Flussblindheit

Winzige, gefährliche Würmer

Onchozerkose, umgangssprachlich Flussblindheit genannt, wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als vernachlässigte Tropenkrankheit (NTD) eingestuft. Fast alle Betroffenen leben in Subsahara-Afrika. Neben Medikamenten ist eine sensibilisierte Bevölkerung im Kampf gegen die Krankheit entscheidend.
Kommunale Gesundheitsfachleute in der DR Kongo müssen Medikamente in entlegene Gebiete bringen. CBM Kommunale Gesundheitsfachleute in der DR Kongo müssen Medikamente in entlegene Gebiete bringen.

Onchozerkose wird durch eine Parasiteninfektion verursacht, die sich durch Stiche der Kriebelmücke überträgt. Gefährdet sind vor allem Menschen in der Nähe schnell fließender Gewässer, an denen die Mücken brüten.

Bei den Parasiten handelt es sich um Spulwürmer namens Onchocerca volvulus. Nach dem Stich siedeln sie sich unter der Haut an, überleben dort teilweise jahrelang und legen winzige Larven ab, die sich im Körper ausbreiten. Sterben diese ab, verursachen sie starken Juckreiz, verfärben die Haut fleckenhaft – und können blind machen.

Die Beseitigung von Onchozerkose als NTD hat für die WHO hohe Priorität. Nach ihren Angaben leiden mindestens 244 Millionen Menschen in 30 Ländern an der Krankheit. Davon leben 99 Prozent in Subsahara-Afrika, der Rest zwischen Brasilien und Venezuela.

Flussblindheit wird durch präventive Chemotherapie mit dem Medikament Ivermectin behandelt. Wichtig ist, Menschen gemeindebasiert zu behandeln. Dabei organisieren Gemeinden ein- bis zweimal im Jahr Massenverabreichungen von Ivermectin.

Durch das Mectizan-Spendenprogramm können Organisationen wie die Christoffel-Blindenmission (CBM) die Tabletten verteilen. Ihre Herstellung kostet im Schnitt einen Dollar. Die durchschnittlich 2,8 Tabletten, die pro Person und Jahr benötigt werden, werden auf einmal eingenommen. Obwohl das Medikament unreife Parasiten abtötet, ist eine Langzeitbehandlung erforderlich, da bereits reife Parasiten bis zu 15 Jahre lang leben können.

Larvengift als Strategie

In der Medizin werden Überträger von Infektionskrankheiten als Vektoren bezeichnet. Bei Flussblindheit sind Kriebelmücken die Vektoren. Die Vektorkontrolle hat bei der Bekämpfung von Onchozerkose in Afrika eine wichtige Rolle gespielt. 1946 wurde in Kenia erstmals Larvengift eingesetzt, um Kriebelmücken zu eliminieren und die Übertragung der Spulwürmer zu verhindern. In Kenia ist der Parasit nun ausgerottet. Kurz darauf wurde die erste internationale Initiative zur Bekämpfung der Krankheit in Afrika angestoßen: das Onchocerciasis Control Programme (OCP) in Westafrika. Ziel war, Onchozerkose in elf westafrikanischen Ländern durch Vektorkontrolle zu eliminieren.

Dazu werden Larvizide vor allem in Flüsse gesprüht, um Kriebelmückenlarven abzutöten. Das ist wirksam, aber nicht unproblematisch: Das Gift ist teuer, erfordert eine fachgerechte Anwendung und kann die Umwelt schädigen. Trotz des Erfolgs des OCP in Westafrika geht der Kampf gegen Onchozerkose in anderen Teilen des Kontinents weiter.

Die Situation in der DR Kongo

Die Demokratische Republik Kongo (DR Kongo) ist besonders von Flussblindheit betroffen. Schätzungen zufolge waren 2022 mehr als 54 Millionen Menschen gefährdet. Nirgendwo leben mehr Behandlungsbedürftige.

