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Kinder auf der Flucht

Ein einsamer Kampf

Krieg und Gewalt zwingen jedes Jahr hunderttausende Kinder und Jugendliche dazu, aus ihren Heimatländern zu fliehen. Oft machen sie sich ohne Begleitung von Erwachsenen auf einen gefährlichen Weg. Doch wenn sie die Zufluchtsländer erreichen, werden ihnen häufig Steine in den Weg gelegt – sie kämpfen beispielsweise mit bürokratischen Hürden und sind in unzureichenden Unterkünften untergebracht. Es ist dringend nötig, dass die Zielländer die von ihnen unterzeichneten internationalen Erklärungen über Kinderrechte auch umsetzen.
Ein unbegleitetes Kind hofft in Tijuana, Mexiko, über die Grenze in die USA zu gelangen. Nelvin C. Cepeda/San Diego Union-Tribune/TNS/ABACAPRESS.COM/picture alliance Ein unbegleitetes Kind hofft in Tijuana, Mexiko, über die Grenze in die USA zu gelangen.

Was mit unbegleiteten Minderjährigen passiert, hängt von den jeweiligen Gesetzen der Aufnahmeländer ab. Manche Staaten kümmern sich direkt um die Kinder, bringen sie in vorläufigen Unterkünften unter und bemühen sich, geeignete Aufnahmefamilien oder Einrichtungen zu finden. Andere sehen die Ankömmlinge als Problem, das so schnell wie möglich zu beseitigen ist.

Der Umgang der USA mit unbegleiteten Minderjährigen aus Lateinamerika im vergangenen Jahr hat gezeigt, wie man es nicht machen sollte. Der starke Anstieg der Migranten überraschte die US-Grenzbeamten, und die Einrichtungen waren nicht auf eine so große Zahl an Menschen ausgelegt. So mussten Flüchtlingskinder teils unterversorgt in provisorischen Unterkünften schlafen, wie Medien berichteten.

Das Schicksal junger Migranten in den USA hängt auch von ihrer Herkunft ab. Mexikanische Kinder werden meist schnell wieder nach Hause geschickt; ihnen wird ein Asylverfahren verweigert. Laut Amnesty International hat das US-Heimatschutzministerium mehr als 95 Prozent der unbegleiteten mexikanischen Minderjährigen, die zwischen November 2020 und April 2021 ankamen, zurückgeschickt.

Die schnelle Abschiebung dieser Kinder mag einerseits der US-Politik gegenüber Mexiko entsprechen. Andererseits dürfte sie aber gegen das US-Gesetz zum Schutz von Opfern des Menschenhandels aus dem Jahr 2000 verstoßen. Wenn minderjährige Ankömmlinge aus Mexiko ohne gründliche Überprüfung nach Hause geschickt werden, könnte eine solche Abschiebung ihnen diesen rechtlich garantierten Schutz verwehren.

Trotz des Risikos einer umgehenden Abschiebung versuchen viele mexikanische Minderjährige ihr Glück. Während ihrer Reise überqueren sie in der Regel den Rio Grande, was aufgrund starker Strömungen und giftiger Schadstoffe in einigen Bereichen besonders gefährlich ist.

Die Glücklichen, die es über den Fluss schaffen, werden üblicherweise von US-Grenzschutzbeamten aufgegriffen. Die Beamten überprüfen ihre Asylanträge und suchen nach Hinweisen auf Menschenhandel. Wer nicht für eine sofortige Abschiebung infrage kommt, wird an das Amt für die Neuansiedlung von Flüchtlingen übergeben. Diese Behörde ist dafür verantwortlich, Unterkünfte für Flüchtlinge zu finden, während ihre Asylanträge bearbeitet werden.

Das Amt für die Neuansiedlung von Flüchtlingen finanziert rund 200 staatlich zugelassene Einrichtungen in den USA. Diese Unterkünfte versuchen, geeignete Paten für die Kinder zu finden – üblicherweise Verwandte, die schon in den USA leben, oder andere Pflegeeltern. Findet sich kein Zuhause für die Minderjährigen, kümmert sich die Behörde um sie, bis sie 18 Jahre alt sind.

Die Flucht vor Krieg

In Ostafrika gestaltet sich die Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen etwas anders; sie ist dort weniger bürokratisch, jedoch auch schlechter organisiert und finanziert als im Westen.

