Treffende, doch zu pauschale Kritik

Stephen Browne:
Aid and influence.
Do donors help or hinder?
Earthscan, London 2006, 192 S.,
17,99 Pfund, ISBN 1-8440-7202-9

William Easterly:
Wir retten die Welt zu Tode.
Für ein professionelleres Management
im Kampf gegen die Armut.
Campus Verlag, Frankfurt/New York 2006, 388 S., 24,90 Euro, ISBN 3-593-38157-5

In den letzten Jahren mehren sich Publikationen, die der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) zwar nicht ihr Engagement absprechen, aber ihre Praxis als mangelhaft beurteilen. Hierzu gehören auch diese beiden 2006 erschienenen Bücher. Sie erachten die gegenwärtigen EZ als zu planwirtschaftlich beziehungsweise zu hierarchisch und fordern dezentralere Strukturen der Zusammenarbeit.

Stephen Browne ist ein typisches Beispiel für einen erfahrenen Praktiker, der unter Rückgriff auf wissenschaftliche Literatur eine grundlegende Abrechnung mit der EZ vornimmt. Die meisten seiner Argumente sind zumindest Kennern bekannt. Browne berichtet etwa, wie EZ-Strategien immer kurzfristiger geplant werden und immer neuen Moden folgen. Gleichzeitig belegt er, dass Entwicklungshilfe nur selten aus rein uneigennützigen Motiven geflossen ist, sondern meist auch etwa diplomatisch, sicherheitspolitisch oder außenwirtschaftlich begründet war. Daher sei es kaum verwunderlich, dass sie bislang wenig strukturelle Wirkungen gezeitigt habe: Die Vergabekonditionen seien nicht richtig konzipiert worden, gerade in fragilen Staaten hätten andere Motive der Geberstaaten eine Ausrichtung der EZ-Strategien an Effizienz behindert.

Insgesamt, so Browne, war die Entwicklungshilfe in der Vergangenheit viel zu sehr von den Interessen der Geber statt der Nachfrager bestimmt. Doch auch die gegenwärtigen Reformversuche, zu denen sich die Geberländer in der Paris-Deklaration über die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe 2005 verpflichtet haben, seien noch viel zu sehr von einem Top-Down-Ansatz geprägt, weniger von Interessen der Bedürftigen in den Empfängerländern. Die internationale EZ müsse grundlegend reorganisiert werden. So sollten die Geber Marktmechanismen für die Vergabe von technischer und finanzieller Unterstützung einführen; nur so könnten sie Anreize dafür schaffen, dass ihre Planungsbürokratien sich nach den Bedürfnissen der Empfänger richteten.

Der Autor greift etliche Diskussionsstränge auf, doch ist keine klare Argumentationslinie zu erkennen. Viele Aspekte der Debatte über die Wirksamkeit der EZ werden angerissen, aber nicht differenziert abgearbeitet. Zudem versucht Browne, dem Buch einen wissenschaftlichen Anstrich zu geben, arbeitet aber die wissenschaftliche Literatur nicht umfassend auf. Dem „Lösungsansatz“, der Einführung von Marktmechanismen, widmet er lediglich wenige Seiten am Ende des Buches – zu wenig angesichts der Komplexität einer solchen Aufgabe. Das Buch ist daher eine in Teilen interessante Kritik, insgesamt aber recht unstrukturiert, und die Schlussfolgerungen sind zu undifferenziert.

William Easterlys „Wir retten die Welt zu Tode“ (im Original: The White Man’s Burden) ist um einiges stimulierender und provokanter. Easterly, der gegenwärtig wohl international renommierteste Entwicklungsökonom, pflegt einen Stil, der sein Buch einem breiten Leserkreis zugänglich macht. Anekdoten, die teilweise mit Sarkasmus und Wut geschrieben sind, illustrieren seine Argumente. Diese sind gleichwohl überwiegend wissenschaftlich seriös untermauert.

Easterlys Buch ist klarer strukturiert als das von Browne und konzentriert sich auf weniger Kernargumente. Easterly entzaubert die Legende, umfassende Hilfe könne in armen Ländern einen großen Entwicklungsschub auslösen. Sein Analyse legt auch nahe, dass sich die EZ zu einem stark planwirtschaftlich gesteuerten Politikfeld entwickelt hat. Ihr Planungsapparat sei zunehmend mit sich selbst beschäftigt, intransparent und hierarchisch organisiert. Entwicklungszusammenarbeit könne daher auch mit mehr Geld kaum einen Beitrag zur Überwindung von strukturellen Entwicklungsbarrieren leisten. Die Abwicklung von Projekten und Programmen über eine lange Kette von Akteuren verursache eine Vielzahl von Kontrollproblemen, die noch verstärkt würden durch mangelnde Rechenschaftspflicht der Durchführungsorganisationen sowie mangelnde Reformbemühungen von Eliten in Entwicklungsländern. Auch Easterly kommt daher zu dem Schluss, dass nur dezentralere und marktfreundliche Vergabemechanismen Erfolg versprechen.

Wenngleich Easterly schlüssiger argumentiert als Browne, sind auch seine Empfehlungen wenig differenziert. Wie genau marktwirtschaftliche Reformen aussehen und wie sie – so ist zu vermuten – gegen die Interessen etlicher EZ-Organisationen eingeführt werden sollen, bleibt schwammig.

Beide Bücher legen den Fokus auf die Mängel der EZ-Strukturen. Das ist wichtig, um zu zeigen, dass Probleme mit der Wirksamkeit der EZ nicht nur auf der Nehmerseite, sondern gleichermaßen auf der Geberseite entstehen. Doch in der insgesamt zu pauschalen Kritik bleiben gute Erfahrungen mit dezentraleren EZ-Programmen, auf denen Reformen aufbauen könnten, weitgehend unberücksichtigt. Die Forschung muss sich stärker dem Vergleich von einzelnen bi- und multilateralen EZ-Organisationen widmen. Nur so kann ermittelt werden, welche Organisationsformen mehr und welche weniger wirksame Zusammenarbeit leisten. Jörg Faust