Studiengebühren

#FeesMustFall

22 Jahre nach dem Ende der Apartheid recken Studenten wieder ihre Fäuste zum Protest. Heute kämpfen sie für eine kostenlose und entkolonialisierte Bildung.
The statue of colonialist Cecil Rhodes was removed from the University of Cape Town in April 2015. mson / picture alliance / africamediaonline The statue of colonialist Cecil Rhodes was removed from the University of Cape Town in April 2015.

An der Universität Kapstadt ist die Statue von Cecil Rhodes, dem britischen Kolonialisten, entfernt worden. Unter dem Hashtag #RhodesMustFall hatten sich Studenten in den sozialen Netzwerken für die Entfernung der Statue eingesetzt und ihr Ziel im April 2015 erreicht. Einige Monate später kündigten die Universitäten eine Anhebung der Studiengebühren um mehr als zehn Prozent an – und lösten damit massive Proteste aus. Sie richten sich gegen Gebühren, gegen die Studieninhalte und gegen die institutionelle Kultur an den Universitäten.

Die Studenten beklagen, dass die Gebühren für Menschen aus einfachen Verhältnissen unbezahlbar sind. Ein Jahr eines Bachelor-Studiums kostet umgerechnet 2000 bis 3000 Euro. Die Gebühren vergrößern die sozialen Ungleichheiten. Nur 12 Prozent der Schwarzen und 14 Prozent der sogenannten Coloureds (Farbigen) beginnen ein Universitätsstudium, während es bei den indischstämmigen Südafrikanern 51 Prozent und bei den Weißen 58 Prozent sind. Schwarze machen 80 Prozent der Bevölkerung aus, Weiße nur 8,4 Prozent. In den Vierteln, in denen überwiegend Schwarze leben, sind die Schulen meist schlechter ausgestattet.

Die meisten schwarzen Familien haben keinen Zugang zu einer akademischen Ausbildung. Laut einer aktuellen Studie machen nur sechs von hundert eingeschulten Schwarzen einen Universitätsabschluss. 60 Prozent derjenigen, die einen höheren Bildungsweg einschlagen, kommen aus dem wohlhabenden Drittel der südafrikanischen Gymnasien, die dank hoher Gebühren gut ausgestattet sind. Gut die Hälfte der Südafrikaner verdient weniger als die 240 Euro monatlich, die derzeit als Lebensminimum veranschlagt werden.

Dennoch schaffen es einige Schüler aus armen Familien an die Universitäten. Um die Studiengebühren bezahlen zu können, sind sie auf staatliche Unterstützung angewiesen. Die Zuschüsse aus dem National Student Financial Aid Scheme (NSFAS) werden gestaffelt nach Einkommen vergeben. Doch sie reichen nicht aus, um den Bedarf zu decken. Zudem fällt die „übersehene Mitte“ durch das Netz: Das Einkommen der Eltern ist zu hoch, um Unterstützung zu beantragen, und zu niedrig, um ein Studium zu finanzieren.

Unter dem Hashtag #FeesMustFall machen sich Studenten in sozialen Netzwerken für ein gebührenfreies Studium stark. Sie argumentieren, dass Bildung ein Gemeingut sei, das vom Staat finanziert werden und allen Bürgern offenstehen müsse. Die andere Seite hält dagegen, dass höhere Bildung ein Privileg sei, und stellt die Machbarkeit in Frage. Aus Sicht der Aktivisten ist die Abschaffung der Studiengebühren allein eine Frage des politischen Willens.

Außer den Gebühren kritisiert die Studentenbewegung die eurozentrische Ausrichtung der Stundenpläne. Inspiriert von Anti-Apartheid-Kämpfern wie Steve Biko fordern die Hochschüler die Dekolonisierung der Universitäten. Im Kern geht es darum, wie Wissen produziert wird, wer Zugang zu Wissen hat und wer entscheidet, welches Wissen gültig und wertvoll ist. Dekolonisierung bedeutet das Ablegen ungleicher Kategorien des Menschseins, einschließlich rassifizierter Identitäten. Südafrika braucht Begriffe, die inklusiv und befreiend für alle sind.

Die Studenten kritisieren auch, dass nach wie vor die meisten Lehrkräfte an den Universitäten weiß sind. Sie möchten, dass die Inhalte in die Lebenswirklichkeit Südafrikas passen und der schwarzen Bevölkerungsmehrheit gerecht werden. Die südafrikanischen Universitäten sollten ein Spiegelbild der Gesellschaft sein und afrikanische Sprachen unterrichten, nicht nur Englisch und Afrikaans. Auch Genderthemen wie die Belästigung von Studentinnen spielen eine Rolle.

Die Studentenbewegung beunruhigt die ANC-Regierung. Präsident Jacob Zuma kämpft gegen Korruptionsvorwürfe und seine Partei ist gespalten. Der ANC muss sich der Tatsache stellen, dass er eine Mitverantwortung für die Unzufriedenheit der Studenten trägt. Der Regierung ist es nicht gelungen, die Chancen für die Mehrheit der Südafrikaner zu verbessern.

Im September 2016 kündigte Hochschulminister Blade Nzimande eine weitere Erhöhung der Studiengebühren an. Die Studenten schlossen daraufhin die Universitäten. Großaufgebote von privaten Sicherheitsdiensten und Polizei wurden eingesetzt, der Unterricht wurde schließlich wiederaufgenommen. Die Regierung setzte eine Kommission ein, die sich mit den Forderungen der Bewegung #FeesMustFall beschäftigt. Doch das Problem wird bleiben.

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Um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist gute Regierungsführung nötig – von der lokalen bis zur globalen Ebene.