Côte d’Ivoire
Reformorientierte Côte d’Ivoire befindet sich im Stillstand
Ouattara ist im Dezember erneut als Präsident von Côte d’Ivoire vereidigt worden. Seine dritte Kandidatur für dieses Amt war höchst umstritten und die Wahl begleitet von Unruhen mit 85 Toten und hunderten Verletzten (siehe Anderson Diédri in E+Z/D+C e-Paper 2021/01, Tribüne).
Doch Deutschland und die EU sehen Ouattaras Wiederwahl nicht als Problem an, sie verurteilen lediglich die Gewaltausschreitungen. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) erklärt, unter Ouattara seien vielfältige Reformvorhaben vorangebracht worden, und machte Côte d’Ivoire 2017 zum „Reformpartner“ – einem Land, das als besonders reformorientiert gilt und auch besonders unterstützt wird (siehe Hans Dembowski in E+Z/D+C e-Paper 2020/07, Monitor). Die Bundesregierung verfolge die Fortsetzung des Reformkurses unter einer neuen Regierung kontinuierlich.
Das BMZ betont, dass Ouattaras erneute Kandidatur für das Amt des Staatschefs vom Verfassungsrat zugelassen wurde. Allerdings bestimmt der Staatspräsident dessen Vorsitzenden sowie drei weitere Mitglieder – und damit die Mehrheit. Die übrigen drei Mitglieder bestellt der Parlamentspräsident.
Die Opposition in Côte d’Ivoire fühlt sich in ihren demokratischen Grundrechten verletzt. Dabei geht es um mehr als die Entscheidung des Verfassungsrats: Es geht um die Glaubwürdigkeit der Staatsmänner, im Namen des Volkes zu handeln, und um das Gefühl, dass Wahlen kein Instrument mehr sind, um Veränderung herbeizuführen.
Als Reaktion rief die Opposition dazu auf, die Abstimmung zu boykottieren. Die Regierung verbat bereits seit Mitte August 2020 öffentliche Demonstrationen, Sicherheitskräfte hatten mehrmals Proteste der Opposition mit Gewalt aufgelöst und Demonstranten festgenommen. Wird einem Volk die Möglichkeit genommen, politische Entscheidungen in der Wahlkabine zu treffen, so entlädt sich der Frust auf den Straßen.
Côte d’Ivoire ist ein souveränes Land und der Westen nicht in der Position, die ivorische Verfassung dahin gehend zu interpretieren, ob Ouattara eine dritte Amtszeit zusteht oder nicht. Der Westen und damit auch Deutschland müssen jedoch eine klare Haltung zu unumstößlichen Werten wie demokratische Partizipation, Gewaltenteilung, Meinungsfreiheit und das Recht auf Leben und Freiheit zeigen. Die Einhaltung dieser Werte muss die Voraussetzung für die Zusammenarbeit sein sowie die Bedingung für die Klassifizierung als Reformstaat.
Deutschland hätte aktiver als Mediator in den Konflikt eingreifen, die Opposition aus der Isolation holen und Wahlbeobachter entsenden müssen, um zu gewährleisten, dass das Wahlergebnis den Willen des Volkes widerspiegelt.
Mahnende Worte, keine Taten
Deutschland begründet sein Schweigen mit der Entscheidung des Verfassungsrats. Aber auch die EU belässt es bei mahnenden Worten. Dabei liegt auf der Hand, dass die EU mehr Verhandlungsdruck erzeugen kann als ein einzelner Staat. Nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit und damit die Durchsetzung bestimmter Kernkriterien ist auch eine europäische Verantwortung.
Was Deutschland auf nationaler Ebene bereits anstrebt, nämlich die bilaterale staatliche Zusammenarbeit auf besonders reformwillige Länder zu konzentrieren, sollte auf EU-Ebene ausgeweitet werden. Es wäre denkbar, die sogenannten Kopenhagener Kriterien, die alle Staaten erfüllen müssen, um der EU beizutreten, auch auf die Entwicklungspolitik auszudehnen. Kriterien wie institutionelle Stabilität, demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, Wahrung der Menschenrechte sowie Achtung und Schutz von Minderheiten eignen sich nicht nur als Kompass für die Entwicklungszusammenarbeit. Werden sie missachtet, sollten auch diplomatische Bemühungen folgen – und nicht nur mahnende Worte.
Christoph Hoffmann ist der entwicklungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag.
christoph.hoffmann@bundestag.de