Klimawandel

Effektive Katastrophenvorsorge

Der Klimawandel wird zu mehr Not­situationen in Entwicklungsländern führen. Darauf müssen sich humanitäre Hilfsorganisationen vorbereiten, fordern Experten.
Humanitäre Katastrophe: Zerstörung nach dem Taifun Haiyan in Tacloban Leyte, Philippinen. Hartmut Schwarzbach/argus/Lineair Humanitäre Katastrophe: Zerstörung nach dem Taifun Haiyan in Tacloban Leyte, Philippinen.

Wetterbedingte Naturkatastrophen nehmen zu, die Auswirkungen werden immer drastischer. Das verändert auch die humanitäre Hilfe, sagt Patricia Flor, die beim Auswärtigen Amt (AA) für „Globale Fragen“ zuständig ist. Das Minis­terium habe deshalb bereits einen Paradigmenwechsel eingeleitet, erklärt sie – weg von der spontanen Hilfe hin zu einer langfristigen Vorsorgestrategie –, genannt Preparedness.

Auch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) beschäftigt sich schon mehrere Jahre lang mit Katastrophenvorbereitung, erklärt der Leiter der Internationalen Zusammenarbeit, Christoph Johnen. Seiner Meinung nach ist auch Klimaanpassung Teil der humanitären Hilfe. Mit der Schwesterorganisation Rothalbmond habe man deshalb ein Klimazentrum in Den Haag geschaffen.

Der Direktor dieses Rothalbmond/DRK-Klimazentrums, Maarten van Aalst, will das Thema Klimawandel noch mehr raus aus dem Expertenkreis hin in die Alltagswelt bringen. Taifun Haiyan habe vergangenes Jahr bereits viele Menschen zum Umdenken bewegt. Dennoch werden nach van Aalsts Ansicht die Vorhersagen über Katastrophen immer noch zu wenig genutzt, um die Folgen abzumildern.

An Daten mangelt es nicht, meinen Experten. Eine umfangreiche Datenbank über Naturkatastrophen besitzt etwa die Rückversicherungsgesellschaft Munich Re. Darin sind seit 1970, laut Peter Höppe, Leiter Geo Risk Research bei Munich Re, 34 000 Ereignisse erfasst. Er erklärt, dass 88 Prozent der Naturkatastrophen von 1980 bis 2013 atmosphärisch bedingt waren. Die Armen seien am meisten von den Folgen betroffen und auf Hilfsgelder der Geber angewiesen – auch weil sie sich nicht versichern könnten. Höppe hofft, dass im Rahmen der UN-Klimakonferenzen beim Thema Risikomanagement Versicherungen für arme Länder angegangen werden.

Kerstin Rosenow-Williams von der Ruhr-Universität Bochum beschäftigt sich damit, wie Nichtregierungsorganisationen auf den Klimawandel reagieren. Sie stellte fest, dass humanitäre Organisa­tionen etwa seit dem Jahr 2000 Klimaspezialisten anstellen. Die Notwendigkeit, regionale und lokale Risiken zu analysieren, nimmt durch Klimaereignisse zu. Es gibt zunehmend regionale, „kleinere“ Katastrophen, die es nicht in die internationalen Medien schaffen und keine große Spendenbereitschaft hervorrufen. Für diese Fälle sind laut Rosenow-Williams Trainings für lokale Mitarbeiter nötig. Es gibt bestehende Modellprojekte, die auf andere Regionen übertragen werden müssten. Ziel dabei sei immer die Stärkung der lokalen Akteure.

Walter Kälin macht darauf aufmerksam, dass trotz Klima-Anpassungsmaßnahmen nicht alle Menschen in ihrer Heimat bleiben können. Er ist Repräsentant der von der Schweiz und Norwegen gegründeten Nansen-Initiative, die sich für Vertriebene einsetzt. Kälin erklärt, dass von 2008 bis 2012 bereits 144 Millionen Menschen wegen Klimakatastrophen aus ihrer Heimat geflohen sind. Bestimmte Regionen wie einige Pazifikinseln würden durch den Anstieg des Meeresspiegels unbewohnbar. Kälin fordert, jetzt Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen: Es müsste konkret ermittelt werden, wo Umsiedlungen nötig werden, und Gebiete für Neuansiedlungen ausgemacht werden. Eine Evakuierung sollte seiner Meinung nach frühzeitig und geplant erfolgen, um einer unorganisierten Migration zuvorzukommen.

Die Schlussfolgerungen, die sich für humanitäre Hilfsorganisationen durch den Klimawandel ergeben, wurden auf einer Veranstaltung von Auswärtigem Amt und DRK in Berlin folgendermaßen zusammengefasst:

  • Es sind viele Zahlen und Daten für ­Klimaveränderungen vorhanden, und klimabedingte Naturkatastrophen können mittlerweile besser vorhergesagt werden.
  • Die Hilfsorganisationen nutzen diese Zahlen noch zu wenig, und es fehlt zum Teil das Verständnis dafür.
  • Die Informationen müssen für die Organisationen verständlich aufbereitet werden, und die Organisationen müssen mitteilen, welche Zahlen sie brauchen.
  • Die Mittel für humanitäre Hilfsmaßnahmen dürfen nicht aus der Klima­finanzierung „umgeleitet“ werden, sondern es müssen eigene Mittel dafür bereitgestellt werden.

Sabine Balk