Entwicklung und
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Öffentliche Finanzen

Höhere Steuereinnahmen für Afrika

Jedes Land ist für seine Entwicklung selbst verantwortlich. Aber in Zeiten einer globalisierten Wirtschaft kann kein Land mehr sein Schicksal ganz allein bestimmen. Ihre Staatseinnahmen müssen afrikanische Regierungen selbst erhöhen, dennoch brauchen sie die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft.
Informeller Händler in Addis Abeba: Um die Akzeptanz von Steuern zu erhöhen, müssen Regierungen eine gute Infrastruktur und soziale Dienstleistungen bieten. dem Informeller Händler in Addis Abeba: Um die Akzeptanz von Steuern zu erhöhen, müssen Regierungen eine gute Infrastruktur und soziale Dienstleistungen bieten.

Die Integration in den Weltmarkt verläuft asymmetrisch und der Handlungsspielraum einer Regierung hängt von vielen Faktoren ab, wie dem Entwicklungsstand des Landes, der Größe seiner Wirtschaft, seinem Rohstoffvorkommen, seiner geostrategischen Lage und Umweltbedingungen.

Wenn es um die Erhöhung von Steuereinnahmen geht, wird im Entwicklungsdiskurs oft von „Mobilisierung lokaler Ressourcen“ (Domestic Resource Mobilisation – DRM) gesprochen. Afrikanische Regierungen müssen sich mehr engagieren, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals – SDGs) zu erreichen. Das werden sie allerdings ohne die konsequente Unterstützung der internationalen Gemeinschaft nicht schaffen.

Damit ein Land seine lokalen Ressourcen für die Steuererhebung besser nutzen kann, müssen Entwicklungspartner eine stabile und faire Finanzarchitektur sicherstellen. Dabei gibt es zwei zentrale Herausforderungen:

  • die Einigung auf einen multilateralen Mechanismus, um Staatsschulden zu senken, und
  • die Eindämmung illegaler Finanzströme (Illicit Financial Flows – IFF) und Steuerhinterziehung durch multinationale Unternehmen.

Die internationale Gemeinschaft hat diese Herausforderungen in der Aktionsagenda von Addis Abeba (AAAA) bestätigt, die 2015 auf der UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in der äthiopischen Hauptstadt einstimmig verabschiedet wurde.

Die Aktionsagenda hat grundlegende Defizite benannt sowie die Aufgaben der nationalen Regierungen und ihrer Entwicklungspartner identifiziert. Laut der Agenda gehen die Verantwortlichkeiten der einkommensstarken Länder weit über die öffentliche Entwicklungshilfe (Official Development Assistance – ODA) hinaus. Sicherlich kann ODA die Kapazitäten von Finanzbehörden in Entwicklungsländern stärken, allerdings gehört das nicht zu den wichtigsten Aufgaben der Industrieländer.

Ein aktueller Bericht der Inter-Agency Task Force on Financing for Development (IATF) weist auf den mangelnden Fortschritt in der afrikanischen Steuerpolitik hin. Die IATF überprüft die Umsetzung der Aktionsagenda und hat im März ihre Ergebnisse veröffentlicht. Sie sollten ernst genommen werden. In der Task-Force kooperieren mehr als 50 wichtige internationale Organisationen, darunter mehrere UN-Gremien, der Internationale Währungsfonds (IMF) sowie die Weltbank und die Welthandelsorganisation (WTO).

Um Steuereinnahmen zu erhöhen, müssen afrikanische Länder ihren nationalen und multilateralen Pflichten nachkommen. Regierungen in Afrika sollten:

  • die Steuerbasis erweitern und vertiefen,
  • verschwenderische öffentliche Ausgaben stoppen und Steuerschlupflöcher aufdecken,
  • die Integrität und Effizienz ihrer Finanzbehörden sichern.

Bislang haben afrikanische Länder den Steueranteil ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) vergrößert, indem sie indirekte Steuern, wie die Mehrwertsteuer und die Umsatzsteuer, erhöht haben. Der Anteil der Mehrwertsteuer an den gesamten Steuereinnahmen liegt etwa bei 60 Prozent, was alarmierend hoch ist. Gerade die Armen werden übermäßig belastet, da sie fast ihr gesamtes Einkommen für Konsumgüter ausgeben müssen (siehe meinen Beitrag im Schwerpunkt des E+Z/D+C e-Paper 2018/01).

Es wäre deshalb sinnvoll, Steuern auf Eigentum und Vermögen zu erheben, was in Afrika kaum der Fall ist. Diese Steuern würden dem Staat zugutekommen und gleichzeitig die soziale Ungleichheit verringern.

Außerdem sollten afrikanische Länder Steuern auch in anderen Bereichen erheben. Besonders wichtig wäre es, den informellen Sektor zu besteuern. Das ist eine komplexe und schwierige Aufgabe, es würde aber die Staatseinnahmen erheblich erhöhen und sollte nicht weiter aufgeschoben werden.

Millionen Menschen in Afrika arbeiten im informellen Sektor und in der Subsistenzlandwirtschaft und sollten Teil des „Steuervertrags“ sein. Das heißt, sie zahlen Steuern an den Staat und erhalten im Gegenzug soziale Dienstleistungen und Infrastruktur. Damit Steuerreformen funktionieren, müssen Regierungen aber mehr tun, als den informellen Sektor auszupressen. Sie sollten Straßen bauen, die Stromversorgung und die medizinische Grundversorgung ausbauen und so weiter. Eine gute Infrastruktur ist die Basis für eine gesunde Wirtschaft und soziale Entwicklung.

