Kompostierung

Müllpartnerschaft mit großer Wirkung

Das tansanische Moshi und das deutsche Tübingen verbindet neben einer Städte- auch eine Klimapartnerschaft durch die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) von Engagement Global. Gemeinsam bauten die Gemeinden eine Kompostierungsanlage in Moshi, die in ganz Tansania bekannt ist.
David Kimaro führt die Tübinger Delegation rund um Oberbürgermeister Boris Palmer über die Kompostierungsanlage. Stephan Klingebiel David Kimaro führt die Tübinger Delegation rund um Oberbürgermeister Boris Palmer über die Kompostierungsanlage.

Wann hat Ihr gemeinsames Projekt begonnen?
Stephan Klingebiel: Offizieller Projektstart war 2018, das Ende 2020, aber wir betreuen die Anlage nach wie vor weiter. Wir sind im Rahmen der kommunalen Klimapartnerschaften der SKEW verbunden. Zuerst gab es die Idee, eine Biogasanlage zu bauen, weil schnell klar war, dass ein Projekt in Bezug auf Müll und Recycling umgesetzt werden soll. Moshi hat wie viele Gemeinden ein Müllproblem. Das Vorhaben erwies sich aber als zu komplex. Nach wechselseitigen Besuchen 2017 haben wir dann gemeinsam beschlossen, eine Kompostierungsanlage zu bauen. Das Projekt konnten wir über einen Kleinprojektefonds der SKEW finanzieren. Städtepartner sind wir schon seit 2014.

Wie genau funktioniert die Kompostierungsanlage?
Klingebiel: Wir haben anfangs eine Person bezahlt, die auf zwei Märkten Moshis die Trennung des Bioabfalls vom restlichen Müll beaufsichtigte. Heute benötigen wir das nicht mehr – die Marktverkäufer*innen wissen, wie man trennt. Der Biomüll wird auf einer Betonfläche abgeladen und Buschwerk als Strukturmaterial untergemischt. Wir haben im Rahmen des Projekts gemeinsam drei Maschinen angeschafft, einmal den sogenannten Kompostumsetzer, der organischen Abfall und Strukturmaterial zerkleinert und mischt. Das Material wird im natürlichen Prozess der Hygienisierung dann bis zu 60 Grad heiß. Dadurch sind keine Keime enthalten, wenn man es verkauft.  Dann wird ein mechanischer Wender eingesetzt, gewässert und nach 12 Wochen mit einer Siebtrommelmaschine gesiebt.

David Kimaro: Die Anlage befindet sich circa 18 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Pro Woche kommen zwölf bis 15 Tonnen Kompost zustande. Im Verlauf schichten wir den Kompost dann immer wieder um, bewässern ihn und kontrollieren vor allem seine Temperatur. Der Prozess kann bis zu zwölf Wochen dauern. Es handelt sich nur um organischen Abfall, wir arbeiten nicht mit Chemikalien. Organische Rückstände nach dem Sieben verwenden wir im nächsten Prozess weiter. Der fertige Kompost wird schließlich verpackt und hauptsächlich an kleinbäuerliche Betriebe in der Region verkauft. Wir haben auch Anfragen von internationalen Betrieben, deren Großaufträge wir aber nicht immer stemmen können. Die Nachfrage ist sehr hoch.

Wie läuft Ihre Müllpartnerschaft ab: Wer hat welche Rolle in der Projektentwicklung?
Viane Kombe: Wir arbeiten schon seit 2010 mit der SKEW. Wir waren Teil der Pilotphase des Projektes „50 Kommunale Klimapartnerschaften bis 2015“. Die Rolle der deutschen Partner ist hier seit Beginn Kapazitätsaufbau und Wissensaustausch zur Emissionsreduktion sowie die Gewährleistung von technischer und finanzieller Unterstützung.

Klingebiel: Mein direkter Ansprechpartner in Moshi, der für internationale Beziehungen der Gemeinde zuständig ist, kümmert sich um die Koordination der gemeinsamen Ideen und Projekte. Was die Kompostierungsanlage betrifft, unterstützen wir aus Tübingen natürlich weiterhin, wo es notwendig ist, aber Moshi betreibt die Anlage jetzt allein und ist auch für die Erhaltungskosten verantwortlich, die mittlerweile aus dem Kompostverkauf gedeckt werden können. Aufgebaut wurde die Anlage übrigens auch von der Gemeinde Moshi, wir hatten nur einmal zu Beginn einen deutschen Ingenieur vor Ort, der ein Training abgehalten hat. Kompostierung ist in Tansania nicht sehr verbreitet, es gibt nur eine andere Anlage in Daressalam.

Was sind die wichtigsten Erfolge des Projekts?
Kombe: Für uns ist es wichtig, dass wir nun selbst als Gemeinde einen Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Das Projekt hat national und auch international viel Aufmerksamkeit erhalten, wir hatten sogar  bereits drei Minister zu Besuch. Wir hoffen nun, dass es Nachahmer findet, und glauben, Moshi kann hier eine Vorbildfunktion erfüllen.

Klingebiel: Wir sind über die generelle und auch mediale Aufmerksamkeit, die die Anlage in Tansania erhalten hat, ebenfalls sehr glücklich. Darüber hinaus hat es auch die Städtepartnerschaft gestärkt – es war das erste Projekt in dieser Größenordnung und hat sehr gut funktioniert. Wir sind auch stolz, dass die Anlage drei Jahre nach offiziellem Projektende noch ohne Probleme funktioniert, konstant weiterbetrieben wird und für Moshi einen großen Nutzen hat.

