, dass sich auf nur einem Kubikmeter gesundem Boden etwa 25 000 Kilometer Pilzhyphen befinden. Die Hyphen spielen eine wichtige Rolle beim Austausch von Nährstoffen. Chemische Düngemittel und Pestizide zerstören diese Netzwerke. Ein echter Hightech-Ansatz muss auf einem guten Verständnis der Natur aufbauen. Die Bauern experimentieren ständig, ihr Wissen ist evidenzbasiert. Das zu achten ist „hightech“. Die Leitfrage ist nicht nur, wie viel wir in einer Saison kultivieren können, sondern wie lange wir grünes Wachstum in einem Jahr haben können.

Ist Ihre Methode überall anwendbar?
In Andhra Pradesh arbeiten wir mit allen Arten landwirtschaftlicher Betriebe zusammen – Subsistenzbetriebe, kleine und große Bauernhöfe. Die meisten der 572 000 Landwirte, die am ZBNF-Programm teilnehmen, sind Subsistenzbauern oder Kleinbauern mit weniger als 0,8 Hektar Land. Nur 11 Prozent haben mehr als 1,6 Hektar.

Kann ZBNF Indien oder sogar die Welt ernähren?
Ja, das kann es. Unsere Erfahrung zeigt, dass die ZBNF-Erträge mit der Zeit nicht sinken. Das Mulchen mit einer Begrünung an 365 Tagen intensiviert die Landwirtschaft nachhaltig. Es geht darum, auch nicht bewässerte Flächen ganzjährig mit lebenden Pflanzen bedeckt zu halten. Die gegenwärtige industrielle Landwirtschaft hingegen hat die Ernährungssicherheit in Gefahr gebracht, nicht zuletzt, weil die Nährwerte dramatisch gesunken sind.

Wurde die Gültigkeit Ihres Ansatzes wissenschaftlich geprüft?
Für mich sind die Bauern selbst die größten Forscher. Jede Saison prüfen sie, was funktioniert und was nicht. Wir haben aber auch mit Forschungseinrichtungen zusammengearbeitet:

  • Das Centre for Economic and Social Studies (CESS) in Hyderabad führt sozio-ökonomische Verträglichkeitsprüfungen durch.
  • Das in Nairobi ansässige World Agroforestry Center (ICRAF) evaluiert die Effekte des ZBNF auf Bodenfruchtbarkeit, Wasserspeicherkapazität, Biodiversität und so weiter. Es bewertet auch die Leistung und Auswirkungen des Programms.
  • Wissenschaftler der University of Reading in Großbritannien untersuchen die Auswirkungen von ZBNF auf Böden und Pflanzenwachstum.
  • Der in Bangalore ansässige Think Tank C-STEP (Centre for the Study of Science, Technology and Policy) untersucht, wie ZBNF den Wasser- und Energieverbrauch reduziert.
  • Der in Delhi ansässige Think Tank CEEW (Council on Energy, Environment and Water) prüft, wie ZBNF zu den Sustainable Development Goals (SDGs) beiträgt sowie inwiefern diese Methode die Ausgaben für Düngemittelsubventionen reduzieren kann.

Wie erreichen Sie neue Landwirte?
Um vollständig auf ZBNF umstellen zu können, muss ein Dorf bis zu sieben Jahre unterstützt werden, einzelne Farmer bis zu fünf Jahre. Dies geschieht durch Community Resource Persons (CRPs), die den Bauern die Methode zeigen. Diese Männer und Frauen haben bereits auf ZBNF umgestellt und sind besonders gut darin. Sie wurden ausgebildet, um andere zu schulen. Normalerweise betreuen sie Bauern in Nachbardörfern, wo nach zwei oder drei Jahren neue CRPs identifiziert werden können. Dieser Peer-to-Peer-Ansatz ist sehr effektiv. Zudem sind alle Außendienstmitarbeiter des Landwirtschaftsministeriums des Bundesstaats in ZBNF ausgebildet und unterstützen die CRPs.

Warum ist das Empowerment von Frauen auf dem Land so wichtig für ZBNF?
Frauen übernehmen einen großen Teil der Landarbeit. Sie pflügen das Land, züchten Rinder und andere Wiederkäuer. Sie beteiligen sich an allen landwirtschaftlichen Aktivitäten, inklusive Saat, Jäten, Ernten oder Bewässern. Gleichzeitig treiben sie Veränderungen voran. Jeder Diskurs über Landwirtschaft ist unvollständig, solange nicht Männer und Frauen beteiligt sind. Darüber hinaus sind Selbsthilfegruppen von Frauen sehr wichtig, um neue Betriebe zu erreichen. Im ländlichen Andhra sind rund 7,5 Millionen Frauen in etwa 730 000 Selbsthilfegruppen organisiert. Sie können viel mehr Menschen mobilisieren. Diese Bewegung begann vor zwei Jahrzehnten als Spar- und Kreditgruppen. Sie sind gut vernetzt und setzen sich für sozialen Wandel, Gesundheitsfragen, Lebensgrundlagen und so weiter ein. Die Selbsthilfegruppen und ihre Bündnisse sind zu einer transformativen Kraft geworden. ZBNF passt zu ihren Zielen, sodass sie zu wichtigen Förderern unseres Ansatzes geworden sind. Viele unserer CRPs gehören zu diesem Netzwerk. Sie verstehen, dass chemische Lebensmittel sich negativ auf die Gesundheit ihrer Familien auswirken und Agrochemikalien schlecht für den Boden sind.


Vijay Kumar Thallam berät das Landwirtschaftsministerium der Landesregierung von Andhra Pradesh und setzt das ZBNF-Programm in Andhra Pradesh federführend um.
vjthallam@gmail.com

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Um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist gute Regierungsführung nötig – von der lokalen bis zur globalen Ebene.