Entwicklung und
Zusammenarbeit

Informeller Sektor

„Meistens mache ich nicht wirklich Pause“

Lucy verkauft Snacks vor einer Universität in der Nähe von Nairobi. Sie hat mit nichts als einem Handwagen angefangen und sich inzwischen einen ganzen Stand mit Sitzgelegenheiten aufgebaut. Sie sprach mit Katharina Otieno.
Lucy an ihrem Stand. ko
Lucy an ihrem Stand.

Dieser Beitrag ist Teil einer Interview-Serie über Menschen, die in verschiedenen Ländern im informellen Sektor arbeiten, darunter ein Motorradtaxifahrer in Uganda, eine Haushaltshilfe in Indien, eine Lehrerin für Geflüchtete im Südsudan, ein Fischverarbeiter in Mexiko und eine Lastenträgerin in Ghana.

Bitte stellen Sie sich kurz vor.

Ich heiße Lucy, bin 29 Jahre alt und Imbissverkäuferin. Ich habe einen kleinen Stand, an dem ich Snacks verkaufe – vor allem Samosas, Würstchen, Eier und Bhajia, das sind gewürzte Kartoffeln. Vor sieben Jahren habe ich mit einem kleinen Handkarren angefangen. Inzwischen habe ich einen Holzstand mit Schild, Sitzplatz und einer Kochmöglichkeit. Der Stand gehört mir, und ich habe eine Angestellte, die mir hilft – eine meiner Schwestern. Das ist auch ihr fester Arbeitsplatz.

Wo wohnen Sie?

Ich wohne hier in der Straße, nicht weit von meinem Stand entfernt. Mein Mann und ich leben mit unserer kleinen Tochter und einer kleinen Schwester von mir in einer Einzimmerwohnung. 

Wie sieht ein normaler Tag für Sie aus?

Ich stehe um vier Uhr früh auf, bete und bereite dann alles für die Samosas vor. Ich koche Mungobohnen und Kartoffeln. Das dauert etwa vier Stunden. Um neun Uhr gehe ich an meinen Stand. Meistens mache ich nicht wirklich Pause. Gegen zehn Uhr abends schließe ich den Stand, bin also spätestens um halb elf zu Hause. Nach dem Abendessen dusche ich und gehe schlafen. Manchmal esse ich selbst zu Abend, manchmal mache ich das Essen auch nur für die anderen. Ich arbeite täglich außer samstags. Sonntags stehe ich zwei Stunden später auf und öffne meinen Stand erst um elf Uhr.

Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit?

Ich habe diesen Job gewählt, weil Menschen täglich essen. Das ist etwas anderes, als Kleidung zu verkaufen. Die Leute brauchen nicht jeden Tag neue Kleidung. Und die meisten mögen Snacks wie Würstchen oder Eier. Vor allem dort, wo ich bin – mein Stand liegt in der Nähe einer Universität, und meine Hauptkund*innen sind Studierende. Und das Kochen macht mir wirklich Spaß. 

Ich verdiene genug, um davon zu leben. Manchmal mache ich Verlust, aber meistens Gewinn. Ich kann mich nicht beklagen. Mein Mann fährt ein Motorradtaxi – mein Einkommen ist etwas verlässlicher als seines.

Allerdings stehe ich nicht gerne so früh auf. Aber das muss sein, um so viel wie möglich zu verdienen. In diesem Bereich gibt es auch viel Konkurrenz. Und wenn die Universität drei Monate lang geschlossen ist, muss ich auch zumachen. Ohne die Studierenden überlebt mein Geschäft nicht. Daher überlege ich, anderswo etwas Kleines zu eröffnen – wenn meine Mittel es erlauben.

Was könnte Ihre Lage verbessern?

Die Regierung erkennt uns Straßenverkäufer*innen nicht an. Die Stadtverwaltung schikaniert uns und will, dass wir Steuern zahlen, obwohl sie weiß, dass wir uns das nicht wirklich leisten können. Ich zahle etwas Steuern, aber sie wollen mehr. Sie nehmen einfach viel Geld. 

Sie fordern auch einen Gewerbeschein und eine Krankenversicherung. Das ist zwar richtig, aber niemand von uns hat das Geld für diese ganzen Dinge. Ich bin immerhin krankenversichert und zahle ins staatliche Versicherungssystem ein. 

Die Schikane muss aufhören. Die Regierung sollte uns lieber unterstützen und anerkennen. Die Versicherungen sollten weitgehend kostenlos sein, und Genehmigungen und andere Dinge sollten nicht so teuer sein, wenn wir Steuern zahlen sollen.

Bei einem Feuer würde hier alles abbrennen. Mein Stand ist aus Holz. Die Regierung würde keine Entschädigung zahlen, und eine Versicherung kann ich mir nicht leisten. Es gab den Versuch, eine Spar- und Kreditgenossenschaft zu gründen, um uns Verkäufer*innen quasi untereinander zu versichern, aber die Initiator*innen haben aufgegeben. So etwas würde uns aber durchaus helfen. Nur hat niemand die Zeit oder die Kraft, es noch mal zu versuchen.

Katharina Wilhelm Otieno ist Redakteurin bei E+Z/D+C und arbeitet zeitweise in Nairobi.
euz.editor@dandc.eu 

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