Anpassung
Trotz Katastrophe kein Klimaschutz

Im Jahr 2022 war Pakistan das weltweit am stärksten von klimabedingtem Extremwetter betroffene Land. Das geht aus dem aktuellen Klima-Risiko-Index (CRI) hervor, den die deutsche zivilgesellschaftliche Organisation Germanwatch veröffentlicht hat. Für den Index wurden mehr als 170 Länder weltweit untersucht. Pakistan führt die Liste vor allem wegen seiner „außergewöhnlich hohen relativen wirtschaftlichen Verluste“ an. Germanwatch räumt jedoch ein, dass die wirtschaftlichen Verluste des Landes auch in absoluten Zahlen hoch waren – ebenso wie die Anzahl der betroffenen Menschen.
2022 gab es in Pakistan Überschwemmungen, Erdrutsche und Stürme, verursacht durch eine schwere Monsunzeit mit sintflutartigem Sturzregen. Die Überschwemmungen gelten als die schlimmsten in der Geschichte des Landes. Sie betrafen mehr als 33 Millionen Menschen, kosteten über 1700 Menschen das Leben und verursachten wirtschaftliche Schäden von fast 15 Milliarden Dollar, wie Germanwatch unter Berufung auf Daten des Centre for Research on the Epidemiology of Disasters berichtet. Nach den Überschwemmungen fehlte es an Trinkwasser, durch Wasser übertragene Krankheiten nahmen zu, es kam zu Malaria-Ausbrüchen und Hautinfektionen.
Laut Forschenden, die Extremwetterereignisse und Klimawandel miteinander in Verbindung bringen, zeigen die meisten Modelle und Beobachtungen, dass mit der Erwärmung Pakistans der intensive Regen stärker geworden ist. Einige Modelle legen demnach nahe, dass sich die maximale Niederschlagsstärke in den am stärksten betroffenen Provinzen Sindh und Belutschistan durch den Klimawandel um bis zu 50 % erhöht haben könnte. Dem pakistanischen Wetterdienst zufolge gab es 2022 den feuchtesten August seit 1961 – mit 243 % mehr Niederschlag als üblich.
Neben den verheerenden Regenfällen herrschte in Pakistan von März bis Mai 2022 auch große Hitze. In einigen Teilen des Landes stiegen die Temperaturen auf über 49 Grad Celsius. Die Hitzewelle „führte zu einer raschen Gletscherschmelze in Nordpakistan, was wahrscheinlich zu den Überschwemmungen beitrug“, sagt Sher Muhammad, Kryosphärenspezialist am International Centre for Integrated Mountain Development (ICIMOD). Forschenden zufolge hat der Klimawandel auch die Hitzewelle wahrscheinlicher gemacht.
Eigenverantwortung statt Schuldzuweisung an den Westen
Angesichts solch verheerender Extremwetterereignisse verweisen manche in Pakistan darauf, dass die Bevölkerung wenig zur Klimakrise beigetragen hat, aber enorm unter ihren Folgen leidet. Sie argumentieren, die westlichen Industrieländer und China hätten einen bedeutenden Anteil der weltweiten Klimaemissionen verursacht und seien somit für die durch die Erderwärmung verursachten Schäden verantwortlich – auch in Pakistan.
Faktisch ist das richtig. Einige Fachleute raten Entwicklungsländern wie Pakistan jedoch, bei der Bewältigung der Klimafolgen nicht zu viel Hilfe von reicheren Ländern zu erwarten. Einer von ihnen ist Tariq Banuri, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der University of Utah, USA, und Mitglied des Pakistan Climate Change Council. „Medien und politisch Verantwortliche nutzen diese Berichte gerne, um die Vulnerabilität des Landes zu beklagen und dem Westen die Schuld dafür zu geben, dass er nicht die dringend benötigte Hilfe für die Anpassung an den Klimawandel und zur Entschädigung für Schäden leistet. Diese Strategie war aber noch nie erfolgreich, und durch die jüngsten Ereignisse ist sie noch sinnloser geworden“, sagt er.
Banuri verweist darauf, dass es politisch in den vergangenen Jahren weltweit eine Verschiebung nach rechts, sogar weit nach rechts, gegeben hat – besonders in den westlichen Ländern. Das ging seiner Meinung nach mit weltpolitischen Veränderungen einher, inklusive des Abbaus des internationalen Hilfssystems und wachsendem Isolationismus. „Eigenständigkeit ist wieder zur besten Strategie für ärmere Länder geworden“, schlussfolgert er. „Die Auflösung von USAID ist als Höhepunkt einer langen Periode der Unzufriedenheit der Rechten mit den internationalen Verpflichtungen zu sehen. Auch einige weitere Geberländer haben die Absicht bekundet, ihre Hilfen zurückzufahren.“
Da die Klimakrise für lange Zeit eine Realität sein wird – unabhängig davon, wie die Weltgemeinschaft damit umgeht – sollten die armen Länder herausfinden, „wie sie mit dem Klimawandel leben und in einer vom Klimawandel geprägten Welt vorankommen können“, argumentiert Banuri.
