Ursachen der Gewalt in Afrika
States of Violence. Politics, Youth, and Memory in Contemporary Africa. University of Virginia Press, Charlottesville 2006,
320 S., 49,50 US-Dollar, ISBN 978-0-8139-2569-1
Dieser Sammelband beschäftigt sich überwiegend aus ethnologischer, weniger aus politikwissenschaftlicher Sicht mit Gewaltkonflikten in Afrika, mit der Rolle von Jugendlichen darin sowie mit den verschiedenen Arten des Erinnerns an diese Konflikte. Ein einführendes methodologisches Kapitel fragt, ob sich die wissenschaftliche Untersuchung von Gewalt grundlegend von anderen Themen der Wissenschaft unterscheidet. Donald L. Donham kommt zu dem Schluss, dass die Erfahrung von Gewalt wie kaum ein anderes Ereignis Gruppenidentitäten festigt. Die Erzählungen von Gewaltopfern, auf denen wissenschaftliche Auseinandersetzungen beruhen, lassen manchmal Verhaltensweisen und Identitäten als schon immer gegeben erscheinen, obwohl sie tatsächlich erst durch die Gewalterfahrung geschaffen wurden.
Der Hauptteil des Buches präsentiert Fallstudien, darunter zwei zum Krieg im westafrikanischen Sierra Leone. William Reno beschreibt, wie politisch-wirtschaftliche Netzwerke in der Vorkriegszeit dort die staatlichen Institutionen untergruben und so die Grundlagen für den gewaltsamen Zusammenbruch in den 1990er Jahren schufen.
Martha Carey konzentriert sich auf die Rolle von Jugendlichen und problematisiert die Funktion von Geheimgesellschaften bei der Regulierung des sozialen Lebens, vor allem in den ländlichen Provinzen Sierra Leones. Sie interpretiert darüber hinaus die extrem gewalttätige Praxis der Revolutionary United Front (RUF) und relativiert die These, bei den Amputationen habe es sich um ziel- und sinnlose Gewalt gehandelt: „Amputationen waren in jener Zeit verbunden mit bewussten Botschaften an die Regierung und/oder die internationale Gemeinschaft.“
Andere Beiträge befassen sich mit der Erinnerung an Konflikte zwischen Diola und Fula in Guinea-Bissau, der Rolle der Bakassi Boys im Südosten Nigerias und den Praktiken von Banden in Südafrika. Jocelyn Alexander und JoAnn McGregor behandeln sehr informativ die Geschichte der Zipra-Kriegsveteranen in Simbabwe und ihre Beziehung zum Staatsapparat vor allem im Zusammenhang mit den Landenteignungen nach 2000 und erläutern die damit verbundene Umdeutung von Nationalismus und Patriotismus.
„States of Violence“ ist das Ergebnis einer Vorlesungsreihe an der Emory-Universität in Atlanta und spiegelt die vielschichtigen Ursachen für Gewaltkonflikte in Afrika. Die Herausgeber und Autoren verweigern sich einfachen Antworten auf die Frage nach der anhaltenden Gewalt auf dem Kontinent. Gerade deshalb ist dem Buch eine breite Rezeption in Entwicklungspolitik und Wissenschaft zu wünschen.
Ruben Eberlein