Entwicklung und
Zusammenarbeit

Elasticsearch Mini

Elasticsearch Mini

Energiepreise

Ölpreis wieder auf dem Niveau von vor dem Ukrainekrieg

Der Ölpreis liegt wieder auf dem Niveau vor dem Ukrainekrieg. Dafür gibt es mehrere Gründe.
Öltanker in Noworossijsk im Oktober 2022. picture-alliance/ASSOCIATED PRESS/Uncredited Öltanker in Noworossijsk im Oktober 2022.

Nach der russischen Invasion der Ukraine stieg der Ölpreis vor einem Jahr auf über 120 Dollar pro Barrel. Nun liegt er mit etwa 80 Dollar wieder auf Vorkriegsniveau. Das ist erklärungsbedürftig.

Russland war ein wichtiger Energielieferant für Europa. Im vergangenen Monat trat nun aber das volle EU-Ölembargo gegen Russland in Kraft. Zudem legten die G7 (Gruppe der sieben führenden westlichen Volkswirtschaften) einen Preisdeckel für russisches Öl von 60 Dollar fest. Grundsätzlich erschweren beide Maßnahmen den Absatz von russischem Öl auf internationalen Märkten, was das Angebot drückt. Entsprechend wäre zu erwarten, dass die Preise weiter nach oben gehen. Dass das bisher nicht der Fall ist, wirft Fragen auf.

Nach Kriegsbeginn stieg der Ölpreis rasant und heizte die Inflation weiter an. Um dem Trend entgegenzuwirken, warf US-Präsident Joe Biden beachtliche Mengen der nationalen strategischen Ölreserven auf den Markt. Das bremste den Preisanstieg und reduzierte akute Versorgungslücken. Mittlerweile ist die Ölproduktion in den USA nach der Coronaflaute wieder in Gang gekommen. Das dämpft die Preise und ermöglicht die Auffüllung der Reserven sowie den Export fossiler Energie. Entsprechend haben europäische Volkswirtschaften Versorgungslücken mit Einfuhren aus den USA schließen können.

Derweil beteiligen sich viele Länder nicht an den westlichen Sanktionen. Sie importieren Energie zu günstigen Preisen aus Russland, was den internationalen Preisdruck reduziert. Hauptabnehmer sind nun China und Indien und nicht mehr europäische Länder.

Wie russisches Öl in den Westen gelangt

Über Umwege fließt russisches Öl jedoch weiter in den Westen. Seine Nutzung ist nur verboten, wenn es unter dem von der G7 definierten Mindestpreis eingekauft wurde. Obendrein lässt sich die Herkunft verschleiern, etwa wenn der Rohstoff in fernen Häfen auf andere Frachter umgeladen wird. Laut Bloomberg ist sogar eine russische Schattenflotte im Aufbau. Wenn ausländische Firmen russisches Öl mit Öl aus anderen Ländern mischen und zu Treibstoff verarbeiten, gilt zudem der Raffineriestandort als Ursprungsort. Indische Unternehmen scheinen sich für diese Geschäftsidee besonders zu interessieren.

Wegen der Sonderrabatte und der Umwege auf den Handelsrouten sind die russischen Exporteinnahmen deutlich gesunken, aber das Exportvolumen ist weitgehend stabil.

Ölpreisentwicklung bleibt nach wie vor ungewiss

Im November 2022 beschloss die OPEC+ (die Organisation erdölexportierender Länder und ihrer Verbündeten), das Ölangebot zu begrenzen. Sorgen, das werde den Ölpreis noch weiter nach oben treiben, erfüllten sich nicht. Stattdessen ging im vierten Quartal 2022 – wie von der OPEC+ erwartet – die Ölnachfrage zurück.

Das lag unter anderem daran, dass die Nachwirkungen der Pandemie auf die Wirtschaft noch immer zu spüren sind. Zudem bremsen nun auch noch die höheren Leitzinsen in Nordamerika und Europa die Konsumnachfrage, was die Konjunktur schwächt und die Ölnachfrage weiter stagnieren lässt. Die Zinsanpassung wirkt der Inflation entgegen, kann aber auch zu einer Rezession führen. Die Prognosen für die USA fallen jedoch positiv aus, denn der Arbeitsmarkt hat sich als recht resilient erwiesen. Das lässt einen erneuten Anstieg der Ölnachfrage erwarten. Da die Prognosen zur Ölproduktion in den USA nach oben korrigiert wurden, kann diese sehr wahrscheinlich abgedeckt und das Ölangebot auf den internationalen Märkten erhöht werden. Was die jüngsten Bankturbulenzen konjunkturell bedeuten, ist noch unklar. 

Schließlich treibt der Ukrainekonflikt den Ausbau erneuerbarer Energien in Europa voran, da der politische Druck massiv gestiegen ist. Die Investitionen in diesem Bereich wurden beschleunigt. Deutschland möchte die Stromversorgung bis 2035 vollkommen auf erneuerbare Energien umstellen. Langfristig wird diese Entwicklung die Ölnachfrage und damit auch den Preis drücken.

Im Moment wirkt die Lage auf den Ölmärkten entspannt. Das kann sich aber schnell ändern. Vor allem lässt sich kaum abschätzen, wie die Maßnahmen gegen Russland sich weiter auswirken. Auch das Ende der Covid-Lockdown-Politik in China wird aller Voraussicht nach zu einem erneuten Anstieg der Ölnachfrage führen, was den Preis in die Höhe treiben könnte. Dem könnten wiederum neue Mengenanpassungen durch die OPEC+ entgegenwirken.

Zohra Cosima Benamar ist Politikwissenschaftlerin und promoviert am ISCTE Universitätsinstitut Lissabon zu Geo- und Energiepolitik.
Zohra_Cosima_Benamar@iscte-iul.pt