Staatsverschuldung
Schuldenerlasse zur Erreichung der Klimaziele?
Die Corona-Pandemie hat kritisch verschuldete Staaten noch weiter in die Schuldenfalle getrieben. Nicht nur zivilgesellschaftliche Organisationen, sondern auch Weltbank und Internationaler Währungsfonds fordern rasche und umfassende Schuldenerlasse. Gleichzeitig braucht es Lösungen zum Umgang mit dem Klimawandel.
Der Vorschlag von Schuldenumwandlungen (Debt-Swaps) kling deshalb gut. Dabei einigen sich Schuldner und Gläubiger darauf, dass einem verschuldeten Staat die Schulden erlassen werden, sofern die freiwerdenden Mittel in Klimamaßnahmen investiert werden. Seit den frühen 1990er Jahren spielen Debt-Swaps für soziale oder ökologische Zwecke in der Entwicklungspolitik eine Rolle.
Auch die Bundesregierung verfügt mit der sogenannten deutschen Schuldenumwandlungsfazilität über ein Instrument, welches es ihr erlaubt, jährlich auf bis zu 150 Millionen Euro Rückzahlungen zu verzichten, sofern sich das Empfängerland zu entsprechenden Maßnahmen verpflichtet. Da die Bundesregierung diese Mittel in den vergangenen Jahren nicht annähernd ausgeschöpft hat, bietet sich hier eine Chance, die Klimafinanzierung für Länder des Globalen Südens f zu erhöhen.
Begrenzte Wirkung von Schuldenwandlungen
Allerdings ist die Wirksamkeit solcher Schuldenumwandlungen begrenzt. So wie Schuldenumwandlungen in der Vergangenheit umgesetzt wurden, sind sie zu klein, zu langsam und in ihrer fiskalischen Bilanz zu uneindeutig, um Schuldenkrisen zu lösen oder nennenswerte Mittel für den Klimaschutz zu mobilisieren. Sofern es einem Schuldnerstaat noch möglich ist, seinen Schuldendienst pünktlich zu bedienen, kann nur von Gläubigern mit explizit entwicklungspolitischem Mandat angenommen werden, dass sie Schuldenumwandlungen freiwillig zustimmen. Dies sind primär westliche öffentliche Gläubiger, die jedoch nur noch einen relativ geringen Anteil an Forderungen gegenüber Niedrig- und Mitteleinkommensländern halten. Die Umwandlung dieser Schulden würde nur relativ geringe Mittel für den Klimaschutz mobilisieren. Wenn Staaten hingegen unmittelbar die Zahlungseinstellung droht, brauchen sie einen echten Schuldenschnitt – keine Umwandlung.
Sowohl von Wissenschaftlern als auch von Schuldnerstaaten selbst wird daher die Kombination von Schuldenumwandlungen und echten Erlassen vorgeschlagen. Demnach soll ein relevanter Teil der Schulden erlassen werden, während ein weiterer Teil für Investitionen in klimapolitische Maßnahmen umgeschuldet wird.
Ökologische Konditionierung von Schuldenerlassen
Andere Vorschläge konzentrieren sich auf die Konditionierung von Schuldenerlassen. Im Vergleich zu klassischen Schuldenumwandlungen geht es dabei nicht darum, dass die durch den Erlass freiwerdenden Mittel unmittelbar in klimapolitische Maßnahmen investiert werden. Schuldnerstaaten sollen langfristig zu einer klimapolitisch verantwortlichen Politik verpflichtet werden. So fordern Wissenschaftler zum Beispiel, dass Schuldnerstaaten sich im Gegenzug für Schuldenerlasse dazu verpflichten, die Förderung fossiler Energien einzustellen und langfristig den Ausbau regenerativer Energien zu fördern.
Angesichts der enormen klimapolitischen Herausforderungen erscheint dies zunächst plausibel. Es müssen aber neokoloniale Tendenzen vermieden werden. Schuldnerstaaten sollten nicht zum Ausbau regenerativer Energien verpflichtet werden, um den Energiehunger westlicher Staaten zu stillen. Und der Bau von Wasserkraftwerken oder ähnlichen Projekten darf nicht dazu führen, dass sich die Lebensbedingungen für die lokale Bevölkerung im Schuldnerstaat weiter verschlechtern.
Sofern Schuldenerlasse an Konditionen geknüpft werden, ist es daher zentral zu beachten, dass bei den auferlegten Konditionen vor allem die Auswirkungen auf vulnerable Bevölkerungsgruppen berücksichtigt werden, deren Lebensumstände nicht noch schlechter werden dürfen.
Verbindliche Beteiligung
Sowohl bei Schuldenumwandlungen als auch bei echten Schuldenerlassen ist zudem die Koordination der Gläubiger eine besondere Herausforderung. Anders als für Privatpersonen und Unternehmen gibt es für Staaten kein rechtsstaatliches Verfahren zur Restrukturierung ausstehender Schulden.
Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag dazu verpflichtet, die Schaffung eines internationalen Staateninsolvenzverfahrens zu unterstützen (siehe Kathrin Berensmann auf www.dandc.eu). Durch die diesjährige deutsche G7-Präsidentschaft bietet sich ihr ein wichtiger Ansatzpunkt, konkrete Reformen in diesem Sinne anzustoßen. Wichtig wäre das nicht zuletzt, da klimabedingte Naturkatastrophen zunehmen und dazu beitragen werden, dass Staaten ihre Schuldenlast nicht mehr tragen können.
Weiterführende Literatur
Kaiser, J., 2022: Gestern Schulden, heute Entwicklungsfinanzierung. Sind Schuldenumwandlungen ein Weg aus der Krise? In: erlassjahr.de, Misereor (Hrsg): Schuldenreport 2022.
https://erlassjahr.de/wordpress/wp-content/uploads/2022/01/SR22-online-Artikel-5-Gestern-Schulden-heute-Entwicklungsfinanzierung.pdf
Kaiser, J., 2020: Wenn der Klimawandel zur Schuldenfalle wird. Mit Schuldenerlass Schäden und Verluste bewältigen. In: erlassjahr.de, Misereor (Hrsg): Schuldenreport 2020.
https://erlassjahr.de/wordpress/wp-content/uploads/2020/01/SR20-online-.pdf
Volz, U., et al., 2020: Debt Relief for a Green and Inclusive Recovery. A Proposal
https://drgr.org/files/2021/01/DRGR-report.pdf
Malina Stutz ist politische Referentin bei erlassjahr.de.
m.stutz@erlassjahr.de