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Hoffnung und Arbeit

Palästinensische Flüchtlinge werden teils auch nach Jahrzehnten im Libanon nicht gleichberechtigt behandelt. Besonders die jungen Leute leiden unter Perspektivlosigkeit und Diskriminierung. Eine Nichtregierungsorganisation (NGO) bietet jungen Palästinensern eine praxisorientierte Berufsausbildung.
Isra und Kholoud sind zwei junge Palästinenserinnen im Libanon, die bei Youth for Development eine Berufsausbildung machen.Isra and Kholoud are two young Palestinian women who take part in a course run by Youth for Development. Naggar Isra und Kholoud sind zwei junge Palästinenserinnen im Libanon, die bei Youth for Development eine Berufsausbildung machen.Isra and Kholoud are two young Palestinian women who take part in a course run by Youth for Development.

Isra, Hussain und Kholoud machen eine Ausbildung zum Buchhalter und Büromanager. Sie besuchen Kurse in Marketing, Buchhaltung, Büromanagement, Tippen auf Arabisch und Englisch. Die Ausbildung dauert zehn Monate; anschließend steht ein Praktikum an. Die jungen Leute gehören zu 33 Palästinensern, die bei der Organisation Youth for Development (YFD) einen zehnmonatigen Kurs besuchen. Die Ausbildung ist praxisorientiert und soll die Absolventen schnell in den Arbeitsmarkt integrieren. Die drei Schüler hoffen, dass sie nächsten Sommer, wenn sie ihren Abschluss in der Hand haben, einen Arbeitsplatz bekommen. Die Chancen stehen nicht schlecht. Ungefähr zwei Drittel der YFD-Abgänger finden einen Job.

Youth for Development ist 2008 von Palästinensern, die im Bildungsbereich aktiv waren, gegründet worden. YFD setzt die Arbeit der norwegischen Organisation Norwegian People’s Aid (NPA) fort. NPA hat sich seit Mitte der 80er Jahre im Bereich berufliche Bildung bei Palästinensern im Libanon engagiert und diese Arbeit später an lokale Organisationen übertragen. Mohammad Kassem, Direktor des YFD, ist seit Beginn an dabei. Er erklärt, dass die NGO Jugendliche und junge Menschen aus schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen eine Ausbildung gibt: „Wir sehen uns als Schnelleingreifprogramm, um junge Menschen zu einem sicheren Ufer zu führen.“ Die Organisation kümmere sich nicht nur um die Ausbildung, sondern helfe auch danach bei der Arbeitssuche und übe Bewerbungsgespräche.

Über ehemalige Absolventen, die nun im Berufsleben stehen, unterhält YFD engen Kontakt zum Arbeitsmarkt und kann so auch Jobs vermitteln. Außer Buchhaltung und Büromanagement bietet YFD eine Ausbildung zum Sozialarbeiter an und eine Sekretariatsausbildung für Jugendliche, die die Schule bis zur 9. Klasse besucht haben. Bei den Ausbildungsgängen der YFD, die größtenteils kostenlos sind, geht es nicht nur um Fachwissen und Praxis. Die NGO arbeitet mit den Jugendlichen auch daran, ihr Selbstbewusstsein zu stärken und ihre Persönlichkeit zu entfalten.

Isra, Hussain und Kholoud sind exemplarisch für viele junge Palästinenser im Libanon. Hussain Sughayyir hat, wie viele seiner Mitschüler, das Abitur nicht gemacht. Warum, erklärt der 20-Jährige: „Wenn ich die Schule besuche und mir Mühe gebe, weiß ich nicht, ob ich später etwas damit anfangen kann oder nicht. So denken viele und sehen nicht ein, warum sie die Schule abschließen sollten. Manche müssen schon früh arbeiten gehen.“

Hussain lebt in Sabra, einem armen Stadtteil im Süden von Beirut, wo viele Palästinenser zu Hause sind. Isra erzählt von ihrem Mann, der in der 9. Klasse die Schule abgebrochen hat, um zum Lebensunterhalt seiner Familie beizutragen. Kholoud ergänzt: „Auch wenn der Vater und die Mutter arbeiten gehen, heißt das nicht, dass die Kinder ihre Schulausbildung abschließen können.“ Kholoud und Isra hatten mehr Glück als Hussein. Beide haben das Abitur gemacht. Isra hat bereits mehrere Ausbildungen hinter sich. Die 23-Jährige hat Interior Design und Grafikdesign studiert, aber lange erfolglos nach einer Arbeit gesucht. Die 21-jährige Kholoud hat angefangen, BWL zu studieren, jedoch wegen der hohen Kosten der Universität nach einem Jahr aufgegeben.

