Blind in Benin

In Benin kämpfen blinde Menschen um ihren Lebensunterhalt

In Benin bedeutet Erblindung ein Leben am Rande der Gesellschaft. Blinde Menschen werden gemieden, manchmal sogar von ihren eigenen Familien. Einige sehende Menschen betrachten angeborene Blindheit als göttlichen Fluch. Es ist höchste Zeit, die Stigmatisierung zu überwinden und sehbehinderten Menschen frühzeitig und wirksam zu helfen.
Die Flussblindheit macht Betroffene abhängig von der Unterstützung anderer: sehbehinderter Mann in der Elfenbeinküste. MARK EDWARDS / Lineair Die Flussblindheit macht Betroffene abhängig von der Unterstützung anderer: sehbehinderter Mann in der Elfenbeinküste.

Um die Not blinder Menschen in Benin zu verstehen, muss man nur freitags um die Mittagszeit die Hauptstraße des überfüllten Viertels Zongo in der Metropole Cotonou entlanggehen. Dann strömen die Muslime zum wöchentlichen Gebet in die Moschee. In ihrem Schlepptau befinden sich zahlreiche blinde Menschen, die betteln. Voller Verzweiflung scharen sie sich um die wenigen Personen, die wirken, als könnten sie helfen.

Eine Sehbehinderung in Benin bedeutet Hilflosigkeit. Da es keine systematische Unterstützung durch die Regierung gibt, sind Betroffene für fast alles auf andere angewiesen: Nahrung, Unterkunft, Medikamente und Hilfe bei alltäglichen Tätigkeiten wie Essen, Anziehen, Duschen und dem Gang zur Toilette.

Die Vorurteile beginnen schon früh im Leben. „Viele Eltern sehen ein behindertes Kind als Last an“, sagt Alexis Boton, Leiter des Zentrums zur sozialen Förderung blinder Menschen in Parakou, etwa 400 Kilometer nördlich von Cotonou. „Oft sind sie nicht daran interessiert, ihrem Nachwuchs zu helfen.“

Vermeidbares Elend

Ein Großteil des Elends könnte durch frühzeitige Erkennung und Behandlung einer beginnenden Erblindung verhindert werden. Laut einer Studie der Universität Parakou in Benin aus dem Jahr 2018 waren mehr als 40 Prozent der untersuchten sehbehinderten Patienten aufgrund von vermeidbaren Ursachen erblindet. „Die Prävalenz vermeidbarer Ursachen ist hoch“, so die Wissenschaftler um Salimatou Monteiro. Es brauche einen besseren Zugang zu einer qualitativ hochwertigen Augenversorgung, um die Vorbeugung und Diagnose vermeidbarer Augenkrankheiten zu verbessern. Die Studie wurde im Journal of Clinical Research and Ophthalmology veröffentlicht.

Die Hauptursachen für Sehbehinderungen in Benin sind der altersbedingte Graue Star und das Glaukom. Weitere Ursachen sind Refraktionsfehler und Störungen der Makula, eines wichtigen Bereichs in der Mitte der Netzhaut.

Der Schweregrad der Behinderung variiert je nach Alter, Einkommen und geografischer Lage. Menschen in abgelegenen, flussnahen Dörfern fallen immer wieder der Flussblindheit zum Opfer. Diese Tropenkrankheit wird durch Kriebelmücken übertragen, die in schnell fließenden Gewässern brüten. Wenn die Infektion früh genug erkannt wird, stehen die Chancen auf Heilung gut. Leider suchen viele erst dann Hilfe, wenn es zu spät ist.

Andere Gründe für Erblindung in Benin hängen mit dem Einkommen zusammen. Dazu gehören eine schlechte Ernährung, mangelnde Hygiene, unbehandelter Bluthochdruck und Diabetes. Viele Menschen haben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. Diese Faktoren beschleunigen die Ausbreitung der „Krankheiten der Armen“ (siehe Sheila Mysorekars Aufsatz von 2016 auf www.dandc.eu). Diese Zusammenhänge sind nicht nur in Benin zu beobachten, sondern in vielen afrikanischen Ländern (siehe Maxwell Suuk auf www.dandc.eu). 