Onchozerkose ist im Kongobecken seit 1903 bekannt. Der französische Parasitologe Émile Brumpt entdeckte dort die ersten Fälle. Doch erst 1992 wurde das nationale Onchozerkose-Kontrollprogramm ins Leben gerufen, um Strategien zur Beseitigung der Krankheit zu entwickeln. Die DR Kongo arbeitet dabei mit Organisationen wie The End Fund (mit CBM als Umsetzungspartner), der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), dem African Programme for Onchocerciasis Control (APOC), Sightsavers und der United Front Against River Blindness (UFAR) zusammen. Obwohl Fortschritte erzielt wurden, ist die Fallzahl heute höher als 1992. Eine Erklärung ist, dass zu Beginn der Studien zu wenige Daten vorlagen.

2016 führte die Regierung der DR Kongo das Nationale Programm zur Bekämpfung vernachlässigter Tropenkrankheiten mit präventiver Chemotherapie ein. Nach und nach wurde in allen Gesundheitsbezirken (Gebiete, die im Gesundheitswesen zur gezielten Intervention eingeteilt sind), in denen Onchozerkose und lymphatische Filariose endemisch sind, mit der Behandlung begonnen. Lymphatische Filariose, bekannt als Elefantiasis, wird auch durch Parasiten ausgelöst, befällt das Lymphsystem und kann zu abnormalen Vergrößerungen von Körperteilen führen.

Aktuellen Zahlen zufolge ist Flussblindheit in 472 der 519 Gesundheitsbezirke der DR Kongo endemisch. Davon erhalten 271 eine Ivermectin-Behandlung. 175 müssen noch kartiert werden, um für die Behandlung zugelassen zu werden.

Die Situation in Nigeria

Mit mehr als 43 Millionen Behandlungsbedürftigen befinden sich fast 20 Prozent der weltweiten Onchozerkose-Fälle in Nigeria. Die Behandlung begann hier 1989 mit klinischen Versuchen mit Ivermectin, wurde 1991 ausgeweitet und erreichte 2000 vollständige Abdeckung. 2010 wurde das Programm auch hier mit der Bekämpfung der lymphatischen Filariose zusammengelegt, um Reichweite und Wirksamkeit zu erhöhen.

Die WHO hat Leitlinien zur Unterstützung der Länder bei der Onchozerkose-Eliminierung aufgestellt. Teil dessen sind auch Komitees (Onchocerciasis Elimination Committees – OECs), die bei der Strategieentwicklung helfen. Das nigerianische OEC wurde 2015 mit dem Ziel gegründet, die Krankheit bis 2025 auszurotten. Die Fortschritte der einzelnen Bundesstaaten werden fortlaufend bewertet und Strategien bei Bedarf angepasst. 2022 wurden mehr als 25 Millionen Menschen behandelt.

Zivilgesellschaftliche Organisationen sind im Kampf gegen die Tropenkrankheit ebenfalls wichtig. Eine der aktivsten Organisationen ist die CBM, die unter anderem die Regierungen in Nigeria und in der DR Kongo unterstützt. Die CBM stellt Ressourcen, Fachwissen und Kenntnisse bereit, um Programme wirksam umzusetzen.

Ziel ist es, dass in Nigeria bis 2030 keine weiteren Fälle mehr auftreten und gleichzeitig 80 Prozent weniger Medikamente verabreicht werden müssen. Während im Norden und Südosten des Landes große Fortschritte erzielt wurden, bleibt die Ausrottung im Süden schwierig. In ganz Afrika haben Mitarbeiter*innen der CBM-Partnerprojekte im Rahmen der Behandlung von Flussblindheit bis 2023 über 37 Millionen Menschen erreicht.

Die Fortschritte im Kampf gegen Onchozerkose in Nigeria und der DR Kongo bestätigen die gemeinsame Arbeit von Regierungen, Geberländern, Zivilgesellschaft und Gemeinden. Das Ziel ist jedoch noch nicht erreicht. Es bedarf weiterer Anstrengungen, um Onchozerkose weltweit zu beseitigen.

Enan Adamani ist NTD-Projektleiter für das Projekt Accelerating Onchocerciasis and Lymphatic Filariasis Elimination in Nigeria (AOLFEIN) bei der CBM.
enan.adamani@cbm.org 

Michel Mandro-Ndahura ist NTD-Programmmanager der CBM für Westafrika. 
michel.mandro-ndahura@cbm.org 

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