Literatur und Entwicklung

Autor, Agitator, Märtyrer

Am 10. November vor 14 Jahren wurden der nigerianische Schriftsteller Kenule Besson Saro-Wiwa und weitere acht Landsleute ermordet. Unter der Militärdiktatur von General Sani Abacha waren sie zum Tode verurteilt worden. Das Regime hoffte, so die Opposition im Niger-Delta zu brechen. Stattdessen eskalierte die Gewalt. Frieden scheint erst jetzt möglich zu werden, wo der Staat beginnt, so zu handeln, wie Saro-Wiwa es sich vor 20 Jahren vorgestellt hätte.


[ Von Bimbola Oyesola ]

Saro-Wiwa war nicht nur ein erfolgreicher Autor, sondern auch politisch aktiv. Er warf der Bundesregierung vor, die Erdölreserven in seiner Stammesheimat Rivers State auszubeuten. Er war Gründungsmitglied des Movement for the Survival of the Ogoni People (MOSOP), Autor der „Ogoni Bill of Rights“ und de facto Oppositionsführer in den frühen 1990er Jahren.

Die Ogoni sind eine ethnische Gruppe im Rivers State, wo große Öl- und Gasreserven lagern. Seit 1958 wurden dort mehr als 900 Millionen Barrel Erdöl gefördert, zumeist vom multinationalen Konzern Shell. Trotz des Erdölreichtums sind die Bewohner des Niger-Deltas extrem arm und müssen mit Umweltverschmutzung und Analphabetentum leben.

Angesichts der Nachteile, die die Präsenz multinationaler Ölkonzerne mit sich bringt, machte Saro-Wiwa auf Umweltzerstörung und ethnische Diskriminierung aufmerksam, u. a. indem er Protestmärsche organisierte. Er sagte, dass „ein Schriftsteller seine Gegenwart und Zukunft aktiv gestalten“ müsse. Im Januar 1993 versammelte Saro-Wiwa 300 000 Ogoni-Angehörige zu einem friedlichen Marsch. Sie forderten einen Anteil an den Öleinnahmen und eine Form politischer Autonomie.

Saro-Wiwa hat einen hohen Preis für sein Engagement gezahlt. Er wurde mehrfach inhaftiert und im Mai 1994 wegen Anstiftung zum Mord festgenommen. Ein quälender, langwieriger Prozess folgte, der damit endete, dass er und acht andere Aktivisten im November 1995 zum Tode verurteilt und gehängt wurden. Der Prozess lenkte internationale Aufmerksamkeit auf das Schicksal der Ogoni, allerdings konnte die Solidaritätskampagne die Hinrichtung der „Ogoni Nine“ nicht verhindern.

Saro-Wiwa ist seit 14 Jahren tot, aber seine Ideen leben fort. Die Flamme, die der Märtyrer entzündet hat, brennt noch – allen Löschversuchen zum Trotz. In seiner letzten Rede vor Gericht sagte Saro-Wiwa: „Die Geschichte wird uns alle richten. Meine Kameraden und ich sind nicht die einzigen Angeklagten. Das Unternehmen ist vor Gericht abgetaucht, aber sein Tag wird kommen. Die hier gelernten Lektionen können sich als nützlich erweisen, wenn der Ökokrieg der Firma im Delta gegen die Ogoni früher oder später hinterfragt und bestraft wird. In aller Unschuld und erfüllt von tiefer Überzeugung rufe ich die unterdrückten Volksgruppen Nigerias auf, sich zu erheben um furcht- und gewaltlos für ihre Rechte zu kämpfen.“

Entgegen seinem Aufruf eskalierte die Gewalt im Delta-Gebiet, wo verschiedene Rebellengruppen die Regierung und zunehmend auch einander bekämpften. Die Ölproduktion ging zurück, schließlich sahen die Politiker ein, dass sie es sich nicht leisten können, sich davon zu distanzieren.

Ideen von Dauer

Olusegun Obasanjo versuchte als Präsident das Erbe der gefallenen Helden zu würdigen und finanzierte eine Halle zu ihrem Gedenken. Die heutige Regierung von Präsident Umar Musa Yar‘Adua tut mehr. Ein Amnestieprogramm für verdächtigte Kämpfer in der Region ist ausformuliert, und im April billigte der Präsident die Untersuchung aller Fälle von Erdölverschmutzung im Ogoniland – die Coraussetzung für ihre Finanzierung. Die Regierung plant, zehn Prozent aller Erdöleinnahmen für Infrastruktur und andere Projekte im Delta auszugeben. Nach Jahren des Streits scheint der Frieden nun dem Economist aus London zufolge zum Greifen nahe.

Elijah Okougho, Generalsekretär der „National Union of Petroleum und Natural Gas Workers“ (NUPENG), meint, Saro-Wiwa werde „ewig bewundert“ werden. Vor seinem Tod habe es keinen bewaffneten Kampf im Delta gegeben: „Saro-Wiwa war ein Intellektueller und ein Mann des Friedens. Er nahm keine Waffe in die Hand und ermutigte auch niemanden dazu.“ Okougho zufolge machte erst die Hinrichtung des Autoren/Agitators die Protestierenden zu Kämpfern.

Der Verfassungs- und Menschenrechtler Bamidele Aturu sieht Saro-Wiwa in einem ähnlichen Licht: „Sein Beitrag zur Entwicklung der Region bestand darin, Aufmerksamkeit auf die Nöte der Bewohner, ihre Herabsetzung und die Umweltverschmutzung zu lenken.“ Die Regierung orientiere sich heute bezüglich der Entwicklung der Region an Saro-Wiwas Ideen.

Abiodun Aremu, Spitzenvertreter der United Action for Democracy (UAD), betont, dass Entwicklung „nicht nur der Aufbau von Infrastruktur ist“. In seinen Augen ist die Entwicklung von Humankapital wichtiger: „Und das ist verankert in der ,Ogoni Bill of Rights‘.“ Celestine Akpoloaki vom Ogoni Solidarity Forum hält dagegen: „Niemand spricht heute noch über die wichtigen Probleme im Niger-Delta. Jeder spricht über Geld, dabei fehlen die Lebensgrundlagen.“

Saro-Wiwas Familie hat Shell in den USA verklagt. Diesen Sommer willigte der Ölgigant in eine außergerichtliche Zahlung von 15,5 Millionen Dollar ein. Ein Shell-Sprecher sagte, dass die Firma damit keine Schuld anerkenne, aber zum Aussöhnungsprozess beitragen wolle.

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