Afghanistan

Kleine Firmenkredite

Die Herausforderungen bei der Stabilisierung und Entwicklung Afghanistans sind enorm: Das Land bleibt eines der ärmsten und am wenigsten entwickelten Länder der Welt. Immer wieder stehen die instabile Sicherheitslage, Drogenwirtschaft und Korruption im Fokus. Ein Kreditprojekt der DEG für kleine und mittlere Unternehmen zeigt, dass es auch Erfolge gibt.


[ Von Brigitte Sadzik ]

Die DEG – Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH, ein Unternehmen der KfW Bankengruppe – unterstützt seit 2002 den wirtschaftlichen Wiederaufbau in Afghanistan. Aus der Förderung von Existenzgründungen durch Auszahlung von Eigenkapitalhilfen hat sich ein Struktur bildendes Projekt im afghanischen Finanzsektor entwickelt.

Zwischen 2002 und Anfang 2006 förderte die DEG im Auftrag des BMZ insgesamt 330 Existenzgründer und kleine und mittlere Unternehmen (KMU), indem sie nicht rückzahlbare Eigenkapitalhilfen über rund 1,8 Millionen Euro vergab. Auf diese Weise wurden 5 600 Arbeitsplätze geschaffen, beziehungsweise gesichert. Da es zu dieser Zeit keinen funktionierenden Bankensektor gab, war eine Zusammenarbeit mit Geldinstituten noch nicht möglich.

Im Herbst 2004 erteilte die afghanische Zen­tralbank erst­mals wieder Bank­­­lizenzen – mittlerweile sind 17 Banken zugelassen. Deren Angebot beschränkte sich allerdings zunächst auf wenige Dienstleistungen: die Abwicklung des Zahlungsverkehrs, die Vergabe von Mikrokrediten und den zögerlichen Aufbau des Einlagengeschäftes. Wenn Unternehmenskredite vergeben wurden, dann nur an die wenigen noch vorhandenen Großunternehmen (corporate loans).

KMU – also die meisten afghanischen Unternehmen – kamen nicht an Kredite. Zum einen gab es die Technologie für die Prüfung und das Überwachen derartiger Kredite nach den mehr als 20 Jahre dauernden Kriegswirren nicht mehr, zudem fürchtete man das höhere Ausfallrisiko kleiner betrieblicher Einheiten. Qualifizierte lokale Bankkaufleute gab es auch nicht. Insgesamt steht es um Bildung schlecht: Nach Angaben des afghanischen Außenministeriums sind 71 Prozent der Bevölkerung Analphabeten.

Unter diesen Rahmenbedingungen begann die DEG 2005 mit dem Aufbau einer Kredit-Garantie-Fazilität (KGF). Diese wird von der United States Agency for International Development (USAID) und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) gemeinsam finanziert. Die KGF soll lokale afghanische Banken an die Kreditvergabe an Unternehmensgründer und KMU heranführen. Kleine und mittelständische Unternehmen, die einen Investitions- und/oder Betriebsmittelkredit zwischen 3000 und 300 000 Dollar benötigen, sollen Zugang zu marktkonformer Finanzierung erhalten. Diese steht wegen des fehlenden rechtlichen Rahmens und mangelnder Verwertungsmöglichkeiten für bankübliche Sicherheiten ohne die KGF-Unterstützung für die Kreditwirtschaft nicht zur Verfügung.

BMZ und USAID haben das Kapital für einen Garantiefonds bereitgestellt; die Partnerbanken gewähren KMU-Kredite und sichern einen Teil des Kredit-Ausfallrisikos über diesen Fonds ab. Außerdem berät die KGF das Management der Partnerbanken, unterstützt die Institute bei der Gestaltung des Produktes „KMU-Kredit“ und trainiert deren Mitarbeiter.

Das DEG-Projektbüro

Seit März 2005 vertritt ein Experte die DEG in Kabul. Im ersten Jahr war er bei seiner Arbeit mehr oder weniger auf sich selbst gestellt. Qualifiziertes lokales Personal zu seiner Unterstützung war nicht zu finden. Er begann, junge Afghanen zu schulen – inzwischen arbeiten sechs afghanische Kreditfachleute bei ihm im Projektbüro, die sich weitgehend durch ihre Mitarbeit im Projekt qualifiziert haben. Samt einem weiteren externen Berater und Personal wie Wächter, Koch und Fahrer, beschäftigt das Projektbüro 15 Menschen.

