Editorial

Internationale Aufsicht

In Köln ist im März das historische Stadtarchiv in eine U-Bahn-Baugrube gestürzt. Zwei Menschen starben, Kulturgut aus vielen Jahrhunderten wurde vernichtet. Die politische Verantwortung übernahm wochenlang niemand. Derlei erwarten Durchschnittsdeutsche bei Großprojekten in Kairo oder Delhi – aber nicht hierzulande. Im US-Staat Illinois wurde im Januar Gouverneur Rob Blagojevich wegen Korruptionsvorwürfen des Amtes enthoben. Unter anderem hatte er offenbar versucht, den freigewordenen Senatssitz von Präsident Barack Obama zu versteigern. So stellen sich US-Bürger Politik in Nigeria oder Mexiko vor.

Die reichen Nationen weisen noch an anderen Orten als Köln und Illinois Defizite bei der Amtsführung auf: Die globale Finanzkrise beweist, dass sie ihren makroökonomischen Pflichten nicht gerecht wurden. Good Gover­nance ist eine weltweite Herausforderung. Diesen Begriff prägte die Weltbank in den 90er Jahren. Ihre Strukturanpassungsprogramme, die vor allem auf freie Märkte und Inflationsbekämpfung abzielten, waren weitgehend gescheitert. Folglich bewertete sie die Rolle des Staats im Wirtschaftsprozess neu – von der Bereitstellung von Infrastrukturen über die Durchsetzung von Recht und Verträgen bis hin zu Bildungsplanung und Korruptionsbekämpfung.

Seither beschwören Entwicklungspolitiker ständig solide Amtsführung. Dennoch bleibt der Fortschritt bei zentralen Aufgaben wie Verwaltungs- und Justizreform besonders zäh. Wenn Geber nur mit staatlichen Apparaten kooperieren, werden sie nicht viel erreichen. Sie müssen nichtstaatliche Akteure einbeziehen – aber das wirkungsvolle Engagement von Zivilgesellschaft und unabhängigen Medien lässt sich nicht anordnen. Die Grenzen von Sektorprogrammen und Projekten sind schnell erreicht.

Nützlicher erscheint dagegen das relativ junge Instrumentarium der Budgethilfe samt systematischer Verhandlungen mehrerer Geber mit der Empfängerregierung. Es zielt auf gesamtstaatliches Handeln ab. In der multilateralen Aid-Effectiveness-Debatte betonten die Befürworter zunächst, der Ansatz zwinge Geber zu Harmonisierung und Anpassung an die Institutionen des Ziellandes. Das stimmt. Wichtiger ist aber vielleicht eine andere Chance – sofern die Geber auf Transparenz und Qualität in den Haushaltsverfahren der Zielländer achten, und zwar unter Einschluss der parlamentarischen Opposition und außerparlamentarischer Akteure.

Die Möglichkeit besteht, denn die Geber erhalten Einblick in alle Budetangelegenheiten. Und diese bilden bekanntlich den Kern demokratischer Willensbildung. Hier für Offenheit zu sorgen wäre Demokratieförderung pur. Am Rande des High-Level Forums über wirksame Entwicklungshilfe in Accra forderten unabhängige Organisationen aus Asien, Afrika und Lateinamerika, die sich normalerweise grundsätzlich gegen Geberkonditionen aussprechen, nicht zufällig Entwicklungshilfe an Transparenzbedingungen zu knüpfen. Was die Vorstellungen über Good Governance anging, lagen sie und europäische Diplomaten nicht weit auseinander.

Budgethilfe kann nur dort gelingen, wo wesentliche staatliche Institutionen einigermaßen zuverlässig funktionieren. Wenn es richtig gemacht wird, kann sie Amts- und Regierungsführung verbessern. Das wäre ein Grund, auch reiche Länder stärker unter internationale und multilaterale Aufsicht zu stellen – und die makroökonomische Politik nicht nur den größten und erfolgreichsten Volkswirtschaften zu überlassen.