Die beiden Palästinenserinnen sind frustriert und wütend auf die libanesische Gesellschaft. Trotz gleicher Qualifikation haben sie nicht die gleichen Chancen wie Libanesen. Bei der Arbeitssuche werden sie diskriminiert. Und wenn sie eine Arbeit bekämen, dann sei die Bezahlung niedriger als für Libanesen, klagen sie. Die Frauen leben in Borj Al-Barajneh, eines der drei Palästinenserlager in Beirut. Sie und ihre Eltern sind Nachfahren der Menschen, die bei der Staatgründung Israels und während der Kriege 1948 und 1967 ihr Land verlassen mussten und im Libanon Zuflucht fanden. Viele Palästinenser leben in den Lagern von damals, die sich in den vergangenen Jahrzehnten zu Stadtteilen – oft auch zu Slums – entwickelt haben.


Fehlende Bürgerrechte

Es ist nicht leicht für junge Palästinenser im Libanon, zuversichtlich in die Zukunft zu schauen und ihren Platz in der libanesischen Gesellschaft zu finden. Von der Wirtschaftskrise und der hohen Jugendarbeitslosigkeit im Land sind zwar alle betroffen – nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation ILO liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei etwa 35 Prozent. Aber den Palästinensern verwehrt der Staat auch noch viele Bürgerrechte, obwohl sie seit Generationen im Libanon leben.

Palästinensische Kinder sind von staatlichen libanesischen Schulen ausgeschlossen. Bei der staatlichen Universität werden sie wie Ausländer behandelt und unterliegen einer Quote. Viele Berufe, besonders die besser qualifizierten, dürfen sie nicht ausüben. Eigentum zu erwerben ist ihnen verboten. Die staatliche Sozial- und Krankenversicherung bleiben ihnen weitgehend verschlossen. Mit dieser Politik versuchen libanesische Regierungen seit Jahrzehnten das sogenannte Tawtin, die feste Ansiedlung der Palästinenser im Libanon, zu verhindern. Die Folge dieser Diskriminierung ist sozialer Abstieg und Armut. Die ILO hat in einer Studie 2012 festgestellt, dass die Hälfte der Palästinenser im Libanon nicht mehr als 333 Dollar monatlich verdienen.

Salem Dieb, stellvertretender Leiter des Bereichs Bildung bei der UN-Organisation für Palästinenser UNRWA in Beirut, sagt, dass die schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse sich zwangsläufig auf die Bildung auswirken: „Wir müssen unsere Kinder zum Arbeiten schicken, sonst können wir nicht überleben, sagen Eltern in den Flüchtlingslagern, die ihre Kinder von der Schule nehmen. Jungs werden zum Arbeiten geschickt, Mädchen ebenfalls, und manchmal auch früh verheiratet.“

Dieb ist überzeugt davon, dass die Berufsbildung, die Jungen und Mädchen ab der 9. Klasse offensteht, eine Möglichkeit ist, den Teufelskreis aus mangelnder Bildung und Armut zu durchbrechen. Sie komme den Bedürfnissen der jungen Palästinenser entgegen, schnell zum familiären Unterhalt beitragen zu müssen. Auch die UNRWA engagiert sich in der Berufsbildung. Sie betreibt zwei Berufsschulen, eine im Norden und eine im Süden des Libanons mit ungefähr1000 Schülern.

Isra, Kholoud und Hussain sind optimistisch, dass sie nach ihrem Abschluss bei YFD bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Wenn das doch nicht klappen sollte, überlegen sie auszuwandern. „Im Ausland wird man danach beurteilt, was man kann und gelernt hat, nicht nach dem Ausweis des palästinensischen Flüchtlings, der einem hier die Türen versperrt“, meinen sie.