Armin Laschet, Kabinettsmitglied in NRW

„Über den Tellerrand schauen“

Nordrhein-Westfalen, das mit rund 18 Millionen Einwohnern mit Abstand größte Land der Bundesrepublik, hat im September eine Partnerschaft mit Ghana vereinbart. Armin Laschet, der für das Thema zuständige Minister der Düsseldorfer Regierung, erläutert Ziele und Hintergrund.

Warum betreibt Nord­rhein-Westfalen (NRW) Entwicklungspolitik?
Die deutschen Länder haben in einer Erklärung der Ministerpräsidenten schon 1962, also vor langer Zeit, versprochen, die Entwicklungspolitik des Bundes zu unterstützen. Nordrhein-Westfalen tut das auch seit vielen Jahren. Wir haben die Leitlinien dafür jetzt noch einmal erneuert, weil Nordrhein-Westfalen das Nord-Süd-Land schlechthin in Deutschland ist. Alle großen entwicklungspolitischen Institutionen haben ihren Sitz in unserem Bundesland, und das gilt auch für die Zivilgesellschaft, denken Sie an Misereor, die Kindernothilfe oder die Deutsche Welthungerhilfe. Es gibt rund 3000 lokale Eine-Welt-Initiativen. Zudem hat das Berlin-Bonn-­Gesetz die frühere Bundeshauptstadt am Rhein ausdrücklich zum Nord-Süd-Zentrum Deutschlands erklärt. Bonn ist auch der einzige UN-Standort in Deutschland. Es gibt ein dichtes Netzwerk hier, das unser Profil schärft.

In Frankfurt und Umgebung sitzen aber die KfW Entwicklungsbank, die GTZ oder medico international, eine regierungsunabhängige Organisation. NRW hat kein Monopol auf entwicklungspolitische Institutionen.

Es bleibt dem Land Hessen unbenommen, selbst ein Nord-Süd-Profil zu entwickeln. Das kann der Entwicklungspolitik nur nutzen. Wir sehen darin aber auf alle Fälle eine unserer Stärken.

Was können und wollen Sie entwick­lungspolitisch in Nordrhein-Westfalen erreichen?

Die Zielsetzung der Entwicklungspolitik – Armutsbekämpfung, Demokratieförderung et cetera – ist ja bekannt. Es geht um eine Nord-Süd-Politik, die alle Ebenen erfasst. In Folge der internationalen Agenda-Prozesse seit dem Weltgipfel in Rio de Janeiro 1992 sind nicht nur die Nationalstaaten involviert, sondern auch die Regionen und Städte. Wir wollen in Nordrhein-Westfalen erreichen, dass die Menschen über den Tellerrand hinausschauen, damit sie die Wechselbeziehungen zwischen Nord und Süd wahrnehmen. Wir sind als wichtiger Industrie- und Dienstleistungsstandort auch ein starker Akteur im Welthandel, und ich finde, diese wirtschaftliche Stärke verpflichtet uns geradezu dazu, uns mit Fragen der Entwicklungspolitik und des Nord-Süd-Dialogs auseinanderzusetzen.

Anfang September haben Sie eine neue Partnerschaft Ihres Landes mit Ghana unterschrieben und verkündet. Was ist das Ziel?

Es gab bisher eine deutsche Länder-Partnerschaft, nämlich Rheinland-Pfalz mit Ruanda. Ich glaube, solch eine Kooperation hilft sehr, das Thema Nord-Süd-Dialog in den Blick zu nehmen. Man kann sich auf ein Land konzentrieren. Ghana haben wir als Partner gewählt, weil es eines der Musterländer in Afrika ist, das demokratische Strukturen hat und sich sozial und marktwirtschaftlich organisiert. Außerdem stammt eine der größten afrikanischen Diasporagemeinden in Nordrhein-Westfalen aus Ghana. Ein neuer Akzent in der Entwicklungszusammenarbeit sollte unserer Ansicht nach die Wechselwirkung zwischen Migration und Entwicklung sein.

Wie viele Ghanaer leben in NRW?

Wir schätzen, dass es 4500 Ghanaer mit Staatsangehörigkeit gibt und noch einmal eine ähnlich große Zahl inzwischen eingebürgerter Migranten. Wir rechnen mit bis zu 10 000 ghanastämmigen Bürgern im Land. Wir müssen die Potenziale, die die engere Vernetzung beispielsweise der Wirtschaft oder der Bildung bietet, bei uns und im Herkunftsland nutzen. Wie so etwas geht, können wir am Beispiel Ghana vorführen. Hinzu kommt, dass das Bistum Münster und einhundert Initiativen schon lange eine Partnerschaft mit Ghana unterhalten, so dass wir auf gewachsenen Strukturen aufbauen.

Andererseits gilt Ghana auch als Donor-Darling, das viele Mittel der offiziellen Entwicklungshilfe (ODA) bekommt. Vielleicht gäbe es ja andere Staaten, welche die Aufmerksamkeit NRWs dringender bräuchten.

Es geht nicht um Aufmerksamkeit, wir sind kein zahlungskräftiger Geber. Es geht darum, Beziehungen zwischen Menschen und zwischen Institutionen herzustellen. Damit unterstützen wir auf der Landesebene das, was die Bundesregierung in der bilateralen Zusammenarbeit mit Ghana leistet.

Was bedeutet für Sie das Thema Geberharmonisierung im OECD-Kontext?

Ich habe mich als Europaabgeordneter immer schon dafür eingesetzt, dass nun nicht 27 EU-Länder in Partnerländern 27-fach auftreten, sondern dass alle möglichst mit einer Stimme sprechen. Keine Frage, Koordination ist nötig. Folglich bin ich jetzt auch nicht dafür, dass auch noch 16 deutsche Bundesländer hinzukommen und alles noch komplizierter machen. Wir wollen also im Kontext der OECD-Koordinierung und der bilateralen Zusammenarbeit Deutschlands mit Ghana einen sinnvollen Beitrag leisten. Das steht auch ausdrücklich im Abkommen. Unser Beitrag wird davon nur ein recht kleiner Teil sein.

Wie viel Geld veranschlagen Sie für die Partnerschaft mit Ghana im Landeshaushalt?

Da gibt es noch keine Schätzung. Wir wenden jährlich nach den ODA-Kriterien der OECD rund 20 Millionen Euro für Entwick­lungspolitik auf. Darin sind beispielsweise auch Stipendien und vieles mehr enthalten. Wie viel davon speziell nach Ghana geht, lässt sich nicht sagen. Aber ich bin sicher, dass es gut wäre, wenn alle 16 deutschen Länder jeweils Kontakt zu einem – beispielsweise afrikanischen – Partnerland pflegen würden. Das würde die deutsche Entwicklungszusammenarbeit insgesamt auf eine breitere politische Basis stellen und damit auch den Interessen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung dienen.

Also geht es Ihnen um eine meinungsbildende Wirkung in Deutschland.

Die Kernaufgabe der Länder liegt in der Bildungsarbeit im Inland. Und da können wir viel erreichen, wenn wir Ghana als Partner den Menschen in Nordrhein-Westfalen wirklich ins Bewusstsein rufen.

Die Fragen stellte Hans Dembowski.