Laut Schätzungen von Unicef, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, gibt es ungefähr eine Million Flüchtlinge in Afrika, und etwa die Hälfte davon ist minderjährig. Der Großteil kommt aus dem Südsudan, der Demokratischen Republik Kongo und der Zentralafrikanischen Republik.

Unbegleitete Minderjährige steuern meist Flüchtlingslager in Zufluchtsländern wie Kenia und Äthiopien an. In diesen vergleichsweise sicheren Ländern erschweren die fehlenden Immigrations- und Visaverfahren für Minderjährige ihre Lage. Dazu kommt, dass die Lager meist überfüllt sind und nur über begrenzte Mittel verfügen, um unbegleitete Kinder zu unterstützen.

Die Kinder, die in solchen Lagern ankommen, sind üblicherweise vor Bürgerkriegen geflohen und haben auf ihrer Flucht Entsetzliches erlebt. Eine Gruppe solcher Kinderflüchtlinge wurde unter dem Namen „Verlorene Jungen aus dem Sudan“ bekannt, den sie von den Helfern in ihren Flüchtlingslagern bekommen hatten (siehe Box).

Die Reise, die unbegleitete afrikanische Flüchtlingskinder nach Nordafrika auf sich nehmen, ist nicht weniger gefährlich. Sie hoffen, von dort aus über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Flüchtlingslager in Nordafrika bieten vielen von ihnen Zuflucht. Doch diese Lager zu erreichen ist alles andere als einfach: Auf dem Weg dorthin erleben viele Kinder Gewalt, Erpressung, Ausbeutung und Vernachlässigung.

Genau wie die Lager am Horn von Afrika werden auch diese Camps häufig zu semi-permanenten Aufenthaltsorten für jene, die als Asylsuchende nach Europa wollen. Auch in offiziell anerkannten Flüchtlingssiedlungen erhalten minderjährige Flüchtlinge häufig wenig Aufmerksamkeit und Schutz vor Gewalt. Außerdem haben sie Schwierigkeiten, von ihrem Recht auf Asyl Gebrauch zu machen.

Das verstößt gegen internationales Recht, das den Kindern Schutz garantiert. In ihrer Erklärung der Rechte des Kindes betonten die Vereinten Nationen 1959, dass Kinder für ihre physische, mentale und soziale Entwicklung ein Recht auf besonderen Schutz haben. Außerdem machte die Erklärung geltend, dass jedes Kind das Recht auf „Schutz vor allen Formen der Vernachlässigung, Grausamkeit und Ausbeutung“ genießt. Diese Erklärung wurde 1989 zur UN-Kinderrechtskonvention ausgeweitet, die alle UN-Mitgliedstaaten bis auf die USA ratifiziert haben.

Hunderttausenden Kindern, die weltweit aus ihrer Heimat geflohen sind, um andernorts Asyl zu suchen, wird dieser besondere Schutz verwehrt. Anstelle einer Kindheit in einem Umfeld von Liebe und Verständnis, wie es die Erklärung verlangt, stehen bei unbegleiteten Flüchtlingskindern oft Armut, Angst und Vernachlässigung.

Beim Umgang der USA mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen an den Grenzen besteht erheblicher Verbesserungsbedarf. Darüber hinaus sollten alle Zufluchtsländer bessere Programme für diese Asylsuchenden entwickeln. Dazu gehören Maßnahmen für eine bessere Behandlung in Unterkünften und rechtliche Beratung zu Asylanträgen.

Außerdem brauchen Kinder aus Krisengebieten häufig Seelsorge, um mit den Traumata, die sie in ihren Heimatländern und auf der Flucht erfahren haben, umzugehen. Regierungen sollten Einrichtungen und Programme schaffen, um solche Dienste zur Verfügung zu stellen.

Die Kinder von heute sind die Erwachsenen von morgen. Auf lange Sicht nutzt es niemandem, wenn Kinder traumatisiert und vernachlässigt aufwachsen.


Qaabata Boru ist äthiopischer Journalist und hat selbst im Flüchtlingslager Kakuma in Kenia gelebt. Er ist Gründer und Chefredakteur von Kakuma News Reflector (Kanere), einer von Flüchtlingen gemachten Online-Zeitung.
kakuma.news@gmail.com
https://kanere.org/

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