Besser vorbereitet sein
Damit ein Land erfolgreich sein kann, muss es jedoch die schlimmsten Klimafolgen abwehren. Für Pakistan bedeutet das, eine bessere Vorbereitung auf Katastrophen sicherzustellen als 2022. „Es hätte weniger Schäden geben können, wenn der (nationale) Hochwasserschutzplan IV rechtzeitig entwickelt und umgesetzt worden wäre“, sagt Aisha Khan. Sie ist Geschäftsführerin der Civil Society Coalition for Climate Change (CSCCC), eines pakistanischen Zusammenschlusses von Organisationen, die sich für Klimaschutz einsetzen. Zugleich räumt sie ein, dass niemand perfekt auf etwas vorbereitet sein kann, „was nicht quantifizierbar ist und um zwei- bis dreihundert Prozent über den Prognosen liegt“.
Khan schlägt vor, dass Pakistan mehrere politische Maßnahmen umsetzen sollte, um sich besser an den Klimawandel anzupassen. Das Land habe zwar einen nationalen Anpassungsplan entwickelt, doch es fehle das Geld, um ihn umzusetzen, beklagt sie. „Da die Hauptverantwortung für die Anpassung bei den Provinzen liegt, ist es wichtig, eng mit den Provinzregierungen zusammenzuarbeiten und ihnen zu helfen, detaillierte Anpassungspläne für die Provinzen zu entwickeln“, sagt Khan.
Aisha Khan hält es zwar für eine „gute Verhandlungsstrategie“, zu untersuchen, inwiefern Verluste und Schäden durch den Klimawandel bedingt sind, Klimagerechtigkeit zu fordern und auf externe Gelder zu bauen. Aber sie betont auch, dass das die humanitäre Krise des Landes nicht direkt lösen wird. „Pakistan muss anfangen, die Strategien umzusetzen, die es für Wasser, Nahrungsmittel und Energie entwickelt hat“, sagt sie. Sie fordert die politisch Verantwortlichen zudem auf, etwas zu tun, um das derzeitige Bevölkerungswachstum zu verringern, Frauen zu stärken und den Zugang zu Dienstleistungen gerechter zu gestalten. „Die sozialen und ökonomischen Ungleichheiten in unserer Gesellschaft werden explodieren, wenn die Gefahren des Klimawandels das Überleben der Mehrheit bedrohen“, warnt sie.
Druck auf politisch Verantwortliche
Maßnahmen zum Klimaschutz wurden auch deshalb noch nicht effektiver umgesetzt, weil die Bevölkerung offenbar anderes für wichtiger hält. Aisha Khan kritisiert diese Haltung. „Das allgemeine Bewusstsein für den Klimawandel hat in den vergangenen zehn Jahren zwar zugenommen, allerdings machen die Massen in Pakistan den politisch Verantwortlichen nicht genug Druck, die existierenden Ansätze umzusetzen. Diese Diskrepanz liegt vor allem an einem geringen Interesse an Umweltthemen und einem großen Interesse an Politik, politischen Parteien und deren Rivalitätsagenden. Auch die Medien widmen dem Klima keine Hauptsendezeit, da das Thema die Zuschauerschaft kaum interessiert“, sagt sie.
Man könnte Menschen mehr für Klima- und Umweltthemen begeistern, indem man sie ansprechender präsentiere. „Engagement für Klimaschutz braucht natürlich eine Strategie, die die Menschen anspricht und nicht nur technische Daten und Informationen übermittelt“, sagt Khan.
Der Beginn der Monsunzeit 2025 ist eine deutliche Erinnerung an die pakistanische Führung, zügig Ressourcen für mehr Klimaschutz auf nationaler Ebene und in den Provinzen zu mobilisieren. Gefährdete Bevölkerungsgruppen sollten geschützt und die Infrastruktur gegen Klimafolgen gerüstet werden. Selbst wenn Pakistan Katastrophen wie die von 2022 nicht verhindern kann, müssen die politisch Verantwortlichen zumindest dafür sorgen, den Schaden zu minimieren.
Links
Germanwatch: Climate Risk Index 2025.
https://www.germanwatch.org/de/cri
World Weather Attribution, 2022: Climate change likely increased extreme monsoon rainfall, flooding highly vulnerable communities in Pakistan.
https://www.worldweatherattribution.org/climate-change-likely-increased-extreme-monsoon-rainfall-flooding-highly-vulnerable-communities-in-pakistan/
Syed Muhammad Abubakar ist Umweltjournalist in Pakistan. Er promoviert derzeit in Kommunikation an der George Mason University, USA.
s.m.abubakar@hotmail.com
X: SyedMAbubakar
Dieser Beitrag ist Teil des „89 Percent Project“, einer Initiative der globalen Journalismus-Kooperation „Covering Climate Now“.