Trotz begrenzter Haushaltsmittel könnten und sollten die staatlichen Stellen mehr tun, um sehbehinderte Menschen zu unterstützen, meint Pater André Kpadonou. Der blinde katholische Priester lebt in Zagnanado, 165 Kilometer von Cotonou entfernt. Kpadonou verlor sein Augenlicht, nachdem er Priester geworden war, hat aber nie seine Mission aufgegeben, bedürftige Menschen zu unterstützen. Seiner Meinung nach sollten sich auch nichtstaatliche Akteure engagieren.

Pater Kpadonou veröffentlicht regelmäßig Artikel und Bücher und versucht, die Regierung, zivilgesellschaftliche Organisationen und die ganze Gesellschaft für die Notlage blinder Menschen zu sensibilisieren. Er beherrscht die Brailleschrift und nutzt digitale Hilfsmittel. Kpadonou lässt keine Gelegenheit aus, um zu kommunizieren. „Ich bin zwar blind“, sagt er, „aber mein Mund und meine Ohren funktionieren perfekt.“

Kpadonou fordert die Regierung auf, trotz begrenzter Finanzmittel konkrete Hilfsmaßnahmen zu ergreifen. Er verlangt, sie solle blinden Menschen eine Unterkunft zur Verfügung stellen, damit diese nicht auf der Straße leben müssen. Auch besteht er darauf, dass sie weiße Gehstöcke erhalten, damit sie sich besser fortbewegen können und von anderen als sehbehindert erkannt werden. Und er fordert, rücksichtslose Auto- und Mopedfahrer zur Rechenschaft zu ziehen, wenn sie blinde Fußgänger verletzen. Da es keine ausgewiesenen Straßenübergänge gibt, werden viele sehbehinderte Menschen beim Versuch, eine Straße zu überqueren, von Fahrzeugen erfasst.

Konkrete Ergebnisse

Ein weiteres Anliegen von Pater Kpadonou: Zivilgesellschaftliche Organisationen und religiöse Einrichtungen sollen Schulungen anbieten und blinden Menschen helfen, Arbeit zu finden. Zwei kirchliche Organisationen gehen seiner Meinung nach mit gutem Beispiel voran: das Siloé-Zentrum in dem Ort Djanglanmè und das Pater-Paul-Rival-Zentrum in Adjohoun im Süden Benins. Sie stellen kostenlos Lebensmittel, Hygienemaßnahmen und Schulungen zur Verfügung.

Diese Art von Arbeit zeigt greifbare Ergebnisse: Ein Orden rettete ein junges Mädchen, das blind geboren und von ihrer Familie verstoßen worden war, und gab ihr Unterkunft, Nahrung und eine Ausbildung. Sie wurde schließlich Nonne bei den „Soeurs Servantes de la Lumière du Christ“ (Schwestern im Dienste des Lichts Christi).

Letztlich können religiöse Organisationen aber nur wenigen helfen. Um das Leben der vielen sehbehinderten Menschen in Benin zu verbessern, bedarf es offizieller Unterstützung der Regierung und weiterer Organisationen. Gäbe es systematische medizinische Untersuchungen und eine angemessene Gesundheitsversorgung sowie Berufsausbildung und Unterstützung im Alltag, könnten die sehbehinderten Menschen ein weitaus besseres Leben führen, als sie es heute tun.


Link
Monteiro, S., et al., 2018: Causes of avoidable blindness in Parakou. Journal of Clinical Research and Ophthalmology.
https://www.peertechzpublications.com/articles/JCRO-5-152.php

Karim Okanla ist Medienwissenschaftler und freiberuflicher Autor in Benin.
karimokanla@yahoo.com