Porträt
Prägende Erfahrungen
Die Nazi-Herrschaft und die persönliche Erfahrung von Unterdrückung prägten sein Denken nachhaltig. Seine Familie verlor damals ihre Lebensgrundlage und verarmte. Aufgrund der Rassengesetze konnte er nicht auf die öffentliche Schule gehen, sondern musste auf eine arme Schule seiner Gemeinde. Der Weg dahin war lang und gefährlich. Er musste ein ganzes Jahr zu Hause bleiben; erst als 1944 die sowjetische Offensive die deutsche Armee zurückdrängte, gelang es der Familie, nach Bukarest zu fliehen.
Cernea verpflichtete sich dem Kampf gegen jegliche Art von Diskriminierung. Gewalt und Terror, die er früh erlebt hat, prägten seine Sicht auf soziale Ausgrenzung, Marginalisierung und Ungerechtigkeit.
Cernea studierte Philosophie und befasste sich insbesondere mit sozialen Fragen und politischer Ökonomie. Bald nach dem Krieg löste sich die Demokratie in Rumänien auf. Die früheren Versprechen der kommunistischen Partei von Freiheit, Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit waren bald vergessen. Cernea schrieb daraufhin aus Trotz seine Dissertation über die „Widersprüche in der sozialistischen Gesellschaft“. Es dauerte vier Jahre, bis sie akzeptiert wurde. Zu diesem Zeitpunkt war ihm klar, dass er sein Interesse an einer handlungsorientierten Soziologie in seinem Land nicht würde verfolgen können.
Akademische Institutionen in Nordamerika wurden auf seine empirische Arbeit aufmerksam. Er bekam Einladungen in die USA und nach Kanada und entschied sich schließlich auszuwandern. Mit Hilfe von US-Senatoren erhielt seine Familie die Genehmigung des kommunistischen Regimes, ihm zu folgen. Der damalige Weltbankpräsident Robert McNamara stellte ihn ein und gab ihm damit eine öffentliche Plattform für seine Tätigkeit als Entwicklungssoziologe.
Cernea legte bei der Weltbank Grundlagen für die Sozialanthropologie der Entwicklung, einen neuen Bereich der Angewandten Sozialwissenschaften. Er gewann angesehene Preise wie den Kimball Award (1988) und den Malinowski-Preis (1995) für seine Pionierarbeit, öffentlichen Politik- und Entwicklungsprogrammen eine sozialwissenschaftliche Basis zu geben.