Die UN-Wirtschaftskommission für Afrika (UNECA, 2019) stellte kürzlich fest, dass afrikanische Steuersysteme deutlich effizienter werden könnten, wenn man schwer erreichbare Sektoren besteuerte, die Steuererhebung besser koordinierte und die Rechenschaftspflicht stärkte. So könnte man bis zu 99 Milliarden US-Dollar pro Jahr in den nächsten fünf Jahren aktivieren.

Die Wirtschaftskommission mahnte auch, dass Steuererleichterungen für ausländische Investoren die Staatseinnahmen in Afrika um durchschnittlich 20 Prozent reduzieren, während sie die Investitionen nur um ein Prozent erhöhen. Solche Steuergeschenke sollten abgeschafft werden.

 
Pflichten der Industrieländer

Es werden bislang nicht ausreichend nationale Steuern erhoben, resümiert der genannte IATF-Bericht. Die Autoren warnen zudem, dass eine ernsthafte Finanzkrise immer wahrscheinlicher wird, wenn die aktuellen Trends in der Weltwirtschaft unkontrolliert fortlaufen. Die größte Sorge gilt den wachsenden Staatsschulden und den steigenden Kosten für die Bedienung der Kredite.

Aus diesen Gründen schrumpft der politische Handlungsspielraum afrikanischer Regierungen. Steigende Schuldentilgung erschwert Fortschritte bei der Steuererhebung. Das Dilemma ist, dass Ausgaben, die für Verbesserungen im Steuersystem nötig sind, nicht vorhanden sind. Solange Menschen die Vorteile von Steuern nicht erkennen, werden sie auch keine höheren Steuern akzeptieren.

An dieser Stelle sei an die Schuldenkrise in den sogenannten „verlorenen Jahrzehnten“ in den 1980er und 1990er Jahren erinnert, in denen die Entwicklung in vielen Regionen stagnierte oder sogar rückläufig war. Die Aktionsagenda von Addis Abeba hat deshalb aus gutem Grund gefordert, solche Probleme frühzeitig anzugehen.

Regierungen von Industrieländern haben sich bisher geweigert, Verhandlungen über einen multilateralen Mechanismus zur Entschuldung anzugehen. Ein solcher Mechanismus ist aber notwendig und würde afrikanischen Regierungen mehr Möglichkeiten bieten, ihre Steuereinnahmen zu erhöhen.

Ein weiteres Problem sind illegale Finanzströme. Auch hier halten sich die reichen Länder zu sehr zurück. Ein High-Level Panel on IFF veröffentlichte Anfang 2015 einen Bericht im Auftrag der Afrikanischen Union und der UNECA über illegale Finanzströme. Das Thema wird seitdem international heiß diskutiert. Die Agenda 2030 widmet diesem Thema sogar ein SDG und die Addis-Abeba-Aktionsagenda hat die internationale Gemeinschaft aufgefordert, aktiv zu werden. All das hat bislang keine überzeugenden Ergebnisse gebracht.

Tatsächlich sind illegale Finanzströme „signifikant“ und eine „anhaltende Belastung der Entwicklungsländer“, so der in Washington ansässige Think Tank Global Financial Integrity (2019). Dennoch geschieht nichts. Der fehlende Konsens über eine Definition von illegalen Finanzströmen dient als Vorwand. Dieser Streit ist absurd. Es wird argumentiert, dass Steuerflucht nicht zu den illegalen Finanzströmen zählt. Dabei ist Steuerflucht der größte Unterstützer für andere illegale Finanzströme, die von Institutionen, Akteuren und Mechanismen abhängen, die die Steuervermeidungsindustrie geschaffen hat.

Ein Entwicklungsland kann seine illegalen Finanzströme nicht allein eindämmen. Maßnahmen sind dann sinnvoll, wenn sie auch bei internationalen Transaktionen greifen. Dabei wäre mehr als eine Regierung beteiligt. Steuerhinterziehung internationaler Konzerne und einzelner Reicher sind ein globales Problem. Es wird oft – und zu Recht – gesagt, dass afrikanische Probleme afrikanische Lösungen erfordern. Im gleichen Sinne erfordern globale Probleme globale Lösungen.

Die Gruppe der 77, ein loser Zusammenschluss von 134 afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Ländern, hat Regierungsverhandlungen zur Bekämpfung von illegalen Finanzströmen gefordert. Zivilgesellschaftliche Organisationen auf der ganzen Welt haben sich dieser Forderung angeschlossen. Industrieländer könnten nun zeigen, dass sie es mit der Verbesserung der Steuersysteme in Afrika ernst meinen, indem sie über die systematische Eindämmung von illegalen Finanzströmen und über Maßnahmen für Entschuldungen verhandeln.


Links

Global Financial Integrity, 2019: Press release.
https://gfintegrity.org/press-release/2019-iff-update-press-release/

Inter-Agency Task Force on Financing for Development (IATF), 2019: Financing for sustainable development report 2019.
https://developmentfinance.un.org/fsdr2019

UN Economic Commission for Africa (UNECA), 2019: Fiscal policy space for financing sustainable development in Africa.
https://www.uneca.org/sites/default/files/PublicationFiles/era-en-final-web.pdf


Dereje Alemayehu ist Executive Coordinator der Global Tax Justice Alliance und war von 2007 bis 2017 Vorsitzender des Tax Justice Network Africa.
dereje@globaltaxjustice.org

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