Was waren die größten Hindernisse?
Kombe: Am Anfang war bei den Leuten, die auf dem Markt arbeiten, kein Bewusstsein für den Wert der Abfälle da. Der Sinn des Projekts erschloss sich daher für einige Bürger*innen nicht direkt, aber nach Projektbeginn und einigen Gesprächen änderte sich das rasch, und die Anlage wird nun sehr gut angenommen. Es gibt allerdings durchaus schon immer einige Menschen, die Abfallprodukte sammeln und sie als Tierfutter oder Felddünger verkaufen.

Klingebiel: Genau diesen Menschen, die im informellen Sektor vom Müllsammeln leben, wollten wir natürlich nicht ihre Arbeit wegnehmen. Zu Beginn war uns nicht ganz klar, dass durch sie bereits ein recht großer Anteil an organischem Müll abtransportiert wird, und wir haben mit mehr Müll kalkuliert. Wir hoffen nun, in Zukunft noch mehr Müll etwa von anderen Märkten kompostieren zu können, um die Kapazitäten der Anlage voll auszuschöpfen, aber gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die informellen Müllsammler*innen weiter ihrer Arbeit nachgehen können und sie durch uns nicht ihre Lebensgrundlage verlieren.

Was waren die wichtigsten Erkenntnisse und Lehren?
Klingebiel: Dass gute Vorbereitung und Zusammenarbeit sehr wichtig sind. Solche Projekte funktionieren nur, wenn sie wirklich gebraucht werden. Aus dem anfänglich angedachten Biogas-Projekt wurde nichts, weil die Partner in Moshi den Sinn darin eigentlich nicht wirklich sahen. Die meisten armen Gemeinden sagen natürlich nicht Nein, wenn reiche Städte mit Projektvorschlägen auf sie zukommen, aber wenn man vor Ort ganz genau zuhört, findet man heraus, was wirklich benötigt wird.

Kombe: Wir haben gerade durch SKEW gelernt, selbstbewusst und unabhängig Projekte durch- und weiterzuführen, solange sie in die Organisationsstrukturen unserer Gemeinde passen.

Wie hat das Projekt zu Nachhaltigkeit und Umweltschutz in Moshi beigetragen?
Kimaro: Wir haben bereits 250 Tonnen Kompost produziert. So verhindern wir, dass der organische Abfall im Boden oder Grundwasser Schäden anrichtet und Methan entsteht – das Gas ist sehr viel umweltschädlicher als CO2. Und lokale Landwirte profitieren wiederum von dem Kompost.

Klingebiel: Müll wird in Moshi auf einer Müllhalde abgeladen, die nicht abgedämmt ist. Das heißt, der Müll gelangt in die nahen Flüsse. Diese Müllkippe ist sehr teuer – sie wird von der Weltbank finanziert, aber die Kosten müssen wieder zurückerstattet werden. Die Halde ist nach ungefähr fünf Jahren voll, das heißt, eigentlich müsste alle fünf Jahre eine neue teure Müllkippe gebaut werden. Die Alternative ist, den Müll in der Landschaft abzuladen. Durch unsere Kompostierungsanlage werden die Halden nun nicht mehr so schnell voll, da wir ja einen beträchtlichen Anteil an Müll herausnehmen und recyceln.

Was würden Sie anderen Städten und Kommunen empfehlen, die ähnliche Projekte umsetzen wollen?
Klingebiel: Für uns war wichtig, uns zunächst vor Ort ein Bild machen zu können, daher haben wir bei der SKEW zunächst ein Kleinprojekt von 10 000 Euro beantragt, um die wechselseitigen Reisen für Expert*innen und Gemeindevertreter*innen finanzieren zu können. Diese Vorbereitungsphase ist sehr wichtig. Auch müssen alle Bereiche und Schritte genau angeschaut werden – so wurde zum Beispiel klar, dass wir auf den Märkten fortlaufend Workshops halten müssen, um auch neue Händler*innen miteinzubeziehen.

Kombe: Es ist wichtig, ein Bewusstsein für das Projekt in der Bevölkerung oder Zielgruppe zu schaffen. Außerdem ist gerade für das Herstellen von Kompost die Wahl des richtigen Ortes entscheidend, andernfalls hat man zum Beispiel in der Nebensaison keinen Ertrag, wenn auf einem bestimmten Markt hauptsächlich gewisse Früchte verkauft werden. Auch, dass die Anlage neben der Mülldeponie gebaut werden konnte, hat viele Vorteile, da wir so zum Beispiel die Waage und Frontlader der Deponie mitnutzen können.

Welche Pläne gibt es für die Zukunft?
Kombe: Was die Kompostierungsanlage angeht, würden wir gerne mehr Rohmaterial erschließen, um die Kapazität voll auszunutzen. Wir sind hier bereits im Gespräch mit einer Nachbargemeinde, um von dort mehr Material zu beziehen.

Klingebiel: Eine Delegation aus Moshi, unter anderem bestehend aus David Kimaro und dem Bürgermeister der Stadt, wird uns im Mai in Tübingen besuchen kommen. Dann werden wir existierende und neue Projekte besprechen – zum Beispiel haben wir vor, auch im Bereich Solar zusammenzuarbeiten.

Stephan Klingebiel ist Zuständiger der Stadt Tübingen für Städtepartnerschaften.
stephan.klingebiel@tuebingen.de

Viane Kombe ist die Leiterin des Referats für Abfallwirtschaft der Gemeinde Moshi.
vianejohn64@gmail.com

David Kimaro ist Mitarbeiter des Referats für Abfallwirtschaft der Gemeinde Moshi und für das Kompost-Projekt zuständig.
ckimaroki@gmail.com