Nothilfe

Menschenleben retten

Hungersnot in Ostafrika? Nicht schon wieder! So oder ähnlich mag denken, wer sich Berichterstattung und Spendenaufkommen in der westlichen Welt für Katastrophen in Afrika anschaut.
Wenn ihre Tiere sterben, verlieren die Menschen die Hoffnung: Bulle an der somalisch-äthiopischen Grenze im März 2017. picture-alliance/zuma-press Wenn ihre Tiere sterben, verlieren die Menschen die Hoffnung: Bulle an der somalisch-äthiopischen Grenze im März 2017.

Leider hat es in der Tat schon viele Hungerkatastrophen gegeben. Wahr ist aber auch, dass jahrzehntelange Bürgerkriege und schlechte Regierungsführung Folgen haben. Am Ende leiden und sterben vor allem Kinder, Frauen und Alte – die Schwächsten der Gesellschaft. Sie verdienen Hilfe.

Manche halten Klimawandel für eine politische Erfindung, andere erkennen seine lebensbedrohende Realität. Ostafrika war 2015 und 2016 Dürren und Hochwassern ausgesetzt, und Anfang 2017 ging es gleich mit dem Ausfall der Regenzeit weiter. Das hat mit dem Wechsel von El Niño und La Niña zu tun – aber die Ausschläge werden stärker. 

Ausbleibender Regen bedeutet ­Wassermangel und kahle Felder. Flüsse trocknen aus, Quellen versiegen. Pastoralisten (Wanderhirten) finden keine Weideflächen. Tierkadaver säumen Straßen­ränder, was ein Anzeichen für eine drohende Hungersnot ist.

Herden sind in Ostafrika Erwerbsgrundlagen und Vermögensanlagen. Sterben die Tiere, verlassen viele Menschen ihre Heimat. Hunderttausende sind in Ostafrika aktuell auf der Flucht vor dem Hungertod. Sie verstärken eine regionale Migrationskrise, die Europäer kaum wahrnehmen.

In Ost- und Zentralafrika wollen Menschen Dürre, Hunger, Terror und Bürgerkriegen entkommen. Mangel und Gewalt sind dabei eng verknüpft, denn Konflikte um knappe Ressourcen nehmen zu. Abwanderung gibt es im Sudan, dem Südsudan, der Zentralafrikanischen Republik, der Demokratischen Republik Kongo, in Uganda, Somalia, Burundi, Eritrea, Äthiopien, Kenia und jenseits des Roten Meeres im Jemen.

Nur wenige Flüchtlinge kommen nach Europa. Die meisten bleiben in der Region. Obwohl Äthiopien nicht so reich ist wie europäische Länder, sind seine Grenzen offen. Derzeit kommen UN-Daten zufolge rund 900 Menschen pro Tag nach Äthiopien und sogar rund 3000 nach Uganda.

In Äthiopien benötigen laut dem kirchlichen Bündnis ACT Alliance aktuell 5,6 Millionen Menschen Lebensmittel­hilfe. 9,1 Millionen haben keinen Zugang zu ­sicherem Trinkwasser. 1,9 Millionen Familien brauchen Hilfe, damit ihre Tiere überleben, und 500 000 sind auf neues Saatgut angewiesen.

In Somalia brauchen derzeit 6,2 Millionen Menschen – rund die Hälfte der Bevölkerung – Nahrungsmittelhilfe. Geschwächte Körper sind für Infektionen anfällig, und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass mehr als 5 Millionen Somalier in akuter Gefahr schweben, an Cholera zu erkranken.

In Kenia sind derzeit 2,7 Millionen von Dürre und Hunger betroffen. Am schlimmsten ist die Lage laut UN-Amt für die Koordinierung Humanitärer Angelegenheiten (OCHA – Office for the Coordination of Humanitarian Affairs) im Grenzgebiet zu Äthiopien und Somalia.

Hilfe ist möglich. Zunächst werden dringend Spendengelder benötigt. Es geht um nichts Geringeres als darum, Leben zu retten. Im ersten Halbjahr 2017 werden laut OCHA allein für Äthiopien, Kenia und Somalia 2 Milliarden Dollar gebraucht. Aber auch die Not in anderen Ländern ist wichtig. Für insgesamt 23,4 Millionen betroffener Ostafrikaner werden über 6,7 Milliarden Dollar benötigt. Nur die Hälfte davon steht bislang zur Verfügung.

In den vergangenen Jahren beliefen sich die Spenden nur auf etwa ein Drittel des Bedarfs. Entsprechend limitiert waren die Möglichkeiten der Hilfsorganisationen.

Hungersnöte kündigen sich langsam an und sind abwendbar, wenn rechtzeitig gehandelt wird. Wasser und Nahrungsmittel müssen bereitgestellt werden. Krankheiten müssen verhindert werden. Saatgut muss vorgehalten und verteilt werden, damit die Felder im richtigen Moment wieder bestellt werden können. Die logistischen Probleme sind groß, aber zu meistern.

Ein Nachhaltigkeits-Entwicklungsziel der UN ist, bis 2030 den Hunger auszurotten. Dieses Ziel ist erreichbar – erfordert aber entschlossenes Handeln. Ein altes Zitat von Franklin D. Roosevelt ist unvermindert aktuell: „Der Test unseres Fortschritts ist es, nicht noch mehr zum Überfluss  derjenigen hinzuzufügen, die zu viel haben, sondern ob es uns gelingt genug für diejenigen bereitzustellen, die zu wenig haben.“


Christoph Schneider-Yattara leitet in Addis Abeba das Horn-von-Afrika-Büro von Brot für die Welt
csyattara@bregional.org