OECD
Kritik an der internationalen Steuerpolitik der OECD
In den vergangenen Jahrzehnten war die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD – Organisation for Economic Co-operation and Development) der wichtigste multilaterale Akteur in internationalen Steuerfragen. 2009 schuf sie das Global Forum on Transparency and Exchange of Information for Tax Purposes mit dem Ziel, einheitliche Standards durchzusetzen.
Das Forum hat heute mehr als 160 Mitglieder, darunter auch viele Entwicklungsländer. Zu seinen wichtigsten Konzepten gehören der Austausch von Informationen auf Anfrage (EOIR – Exchange of Information on Request) und automatischer Austausch von Finanzinformationen (AEOI – Automatic Exchange of Financial Account Information).
2013 startete die OECD mit den G20 ein Projekt gegen die Erosion der Steuerbasis und die Profitverschiebung (BEPS – Base Erosion and Profit Shifting). 2015 wurden dann, um Steuervermeidung durch multilaterale Konzerne zu bekämpfen, 15 konkrete Maßnahmen („tangible actions“) beschlossen. Dazu gehören beispielsweise digitale Auskunftspflichten und länderspezifische Bilanzregeln.
Für die internationale Umsetzung gründeten OECD und G20 2016 das Inclusive Framework (IF) mit derzeit 140 Mitgliedern. 2021 einigten sich 137 IF-Mitglieder auf ein Zwei-Säulen-Abkommen zu Steuerproblemen der Digitalwirtschaft. Bei der ersten Säule geht es um die Zurechnung der Gewinne großer multinationaler Unternehmen auf verschiedene Länder und bei der zweiten um 15 Prozent weltweite Mindestbesteuerung.
Erwähnenswert ist auch die Platform for Collaboration on Tax (PCT). Diese gemeinsame Initiative von Internationalem Währungsfonds, Weltbank, UN und OECD fördert Capacity-Building und Technische Zusammenarbeit.
Beanstandet wird aber, viele dieser Initiativen seien ungerecht, weil Entwicklungsländer nicht gleichberechtigt teilnähmen und entsprechend auch weniger Nutzen haben dürften. Es gibt Schätzungen, denen zufolge die unverteilten Steuereinnahmen des Zwei-Säulen-Abkommens einer Handvoll reicher Länder zugutekämen. Was Entwicklungsländer bekommen, wurde als ungewiss bewertet. Möglicherweise würden sie sogar draufzahlen.
Ähnliche Sorgen werden mit Blick auf das BEPS-Projekt geäußert. Tatsächlich wurden Entwicklungsländer anfänglich nicht einmal konsultiert. Obwohl es um missbräuchliche Steuerpraktiken von Multis geht, fordern die bestehenden internationalen Regeln nicht angemessen die Besteuerung an der Quelle, also typischerweise in den Entwicklungsländern, in denen die Wirtschaftstätigkeit stattfindet. Auch verhindern die aktuellen Regeln nicht, dass Eigentümer anonym bleiben – was illegitime Finanzflüsse offensichtlich begünstigt.
Fachleute, nichtstaatliche Steuergerechtigkeitsinitiativen und politische Entscheidungstragende aus Entwicklungsländern äußern deshalb die Sorge, die vorgeschlagenen Lösungen würden entwickelten Ländern mehr nutzen als Entwicklungsländern. Dass Verhandlungen nicht öffentlich sind, sondern stattdessen hinter geschlossenen Türen stattfinden, verstärkt das Unbehagen. Fachleute von der norwegischen Akademie für Internationales Recht (NAIL, 2022) urteilen jedenfalls, den OECD-Initiativen fehle der Inklusionscharakter, den die Teilnahme aller Nationen und die Rechenschaft ihnen gegenüber bringen würden.
Link
Norwegian Academy of International Law, 2022: A UN Tax Convention?
https://intlaw.no/wp-content/uploads/2022/09/REPORT-UN-tax-convention-FINAL-NAIL-sept-2022-WEB.pdf
Altayesh Taddese Terefe ist Volkswirtin und arbeitet für den International Tax Compact (ITC), den die GIZ implementiert. Sie äußert hier ihre persönliche Meinung.
altitad@gmail.com