Klimawandel

Vom Traum zum Albtraum

Argentiniens Rinderwirtschaft nutzt zunehmend Mastparzellen statt wie früher die weiten, offenen Grasflächen der Pampa. Entsprechend nehmen Probleme wie Waldzerstörung und CO2-Emissionen zu.
Gaucho in der Provinz Buenos Aires, Argentinien. Christian Guy/lineair Gaucho in der Provinz Buenos Aires, Argentinien.

Argentinien ist international für gutes Rindfleisch bekannt, weil Kühe vom Gras der Pampa leben. Allerdings hat sich in den vergangenen Jahrzehnten viel verändert. Die Volkswirtschaft ist nun auf den Export von Soja und Getreide ausgerichtet. Etwa 90 Prozent der Rinderzucht werden nun für den heimischen Markt betrieben (siehe Hintergrundbox).

Der Ackerbau erfordert Land, sodass die Tierhaltung nun mit intensiveren Methoden und erheblichen ökologischen Schäden erfolgt. Die Rinder werden auf umzäunten Gehegen gehalten. Diese Mastparzellen heißen auf Englisch Feedlots.


Ein umweltbelastender Wirtschaftszweig

Die Viehhaltung gilt generell als umweltschädlich. Laut UN Food and Agriculture Organization (FAO) stößt sie fast 15 Prozent der von Menschen verursachten Klimagase aus. Die FAO konstatiert, die wichtigsten Faktoren seien die Produktion von Fleisch (41 Prozent) und Kuhmilch (29 Prozent).

Die UN-Organisation hält fest, die Rinderzucht verursache in Südamerika jährlich rund eine Milliarde Tonnen CO2-Emissionen, was 15 Prozent der globalen Tierhaltungsemissionen entspreche. Das Inter-American Institute for Cooperation on Agriculture (IICA) führt fast 45 Prozent der argentinischen Klimaemissionen auf die Tierhaltung zurück, wobei die Rinderzucht auf fast 30 Prozent komme.

Der zivilgesellschaftliche Dachverband Alianza del Pastizal fordert, jede Stufe in der Produktionskette auf die Klimafolgen hin zu prüfen. Das Methan aus Kuhmägen sei nur ein Teil des Problems. Veränderte Formen der Landnutzung und die Futtererzeugung spielten auch eine Rolle. Dem nichtstaatlichen Bündnis zufolge sind die Klimaemissionen der industrialisierten Methoden zwölfmal so hoch wie die der Rinderzucht auf der offenen Pampa (siehe auch Artikel von Christine Chemnitz und Barbara Unmüssig in E+Z/D+C e-Paper 2015/07, S. 18 ff.).

In den Mastparzellen werden viele Tiere auf wenig Land gehalten: je nach Geschäftsmodell 100 bis 500 Tiere. Je nach Region, Klima und Grasvorkommen konnte jede Kuh das ganze Jahr über frei auf ein bis zehn Hektar grasen.


Die Viehpferch-Hauptstadt

Saladillo ist eine Kleinstadt im ländlichen Teil der Provinz Buenos Aires. Sie wird Viehpferch-Hauptstadt genannt, denn in den vergangenen Jahren sind mehr als ein Dutzend Feedlot-Betriebe hier gegründet worden. Die Umweltfolgen sind schrecklich, und die Bürgerinitiative Ecos de Saladillo wehrt sich dagegen. Gegründet wurde sie vom Agronomen Gabriel Arisnabarreta, der in Saladillo einen kleinen Bauernhof besitzt.

„Die Mikroorganismen im Boden können die gewaltigen Mengen von Dung und Urin, die in den Mastparzellen anfallen, nicht in Nährstoffe umwandeln,“ berichtet Arisnabarreta. Folglich werde das Grundwasser belastet. „Viel Dung auf wenig Fläche verursacht außerdem den Ausstoß von Gasen wie Methan und Stickoxid. Die Emissionen stinken, sind giftig und machen das Leben hier fast unmöglich.“

Dung sei früher ein „Segen für die Böden“ gewesen, sagt Arisnabarreta, sei aber wegen der Mastparzellen zu einem ernsten Problem geworden. Ein Viehpferch mit 10 000 Tieren von im Schnitt 200 Kilogramm Gewicht produziere täglich 100 000 Kilogramm Dung und Urin. Eine ausgewachsene Kuh wiegt mehr als 500 Kilogramm.

