Gewaltsamer Konflikt

Ethnische Spaltung nicht das Problem

Nach dem Gewaltausbruch im vergangenen Jahr herrscht gespenstische Ruhe in Burundi. Politiker und Journalisten im Exil sowie internationale Experten befürchten einen Bürgerkrieg. Ethnische Spannungen würden angeheizt, um von der politischen Krise abzulenken.
Burundische Flüchtlingskinder im Flüchtlingslager Gashora in Ruanda. Edmund Kagire/AP Photo/picture-alliance Burundische Flüchtlingskinder im Flüchtlingslager Gashora in Ruanda.

Die Ankündigung von Burundis Präsident Pierre Nkurunziza im April 2015, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren, löste Massenproteste aus. Regierungstruppen schlugen einen Putschversuch im Mai brutal nieder. Burundis Verfassung verbot eine dritte Amtszeit. Doch Nkurunziza wurde im Juli 2015 trotzdem wiedergewählt. Das Verfassungsgericht änderte die Amtszeitbegrenzung – im Vorfeld waren mehrere seiner Mitglieder ins Ausland geflüchtet.

Seitdem herrscht das, was in den Augen vieler Beobachter die Ruhe vor dem Sturm ist. „Eine trügerische Ruhe“, nennt sie der Sondergesandte der Afrikanischen Union (AU) für Burundi und das Gebiet der Großen Seen, Kassimi Bamba. Exilpolitiker sowohl von der Opposition als auch von der Regierungspartei sowie Flüchtlinge in den Nachbarländern Burundis befürchten den Ausbruch eines gewaltsamen Konflikts. Die Regierung heize ihn durch ethnische Propaganda an, die ausschließlich dem eigenen Machterhalt diene.

„Die dritte Amtszeit ist illegal, und das ist die Position der Afrikanischen Union“, betont Bamba. Viele Menschen wurden verhaftet, eingesperrt und gefoltert. Hunderte verloren ihr Leben, und rund 250 000  flüchteten nach UN-Angaben in die Nachbarländer Tansania, Ruanda und die Demokratische Republik Kongo sowie nach Uganda.

„Dies ist keine ethnische Krise, wie viele Menschen glauben – es ist eine ganz und gar politische Krise“, betont Bob Rugurika, Journalist und Chef des privaten Radiosenders RPA (Radio Publique Africaine). Die Regierung „plant eine ethnische Krise, um von der politischen Krise abzulenken“, sagte er auf einer Diskussionsveranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung im April in Berlin. Rugurika ist selbst geflüchtet.

In den Augen von Rugurika und anderen besteht die Gefahr, dass die Regierungspropaganda den Konflikt zwischen den beiden größten ethnischen Gruppen des Landes, Hutus und Tutsis, zum Explodieren bringt. Nach jahrzehntelangen Kämpfen führte ein Friedensabkommen 2005 zu einem wackligen Frieden in dem zentralafrikanischen Land. Damals wurde Nkurunziza, Chef der aus einer Rebellenorganisation der Hutus hervorgegangenen Partei CNDD-FDD, zum Präsidenten gewählt.

Ein Quotensystem für die Volksgruppen sollte für ein gewisses Gleichgewicht innerhalb des Systems sorgen, führte aber stattdessen zu struktureller ethnischer Diskriminierung, kritisiert Claudia Simons, Afrikaexpertin der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin. Aber: „Die breite Bevölkerung wehrt sich dagegen, sich nach ethnischen Kriterien mobilisieren zu lassen.“

Kordula Schulz-Asche, die für die Grünen im Bundestag sitzt, hat Burundi 2015 mit einer Gruppe von Abgeordneten besucht. „Alle burundischen Parlamentarier betonten damals, dass eine ethnische Spaltung nicht das Problem sei“, berichtet sie.

Es besteht die Befürchtung, dass der Konflikt auf Nachbarländer übergreift, zumal Rebellenmilizen Gerüchten zufolge jenseits der Grenzen trainieren. „Die internationale Gemeinschaft hat nicht genug getan, um eine Verschärfung der Lage zu verhindern“, sagt der AU-Sondergesandte Bamba. Die AU hat ihren Plan, rund 5000 Soldaten nach Burundi zu schicken, verworfen. Stattdessen beschloss der UN-Sicherheitsrat Anfang April, eine kleine Polizeieinheit in das Land zu schicken. Laut Bamba läuft es auf 20 bis 30 Polizisten hinaus. „Das wird nicht viel helfen“, urteilt er.

Die Runde war sich darüber einig, dass Friedensverhandlungen der einzige Ausweg sind. Da viele Oppositionelle im Ausland sind, wird der von der Regierung vor kurzem initiierte „Friedensdialog“ jedoch sehr einseitig ausfallen, meint Rugurika. „Wer soll denn an einem Dialog teilnehmen, wenn die meisten Oppositionellen im Exil sind?“, fragt der Journalist. Seinen Angaben zufolge liegen für viele der Personen, die eigentlich teilnehmen müssten, Haftbefehle vor. Nach Ansicht von Schulz-Asche müssten Friedensverhandlungen außerhalb Burundis stattfinden.

„Die Leute unterschätzen die Möglichkeit einer Katastrophe“, sagt Rugurika. „Muss die Krise erst zum Genozid führen wie in Ruanda?“

Ellen Thalman

 

 

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