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Hochschulen

Spitzenunis und Diplomfabriken

Mit einem Hochschulabschluss kann es jungen Filipinos gelingen, der Armut zu entkommen. Paradoxerweise können sich aber nur Reiche ein ordentliches Studium leisten. Und selbst teure Universitäten bieten nicht immer auch eine gute Ausbildung.

Von Alan C. Robles

Glaubt man den Kritikern, so ist das Hauptproblem des philippinischen Hochschulsystems, dass es am amerikanischen Modell ausgerichtet ist: Die meisten Hochschulen sind private, profitorientierte Einrichtungen. Der nationale Sprecher der Student Council Alliance of the Philippines (SCAP), JC Tejano, meint: „Das Einzige, was die Hochschulen wollen, ist Geld verdienen.“ In Qualität dagegen werde viel zu wenig investiert.

Nach Regierungsangaben gibt es auf den Philippinen 2247 Hochschulen. Davon sind 88 Prozent private Institutionen. Von den 2,9 Millionen Studierenden des Landes sind aber nur 60 Prozent an privaten Universitäten eingeschrieben. Eine Folge ist, dass die staatlichen Hochschulen zumeist überfüllt und unterfinanziert sind.

Hohe Kosten

Im Durchschnitt unterscheiden sich die Kosten für private und öffentliche Hochschulen auf den Philippinen kaum. Die Hochschulkommission der Regierung (Council on Higher Education, CHED) schätzt, dass Studierende an einer privaten Universität derzeit im Durchschnitt 237 600 Pesos (4200 Euro) für ein vierjähriges Studium zahlen – an staatlichen Hochschulen sind es 233 600 Pesos. Dazu muss man jedoch wissen, dass sich unter den privaten Hochschulen nicht nur die besten und teuersten, sondern auch die billigsten und schlechtesten Einrichtungen finden. An den besten Universitäten können leicht Kosten von 400 000 Pesos anfallen.

Gemessen am Einkommen der philippinischen Haushalte sind diese Studien­gebühren heftig. Der staatlichen Erhebung von 2009 zufolge beträgt das jährliche Durchschnittseinkommen einer Familie nur 206 000 Pesos. Familien aus dem unteren Drittel der Einkommenspyramide verfügen im Schnitt sogar nur über 62 000 Pesos.

Fast jährlich erhöhen die Hochschulen ihre Gebühren noch. Dem Onlinemagazin Bulatlat zufolge lagen die durchschnittlichen Kosten pro Lehreinheit im Jahr 2005 bei über 330 Pesos, 2011 waren es bereits über 500. Hinzu kommen für die Studierenden Kosten für Essen, Unterkunft und Transport. Das sind keine unbedeutenden Summen. Professoren berichten von Studenten, die Seminare ausfallen lassen, weil sie sich das Fahrgeld nicht leisten können. Andere sind unkonzentriert, weil sie zu lange nicht ordentlich gegessen haben.

Die Hochschulen sind zudem sehr kreativ darin, ihre Rechnungen mit anderen Posten noch weiter in die Höhe zu treiben. So erheben manche Gebühren für „Labor“, „Energie“ und „Entwicklung“. Ein Vertreter der Jugendorganisation Anakbayan, Antonio Pascua Jr., wies im vergangenen Jahr darauf hin, dass eine Hochschule eine sogenannte „eingeschränkte Gebühr“ erhoben habe, deren Zweck den Studierenden „völlig schleierhaft“ sei. Die CHED-Vorsitzende Patricia Licuanan plädierte deshalb an alle Hochschulen, „jedes Jahr die Erhöhung ihrer Studiengebühren genau zu prüfen“. Im Namen der Regierung forderte sie alle Institute auf, „ihre Ausgaben klug und gezielt zu tätigen, um die Kosten für die Studenten zu reduzieren“.

Die traurige Wahrheit ist, dass viele Studenten irgendwann nicht mehr in der Lage sind, die Studiengebühren zu zahlen, und ihr Studium abbrechen. Der Bulatlat-Bericht von 2005 spricht von einer Abbruchrate von 73 Prozent.

Diese Studenten hören entweder ganz auf oder wechseln an günstigere Hochschulen. Diese sind zwar meist schlechter, dennoch geht auch hier der Trend zu höheren Gebühren. Studentenvertreter Tejano fordert deshalb, alle Gebühren einzufrieren. Seine Organisation setzt sich dafür ein, die Kosten für Bildung zu senken.

Die privaten Hochschulen argumentieren jedoch, dass sie ohne die hohen Gebühren finanziell nicht überleben könnten. Licuanan vom CHED stimmt dem zu: „Hochwertige Bildung hat ihren Preis.“ Daher sei die Erhöhung der Gebühren „notwendig“, sie müsse aber „gerechtfertigt, vernünftig und transparent“ sein.