Claudio Sarmiento, ein Agrarwissenschaftler, der in der Pamparegion an der Universidad Nacional de Río Cuarto arbeitet, stimmt ihm zu: „Bei wandernden Herden sind Dung und Urin nützlich und kein Problem. Jede Kuh produziert im Jahr um die vier Tonnen Dung und Urin. Das wird aber dann weitflächig verteilt und erhöht die Bodenfruchtbarkeit.“ Bei industriell betriebener Mast geschehe das aber nicht (siehe Aufsatz von Cornelia Heine in E+Z/D+C e-Paper 2015/08, S. 38 f.). Der Akademiker sagt: „Das ­Nitrogen aus dem Rinderurin wird zu ­Nitrat und sickert ins Grundwasser.“ Diese Verunreinigung ist gesundheitsschädlich.

Obendrein wurden in Argentinien in den vergangenen zehn Jahren 3 Millionen Hektar Wald vernichtet, um Platz für Äcker und Weiden zu schaffen. Flächen, auf denen früher das exzellente argentinische Rindfleisch entstand, dienen nun der Futtermittelerzeugung für den Export nach Europa und Asien. Amtlichen Daten zufolge wird heute auf 20 Millionen Hektar Soja angebaut, und 95 Prozent der Ernte werden ausgeführt.


Bessere Alternativen

In den vergangenen Jahren haben sich aber auch Wald-Weide-Systeme bewährt. Laut dem Instituto Nacional de Tecnología Agropecuaria (INTA) werden dafür 34 Millionen Hektar genutzt. Eingeschlossen sind dabei Böden im Gemeinschaftseigentum sowie von indigenen Gruppen.

Es gibt eine große Vielfalt solcher Systeme. Ein Beispiel bieten 50 Familien, die in der Provinz Córdoba auf einem Gebiet leben, das La Libertad (Freiheit) heißt. Das Land gehört ihrer Gemeinschaft und ist Teil des Chaco Árido, eines Waldes, der wenig Regen bekommt. Horacio Britos gehört zur örtlichen Bauernorganisation Movimiento Campesino de Córdoba. Er bewertet La Libertad positiv, weil die Rinder natürliches Futter fressen, nämlich Gras sowie Früchte und Blätter. „Die Tiere wandern kilometerweit und kommen ein paar Tage später zurück“, berichtet der Agrarexperte.

Primärwälder sind wichtig, weil sie Wüstenbildung verhindern. In ihnen ist traditionelle, extensive Viehwirtschaft möglich, wie sie auch indigene Gemeinschaften betreiben. Ein gesunder Wald kommt auch mit wenig Regen zurecht, wie Brito sagt, aber entwaldete Böden erodieren schnell.


Zukunftsaussichten

Klimaexperten sagen voraus, dass in Zentralargentinien und im Osten des Landes von 2020 bis 2029 zwei bis acht Prozent mehr Regen als im historischen Durchschnitt fallen werden. Im Nordosten hingegen soll es einen Rückgang von bis zu zwölf Prozent geben. Die Durchschnittstemperaturen sollen um 0,7 bis 1,2 Grad steigen.

Wenn Argentinien dazu beitragen soll, diese Entwicklung abzubremsen, muss sich die Tierhaltungspraxis ändern. Umweltschützer machen viele sinnvolle Vorschläge:

  • Die Regierung sollte Forstschutz zur Priorität machen und entsprechend ihre Wirtschaftspolitik ändern.
  • Es wäre sinnvoll, natürliche Produktionsmethoden mit Steuerbefreiungen zu fördern.
  • Gesetze, die dazu anregen, die Landnutzung zu variieren, um Monokulturen zu vermeiden, wären nützlich.
  • Industrielle Feedlots sollten verboten werden, weil Argentinien über alle natürlichen Grundlagen verfügt, um hochwertiges Fleisch zu produzieren.  

 

Leonardo Rossi ist Journalist und lebt im argentinischen Córdoba.
leo.j.rossi@live.com.ar

Link:
Alianza del Pastizal:
http://www.alianzadelpastizal.org/en/