Kommentar

Im Schneckentempo

Für viele Simbabwer sind Wahlen etwas Traumatisches. Niemand weiß, wann die nächsten stattfinden. Bald kann es soweit sein.

Von Mufudzi Moyo

2008 erlebte Simbabwe im Zuge von Wahlen schreckliche Gewalt. Am Ende musste Oppositionskandidat Morgan Tsvangirai aus der Präsidentschaftswahl aussteigen, obwohl er die meisten Stimmen im ersten Wahlgang erhalten hatte und seine Partei Movement for Democratic Change (MDC) zuvor in Parlamentswahlen gesiegt hatte. Robert Mugabe, der autoritäre Präsident, blieb im Amt. Unter dem Druck der regionalen Staatengemeinschaft Southern African Development Community (SADC) handelten die beiden Politiker eine große Koalition aus und Tsvangirai wurde Premierminister. Seitdem bleibt vieles in einer ungemütlichen Schwebe.

Das Land braucht offensichtlich umfassende Reformen, um künftig politische Gewalt zu vermeiden. Dringend sind:
– die Verabschiedung einer neuen Verfassung,
– die Prüfung des Wählerverzeichnisses,
– das Ende der Hassrhetorik,
– Medienreform sowie
– die Entpolitisierung der Sicherheits­kräfte, der Justiz und anderer staatlicher Institutionen.
Behörden unterstützen vielfach seit langem Mugabe und seine Clique.

An manchen Reformen wird gearbeitet, wenn auch nur im Schneckentempo. Es gibt immer wieder Anlass zu Kritik. Ein Verfassungsentwurf liegt nach drei Jahren Zank seit Ende Juli vor. Er wird nun in einer öffentlichen Konferenz diskutiert werden und anschließend zum Gegenstand einer Volksabstimmung.

Etliche Zeitungen wurden neu oder wieder zugelassen, aber Tsvangirai und seine Partei bleiben unzufrieden. Die staatlichen Medien verteufeln die MDC auf gehässige Weise, stellen aber Mugabe und dessen Partei Zanu PF in einem guten Licht dar. Neue Lizenzen wurden an Sender vergeben, die mit Mugabe verbunden sind. Einer strahlt bereits sein Programm aus und äfft die Mugabe-Hochburg Zimbabwe Broadcasting Corporation nach.

Laut Fachleuten enthält das Wählerverzeichnis noch immer Namen von Kindern und Verstorbenen. Manche Militärkommandeure äußern weiter Sympathien für die Partei des Präsidenten und schüren so die Sorge, dass der Sicherheitssektor parteiisch geblieben ist. Es gibt weiterhin – wenn auch weniger oft – Berichte über politisch motivierte Gewalt. Die MDC befürchtet, das werde zunehmen, wenn die nächsten Wahlen anstehen, wenn die nötigen Reformen nicht zuvor durchgesetzt werden. Die SADC besteht darauf, dass dies zunächst geschehen müsse. Tsvangirai sieht das selbstverständlich ebenfalls so.

Dagegen forderten Mugabe und andere Zanu-PF-Funktionäre landesweite Neuwahlen in diesem Jahr, weil die Koalitionsregierung gescheitert sei. Allerdings hat das Kabinett keinen Wahltermin beschlossen und argumentiert, das Land habe das Geld dafür nicht.

Niemand weiß mit Sicherheit, was kommt – und wann. Im Juli hat der Oberste Gerichtshof den Präsidenten angewiesen, bis zum 30. August Termine für Nachwahlen in drei Bezirken bekanntzugeben. Momentan sind 38 Parlamentssitze und etwa 200 kommunale Mandate unbesetzt. Das liegt hauptsächlich an Todesfällen seit 2008.

Einige Zanu-PF-Funktionäre befürworten nun „kleine landesweite Wahlen“, bei denen alle derzeit freien Sitze neu besetzt würden. Für die Partei des Präsidenten wäre das ein Testlauf für Neuwahlen, die im März stattfinden könnten. Andere Zanu-PF-Spitzenleute meinen, die Gerichtsentscheidung solle für sofortige Neuwahlen genutzt werden.

Es ist unmöglich zu sagen, ob die Justiz noch immer auf Mugabes Seite steht. Viele waren überrascht, dass der Gerichtshof gegen ihn entschieden hat. Eine staatliche Zeitung schrieb aber, hier habe die Zanu PF sich selbst besiegt, denn die Partei forderte ja seit langem Neuwahlen.

Als mein Kommentar für die Septemberausgabe der E+Z fertiggestellt wurde, lag der Ball in Mugabes Spielhälfte. Das Urteil zwang ihn nur, bis zum 30. August Termine zu benennen, gab ihm aber keinen Zeitplan vor.

Kürzlich beschloss das Parlament auf Basis einer zwischenparteilichen Absprache eine Änderung des Wahlrechts. Das Ziel sind faire und gerechte Wahlen. Unter anderem muss das Ergebnis der Präsidentschaftswahl nun nach fünf Tagen bekanntgegeben werden. 2008 hatte das fast einen Monat gedauert. Das Gesetz ist stimmig – aber wird es auch befolgt werden?

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