Schlechte Qualität

Gerade die Qualität der Ausbildung ist auf den Philippinen aber oft fraglich. Unter den privaten Hochschulen gibt es ein paar Spitzenuniversitäten. Ihre Absolventen können wahrscheinlich mit denen anderer Eliteunis auf der ganzen Welt konkurrieren. Die meisten anderen privaten Hochschulen dagegen scheinen Profit auf Kosten der Qualität zu machen.

Ein Fakultätsmitglied, das nicht genannt werden möchte, sagt: „Einige Hochschulen dürften eigentlich kein Studium anbieten, sie sind nicht qualifiziert.“ Diese „windigen Anbieter“ und „Diplomfabriken“ forderten hohe Studiengebühren für eine mangelhafte Ausbildung.

Auch andere Lehrkräfte erzählen verstörende Geschichten. Etwa von der Hochschule, die keine Bücher in ihrer Bibliothek führt. Ihr Präsident ist der Ansicht, Bücher seien überflüssig, weil man alles aus dem Internet herunterladen könne. Vor einigen Semestern nutzte eine andere Hochschule noch ein Lehrbuch für Internationale Beziehungen aus dem Jahr 1976. Die Welt hat sich seitdem verändert: 1976 war ein Jahr nach Ende des Vietnamkriegs, 13 Jahre vor dem Fall der Berliner Mauer und 25 Jahre vor dem 11. September.

Ein anderer Professor berichtet, dass eine Hochschule den Lehrenden kein Geld zum Kopieren von Prüfungsunterlagen genehmige. Entweder die Lehrkräfte zahlten die Fotokopien selbst, oder sie müssten alles an eine Tafel schreiben.

Die Regierung von Präsident Benigno „Noynoy“ Aquino III ist sich der Probleme bewusst. Es gibt ehrgeizige Reformpläne für den Bildungssektor, wie etwa die Schulzeit an Grundschulen und weiterführenden Schulen zu verlängern (siehe Kasten).

Verbesserungen seien notwendig, betont auch die CHED-Vorsitzende Licuanan. Es gebe zu viele verschiedene Studienanbieter und Studiengänge. Zudem seien die Inhalte oft nicht praxisorientiert, die Studienqualität verschlechtere sich, und der Zugang zu hochwertiger Hochschulbildung werde immer schwieriger. Mittels einer Hochschulreform will der CHED diese Dinge verbessern.

Doch die politische Schlagkraft des CHED steht derzeit auf dem Prüfstand. Bereits seit einiger Zeit versucht er, die International Academy of Management and ­Economics in Manila zu schließen. Diese Hochschule trägt die Abkürzung IAME, was ein bisschen nach dem deutlich renommierteren Asian Institute of Management (AIM) klingt. Der CHED wirft dem IAME „grobe und anhaltende Missachtung sowie Nichteinhaltung existierender Gesetze, Regeln und Regulierungen“ vor. Dennoch ist die IAME weiter im Geschäft. Angeblich hat sie enge Verbindungen zu Präsident Aquino.

Die Hochschulen selber sind aber nicht das einzige Problem. Generell lässt auch die Schulausbildung auf den Philippinen zu wünschen übrig. Das Studium an Hochschulen kann deshalb oft gar nicht auf hohem Niveau beginnen. Der Schriftsteller und Wissenschaftler Isagani Cruz ist Gastdozent an der Universität Oxford und hat an verschiedenen profilierten philippinischen Hochschulen gelehrt. Ihm zufolge entspricht das erste Studienjahr auf den Philippinen vom Niveau her eher der Oberstufe in anderen Ländern.

Aus diesen Gründen kann Hochschulbildung nicht zu Wirtschaftswachstum und Entwicklung beitragen. Bill Luz vom nationalen Wettbewerbsfähigkeitsrat stellt fest: „Vertreter aus der Wirtschaft beklagen das niedrige Niveau unserer Ausbildung. In internationalen Vergleichsstudien erhalten wir schlechte Beurteilungen für die Grundschulbildung und die Forschungsqualität, gerade in Mathematik.“ Luz fordert daher eine bessere Zusammenarbeit von Industrie und Wissenschaft.

Tatsächlich bringen Hochschulabsolventen häufig nicht das Wissen und die Fähigkeiten mit, die Arbeitgeber von ihnen verlangen. „Viele Uni-Absolventen arbeiten in Jobs mit niedriger Produktivität“, befand deshalb die Asian Development Bank (ADB) 2007 in einer Philippinen-Studie. Im gleichen Bericht beklagte die ADB, „dass gut ausgebildete Mitarbeiter in der Industrie rar seien“. Besonders sei dies in der Informationstechnik der Fall sowie bei ausgelagerten Dienstleistungen wie Call-Centern oder Rechnungswesen.

Zu einem ähnlichen Schluss kam Anfang dieses Jahres auch die Weltbank im Bericht über Hochschulbildung in Asien: Es gebe eine Diskrepanz zwischen dem Bildungssystem, staatlichen Programmen und dem, was der Privatsektor brauche. Die Empfehlung der Weltbank ist kaum überraschend: Die Philippinen müssten ihre Hochschulen verbessern, um die Berufskompetenz der Absolventen zu steigern.