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Internationale Politik

Die Bedürfnisse der Vertriebenen

Erzwungene Vertreibung aufgrund von Katastrophen ist eine der größten humanitären Herausforderungen der Weltgemeinschaft im 21. Jahrhundert. Dabei spielen auch die Folgen des Klimawandels eine Rolle. Eine staatengeführte Initiative, die Platform on Disaster Displacement, will dafür Lösungen entwickeln und viele Beteiligte in den Prozess einbeziehen.
Resilienz ist wichtig: Die Hauptstadt von Peru, Lima, wurde im März von ungewöhnlichen Regenfällen getroffen. Heredia/picture-alliance/AA Resilienz ist wichtig: Die Hauptstadt von Peru, Lima, wurde im März von ungewöhnlichen Regenfällen getroffen.

Jedes Jahr werden Millionen Menschen durch Naturkatastrophen wie Fluten, Wirbelstürme, Erdbeben, Erdrutsche, Dürren, Versalzung, Gletscherschmelze, Gletscherausbrüche und schmelzenden Permafrost aus ihrer Heimat vertrieben. Andere müssen ihre Heimat verlassen, weil der Meeresspiegel steigt, weil die Küsten erodieren, das Land austrocknet oder generell die Umwelt zerstört wird. Am schlimmsten betroffen sind  kleine Inselstaaten und die am wenigsten entwickelten Länder. Aber auch Länder mit mittleren Einkommen haben spezifische Probleme.

Von 2008 bis 2014 wurden weltweit 184 Millionen Menschen durch plötzliche Katastrophen aus ihrer Heimat vertrieben – das ist mehr als ein Drittel der EU-Gesamtbevölkerung. Die Betroffenenzahlen sind wahrscheinlich noch höher, weil diese Schätzungen nicht diejenigen berücksichtigen, die durch langsam verlaufende Ereignisse wie Desertifkation vertrieben werden. Diese Leute sind aus Mangel an Daten schwer zu erfassen. Wir wissen aber, dass Küstenregionen besonders betroffen sind, weil ein Großteil der Weltbevölkerung nicht weiter als 100 Kilometer vom Meer entfernt lebt.

1990 kam der erste Sachstandsbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) zu dem Ergebnis, dass die Erderwärmung eine große Wanderbewegung von Menschen verursachen könnte – vor allem aus Küstenregionen. Das geschieht in vielen Weltregionen bereits. Der Präsident der UN-Generalversammlung sagte auf der jährlichen Versammlung der International Organization for Migration (IOM) 2016: „Menschen können nicht in ihren Heimatländern bleiben, wenn diese sich in eine Wüste verwandeln oder wenn ihr traditionelles Reisdelta einen Meter unter Wasser steht.“

Katastrophenvertriebene brauchen Schutz, bekommen aber häufig keinen. Die Situation derjenigen, die wegen Klimawandel und langsam verlaufenden Ereignissen fort ziehen, ist besonders schwierig. Ihre Bedürfnisse sind nicht so offensichtlich wie die der Katastrophenvertriebenen. Wenn Menschen wegen sich langsam vollziehenden Umweltveränderungen vertrieben werden, erkennt sie das internationale Recht in den meisten Fällen nicht als Flüchtlinge an, und folglich haben sie kein Aufenthaltsrecht in anderen Ländern.

Um diese Lücken zu schließen, wurde 2012 die Nansen-Initiative gegründet. Sie erarbeitete eine Protection Agenda, die von 109 Regierungen im Oktober 2015 gebilligt wurde (siehe Kasten). Als Nachfolgeinitiative wurde 2016 die Platform on Disaster Displacement (PDD) unter deutschem Vorsitz ins Leben gerufen. Dieses internationale Forum kooperiert mit vielen Partner einschließlich der IOM, der UN Refugee Agency (UNHCR) und führenden Universitäten. Die Plattform mit Sitz in Genf hat vier strategische Prioritäten:

  • Wissens- und Datenlücken schließen,
  • die Nutzung effektiver Maßnahmen auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene fördern,
  • Politikkohärenz unterstützen und
  • politische und normative Entwicklung der Lückenbereiche vorantreiben.

In der Tat existieren Wissens- und Datenlücken, etwa in folgenden Bereichen:

  • grenzüberschreitende Migrationsbewegungen,
  • menschliche Mobilität bei langsam verlaufenden Ereignissen,
  • zukünftige Fluchtrisiken und
  • nachhaltige Lösungen für Katastrophenvertriebene.

Um diese Lücken zu schließen, schlägt die Plattform vor, bestehende Daten zusammenzutragen, Informationen zu vertiefen und neues Wissen zu sammeln. Daten müssen über längere Zeitspannen hinweg gesammelt und nach Alter, Geschlecht, Diversität und Ort aufbereitet werden, um umfassende Aussagen machen zu können.

Die Plattform bereitet in Zusammenarbeit mit dem Büro des UN High Commissioner for Human Rights (OHCHR) eine Studie im Bezug auf menschenrechtsbasierten Maßnahmen vor. Ein spezieller Fokus liegt dabei auf langsam verlaufende Ereignissen, die zu grenzüberschreitender Vertreibung führen.

Auch wenn das internationale Recht größtenteils darüber schweigt, ob Länder Katastrophenvertriebene aufnehmen müssen, haben mehr als 50 Länder entschieden, Menschen unter solchen Umständen nicht zurückzuschicken. Die Plattform unterstützt eher einen pragmatischen Ansatz, als eine neue, gesetzlich bindende internationale Übereinkunft zu fordern. Staaten und regionale Organisationen werden dazu ermutigt, effektive Praktiken, wie sie in der Protection Agenda ausgearbeitet sind, in ihre eigenen Politikmaßnahmen einzubinden.

Delegationen aus Nord- und Zentralamerika stimmten gemeinsamen Regelungen zur Aufnahme und zum Verbleib von ausländischen Katastrophenflüchtlingen auf der XXI Regional Conference on Migration (RCM) in Honduras im November 2016 zu. Die Plattform bemüht sich, ähnliche Prozesse in anderen Weltregionen zu fördern.


Die Platform on Disaster Displacement mit Sitz in Genf ist eine staatengeführte Initiative zum Austausch von Erfahrungen und dem Erarbeiten von Strategien. Dieser Beitrag wurde von Mitgliedern ihrer Coordination Unit verfasst.
http://disasterdisplacement.org/
Twitter: @DDisplacement


Link

Germanwatch, 2017: Global Climate Index 2017 – Who suffers most from extreme weather events? Weather-related loss events in 2015 and 1996 to 2015.
https://germanwatch.org/en/download/16411.pdf

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