Die KGF arbeitet derzeit mit zwei Partnerbanken zusammen, der FirstMicro Finance Bank (FMFB) und der Afghanistan International Bank (AIB). Beide vergeben seit Ende 2005 beziehungsweise Anfang 2006 Kredite an KMU. Die FMFB ist eine voll lizenzierte Geschäftsbank mit Schwerpunkt Mikrofinanzierung. Anteilseigner sind die Aga Khan Agency for Microfinance mit 51 Prozent, die KfW Entwicklungsbank mit 32,3 Prozent und die International Finance Corporation, eine Gesellschaft der Weltbankgruppe, mit 16,7 Prozent. Die FMFB vergab vor Projektbeginn ausschließlich Kleinstkredite bis zu 3000 Dollar. Organisatorische Abläufe zur Bearbeitung und Bewilligung etwa von KMU-Krediten, Arbeitsanweisungen und Kreditkomitees mussten erst etabliert werden. Anfangs übernahm der DEG-Experte die Aufgaben des KMU-Abteilungsleiters.

Seit 2005/2006 hat die FMFB in der neu aufgebauten KMU-Abteilung von drei auf insgesamt 25 Mitarbeiter erweitert, auch die Stelle des Abteilungsleiters ist seit Anfang 2007 besetzt. Die eigens entwickelten „Credit Manuals“ sollen eine ordentliche Kreditprüfung und Überwachung sicherstellen. Etliche neu eingestellte Kreditsachbearbeiter haben ein Intensivtraining absolviert, das als „training on the job“ weiterläuft. Die Mitarbeiter des DEG-Projektbüros begleiten die Kreditprüfung. Durch Garantiezusagen an die Bank trägt das Programm einen Teil des Kreditausfallrisikos mit – das Interesse an einem hochwertigen Kreditportfolio und Kreditmanagement ist groß.

Der erste Kredit wurde im Dezember 2005 bewilligt und ausgezahlt. Seither stiegen die Zahlen: 2006 wurden 72, im Jahr 2007 bereits 175 Kredite zugesagt. 2008 wurden 420 und bis Ende März 2009 sogar 792 Kredite ausgezahlt – akkumuliertes Auszahlungsvolumen: 14,5 Millionen Dollar. Die Kredite haben Laufzeiten bis zu drei Jahren; Ende März 2009 waren 299 Kredite in Höhe von 4,9 Millionen Dollar komplett zurückgezahlt. Bisher wurde der Garantiefonds erst ein Mal in Anspruch genommen. Insgesamt beschäftigen die KMU-Kreditnehmer der FMFB mehr als 16 000 Menschen und sichern so die Existenzgrundlage zahlreicher afghanischer Familien.

Die Afghanistan International Bank (AIB) hat sich dem Geschäftsfeld KMU-Kredite von der anderen Seite genähert. Sie vergab vor Projektbeginn nur corpor­ate loans. Nach einem Managementwechsel kam die KMU-Kreditvergabe erst zögerlich in Gang. Die AIB hatte dieselben Probleme wie die FMFB: fehlende Kreditsachbearbeiter und Organisationsstrukturen und eine noch nicht entwickelte Kredittechnologie.

Nach Aufbau eigener Personalkapazitäten beteiligte sich das DEG-Projektbüro an der Auswahl der Kreditsachbearbeiter der AIB, übernahm für ein Jahr die Funktion eines KMU-Abteilungsleiters, gestaltete organisatorische und formale Abläufe mit und begleitete die Kreditprüfung.

Seit 2008 hat auch die AIB eine gut funktionierende KMU-Abteilung, die Mitarbeiterzahl ist von anfangs drei auf 16 gestiegen. Kredite werden in der Größenordnung zwischen 50 000 bis 300 000 Dollar vergeben. Anfangs waren es fast ausschließlich Überziehungskredite, heute überwiegend kurzfristige Darlehen mit einjähriger Laufzeit.

Den ersten KMU-Kredit hat die AIB im März 2006 zugesagt, insgesamt nur drei überhaupt in diesem ersten Jahr. 2007 waren es 18, im Jahr 2008 bereits 106 Neuzusagen. Ende Februar 2009 hat die AIB akkumuliert 146 Kredite mit einem Auszahlungsvolumen von 12,5 Millionen Dollar zugesagt. 42 Kredite waren bis Ende Februar 2009 komplett zurückgezahlt. Die KMU-Kreditnehmer der AIB beschäftigen rund 1700 Mitarbeiter. Auch hier wurde das Garantieprogramm nur einmal in Anspruch genommen.

Bis heute liegt das Programm-Management bei der DEG und dem lokalen Projektbüro. Alle Beteiligten wollen nachhaltige Strukturen aufbauen und das Programm auf eigene Füße stellen. Derzeit erarbeitet die DEG ein Konzept zur Verselbständigung des Programms, damit die Nachfolgestruktur erfolgreich die Projektziele weiterverfolgen und umsetzen kann.

Parallel dazu wird mit weiteren lokalen Banken über eine Beteiligung am Programm verhandelt. Einige Banken sind sehr interessiert, da sich herumgesprochen hat, wie erfolgreich es ist. Die intensive Betreuung der Partnerbanken, um eine hohe Kreditqualität zu sichern, hat sich bewährt.

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