Regionale Integration
Netzwerke für Frieden und Sicherheit
[ Von Christine Bigdon und Andrea von Rauch ]
Absolut gesehen ist die Anzahl der Kriege in den letzten zehn Jahren weltweit gesunken. In Subsahara-Afrika und Asien aber gibt es weiterhin überproportional viele Krisen und kriegsähnliche Auseinandersetzungen – von innerstaatlichen ethno-politischen und klassischen zwischenstaatlichen Konflikten bis hin zu terroristischen Anschlägen. Für diese bedarf es grenzüberschreitender Lösungen.
„Regional Governance“ ist weltweit als sicherheitspolitisches Instrument bedeutsamer geworden. Regionale Integrationsgemeinschaften in Asien, Afrika und Lateinamerika verstehen sich nicht mehr nur als „Wirtschafts“-, sondern immer mehr auch als „Sicherheitsgemeinschaften“.
Auch bei der europäischen Integration ging es immer um Frieden und Sicherheit. Eine Sicherheitsgemeinschaft konnte aber erst nach Jahrzehnten etappenweise institutionalisiert werden – trotz einmaliger Bedingungen: Die EU wird auch als Wertegemeinschaft gesehen; ihre demokratischen Mitgliedstaaten suchen friedliche Kooperation und demokratische Konfliktlösung.
Heute wird die EU oft als gewachsene, demokratische Sicherheitsgemeinschaft dargestellt, die beweist, dass regionale Organisationen besser gewaltsamen Konflikten vorbeugen und bestehende Konflikte bewältigen können.
Netzwerke schaffen Vertrauen
Regionale Kooperationsstrukturen fördern Frieden und Sicherheit – auch ohne direkte sicherheitspolitische Ausrichtung. An der Europäischen Union und anderen Regionalorganisationen zeigt sich: „Regional Governance“ bereitet den Weg dafür. Dieser Prozess wird oft durch den Wunsch angeregt, sich nach außen abzugrenzen. Aus der zunächst wirtschaftlichen Zusammenarbeit entwickelt sich meist auch eine Kooperation in anderen Bereichen.
Durch gemeinsame Interessen und zunehmendes Vertrauen zueinander verändern sich zwischenstaatliche Beziehungen. So können aus regionalen Bündnissen Sicherheitsgemeinschaften werden. In der EU half die gezielte wirtschaftliche Vernetzung nach dem Zweiten Weltkrieg, Mechanismen zu schaffen, um zwischenstaatliche Konflikte weitgehend zu vermeiden. Im Südlichen Afrika gilt die erfolgreiche regionale Kooperation im grenzüberschreitenden Wassermanagement als ein Grund, warum es dort bisher kaum Konflikte um Wasser gibt.
InWEnt fördert über Kooperationsnetzwerke regionale Integrationsprozesse. Mitarbeiter und Institutionen der Regionalorganisationen (Sekretariate), Vertreter staatlicher Institutionen der Mitgliedstaaten sowie Vertreter der Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft werden in Capacity-Building-Prozesse eingebunden.
Beispiel Asien
Auch die Association of South East Asian Nations (ASEAN) – die wohl bedeutendste südostasiatische Regionalorganisation, die wirtschaftliche Integration und Zusammenarbeit fördert – illustriert sicherheitspolitische Annäherung durch mehr Kooperation. Als sich 1967 zehn Mitglieder zur ASEAN zusammenschlossen, wollten sie mehr wirtschaftliche, technologische, soziale und kulturelle Kooperation. Erst 1976 kam eine sicherheitspolitische Dimension hinzu.
Politische Systeme, religiöse Ausrichtung und wirtschaftliche Entwicklung der Mitgliedstaaten sind extrem unterschiedlich. Dennoch hat das ASEAN-Bündnis große Erfolge erzielt und zu Sicherheit und Stabilität in Südostasien beigetragen. Mit der Ratifizierung der ASEAN-Charta Ende 2008 hat das regionale Bündnis gemeinsame Grundsätze festgeschrieben.
InWEnt unterstützt im Auftrag des Auswärtigen Amtes die dortige regionale Integration mit Capacity-Building. Mitarbeiter des Sekretariats (ASEC) werden weitergebildet und darauf vorbereitet, die ASEAN-Charta effektiv umzusetzen. Verwaltungsstrukturen sollen systematisch aufgebaut, Strukturen wirtschaftlicher Integration gestärkt und Medien- und Öffentlichkeitsarbeit der Staatengemeinschaft professionalisiert werden. Zudem unterstützt InWEnt die bessere Vernetzung mit Entscheidungsträgern und Zivilgesellschaft in den einzelnen Mitgliedstaaten.
Beispiel Afrika
Die Afrikanische Union (AU) wurde 2002 gegründet und ist seither die wichtigste sicherheitspolitische Institution des Kontinents. Die afrikanische Friedens- und Sicherheitsarchitektur – zu der auch der Friedens- und Sicherheitsrat, ein kontinentales Frühwarnsystem und die Afrikanische Schnelle Eingreiftruppe gehören – stützt sich institutionell weiterhin auf die Regionalorganisationen.
Die 1975 gegründete Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS (Economic Community Of West African States) hat sich von einer wirtschaftlichen zu einer politischen Gemeinschaft gewandelt. Ab 1999 wurde Konfliktprävention in verschiedenen Protokollen vereinbart. Neben der ECOWAS-Standby-Force, die gegenwärtig aufgebaut wird, ist das regionale Frühwarnsystem ECOWARN ein Vorreiter in Afrika.
Auch die ursprünglich auf ökologische Fragen am Horn von Afrika fokussierte Intergovernmental Authority on Development IGAD ist inzwischen zusätzlich sicherheitspolitisch ausgerichtet. Ihr regionales Konfliktfrühwarnsystem „CEWARN“ fokussiert sich derzeit allerdings auf Konflikte, die aus grenzüberschreitender Wanderbeweidung resultieren.
InWEnt unterstützt beide Regionalorganisationen im Auftrag des BMZ gemeinsam mit anderen deutschen Organisationen bei der Weiterentwicklung ihrer Frühwarnsysteme. Mitarbeiter der Regionalorganisationen und Vertreter der Mitgliedsländer werden weitergebildet und entsprechende Trainings erarbeitet. Zentral ist die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft.
Hilfreich zur Netzwerkbildung ist die Kooperation von InWEnt und GTZ mit dem Kofi Annan International Peace Keeping Training Centre (KAIPTC) in Ghana. Das KAIPTC wurde 2003 gegründet und ist seither eine der wichtigsten Institutionen Westafrikas für Krisenprävention und Friedensforschung. Jährlich führen InWEnt und KAIPTC gemeinsam einen fünfwöchigen Trainingskurs für Mitarbeiter afrikanischer Regierungen und Regionalorganisationen sowie Vertreter der Zivilgesellschaft durch. Über die fachliche Fortbildung hinaus können afrikanische Institutionen hier ihre Erfahrungen austauschen.
Regionale Kooperation für Frieden und Sicherheit funktioniert nur durch Vernetzung und Capacity Building verschiedener Akteure. Obai Taylor-Kamara, Mitarbeiter des Office of the President in Sierra Leone, sagte nach einem InWEnt-Training: „Wir konnten uns mit hochrangigen Akademikern und Sicherheitsexperten aus Deutschland und Ghana unterhalten, was meinen Horizont enorm erweitert hat. Ich hoffe, nun mit den Friedensinitiativen in meinem Land besser zu einem nachhaltigen Frieden beitragen zu können.“