Entwicklung und
Zusammenarbeit

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Multilaterale Beziehungen

Ungleiche Partner

Zivilgesellschaftliche Organisationen (CSOs) im globalen Süden hängen vom Geld internationaler nicht-staatlichen Organisationen ab. Sie finden auch im selben Maß Gehör bei Regierungen und internationalen Institutionen.
CSO-Konferenz im Vorfeld des High-Level Forum on Aid Effectiveness in Accra 2008. dem CSO-Konferenz im Vorfeld des High-Level Forum on Aid Effectiveness in Accra 2008.

Die UN erkennen die Bedeutung zivilgesellschaftlicher Beteiligung für die internationale Politik an. Allerdings stehen sie noch vor der Aufgabe, Stimmen aus Entwicklungsländern angemessenen Raum zu geben. Noch schwieriger ist es diesen Raum den Armen und Ausgegrenzten zu gewähren, die in den betroffenen Ländern die Mehrheit stellen.

Im Sinne größerer Gleichberechtigung wollten die UN mehr Menschen als bislang üblich am Post-2015-Prozess zur Bestimmung der Folgeagenda für die Millenniumsentwicklungsziele beteiligen. Mit Online-Verfahren gelang auch ein gewisser Fortschritt. Allerdings haben in Entwicklungsländern vergleichsweise wenig Menschen Zugang zum Internet.  

Noch wichtiger ist, dass Online-Beteiligung persönliche Präsenz bei Entscheidungsprozessen nicht ersetzen kann. Digitale Interaktion hat nicht dieselbe Wirkung wie strategisch konzipierter und auf Dauer angelegter persönlicher Austausch bei einer Serie internationaler Treffen. Es ist gut, dass CSOs mittlerweile auf solche Weise an UN-Verfahren im Kontext der Generalversammlung, von ECOSOC (United Nations Economic and Social Council) oder UNEP (United Nations Environment Programme) teilnehmen können und zu Teilnehmern an internationalen Multistakeholder-Foren wie dem UN Development Cooperation Forum oder dem Ernährungssicherheitskommittee der FAO (UN Food and Agriculture Organization) gemacht wurden.

Allerdings bleiben Stimmen aus dem globalen Süden trotzdem außen vor. Bei der internationalen Vertretung der Zivilgesellschaft haben internationale nichtstaatliche Organisationen (international non-governmental organisastion – INGOs) aus dem Norden eine monopolartige Stellung errungen. Bekannte, tatsächlich global aufgestellte INGOs wie Oxfam, Care oder Save the Children bilden dabei nur die Spitze des Eisbergs. Viele andere, weniger prominente INGOs sind auch wichtig. 

Sie stammen typsicher Weise aus Mitgliedsländern der OECD (Organisation for Economic Cooperation and Development), in der die Gebernationen zusammengeschlossen sind. Meist stehen sie in engem Kontakt mit ihrer jeweiligen Regierung. Sie bekommen beispielsweise eine Basisförderung oder übernehmen Aufträge für Entwicklungsprogramme und humanitäre Hilfe. Einen Teil ihres internationalen Engagements finanzieren sie aber auch mit kleinteiligem Spendensammeln und privaten Großspenden. 

Zu den INGO-Tätigkeitsfeldern gehören Öffentlichkeitsarbeit und Lobbyismus. Sie haben das Ohr ihrer nationalen Regierung, der UN, der Europäischen Kommission und anderer internationaler Institutionen. Das verleiht ihnen Einfluss, hilft ihnen aber auch bei der Mittelakquise. In erheblichen Maße hängen INGOs von den Regierungen und Institutionen ab, zu denen sie Verbindung halten.  

CSOs aus dem globalen Süden können von derartigem Zugang zu den mächtigsten Akteuren in der Weltarena nur träumen. Es gibt ohnehin kaum echte Süd-INGOs. Die wenigen, die es gibt, sind auch nicht auf Grund von Geberförderung groß geworden, sondern haben eine eigene Nische im internationalen System gefunden. Auf globaler Ebene sind etwa das Third World Network, IBON, CUTS und Focus on the Global South zu nennen. Auch spezialisierte Organisationen wie BRAC oder Grameen, die beide mit Mikrokrediten arbeiten, sind wichtig. Für einzelne Weltgegenden gibt es darüber hinaus noch mehr grenzüberschreitende CSO-Netzwerke. Solche Strukturen sind aber Ausnahmen.

Die meisten CSOs in Entwicklungsländern hängen auf doppelte Weise von INGOs aus dem Norden Weise ab – von deren Geld und von deren Hilfe beim Zugang zu internationalen Treffen. INGOs bringen zu solchen Anlässen gern zur Förderung ihrer eigenen Agenda Delegationen ihrer Partnerorganisationen mit.

Die Eigeninteressen der INGOs dürfen nicht übersehen werden. Um arbeiten zu können, müssen sie vor allem Geld auftreiben. Ihr Management kennt sich gut damit aus, Spender und Freiwillige zu motivieren, Entwicklungsprojekte durchzuführen und Lobby- und PR-Arbeit voranzutreiben. 

In gewissem Maß gleichen internationale Dachverbände von Organisationen mit hohen Mitgliedszahlen wie Gewerkschaften, Bauernverbänden oder Frauenorganisationen die INGO-Dominanz aus. Allerdings geben in diesen Dachverbänden meist ebenfalls Akteure aus dem Norden den Ton an. Und obendrein bestimmen oft die Geschäftsführungen der Dachverbände die politische Linie, wobei auch sie Eigeninteressen verfolgen.

 

Divergierende Forderungen

Die Post-2015-Debatte war aufschlussreich. INGOs mit staatlicher Förderung aus OECD-Ländern taten sich zusammen und ignorierten kritische CSOs und Massenorganisationen aus dem Süden weitgehend. Ihre Slogans machten das deutlich. Akteure aus dem Süden forderten „soziale Gerechtigkeit“ und den Abbau von Ungleichheit, während INGOS von „Beendigung der Armut“ redeten. Die CSOs aus dem Süden hatten eine andere Vision und formulierten andere Anliegen. Leider setzten sich die INGOs durch, was angesichts ihrer Geberförderung aber kaum überraschte.

All dies heißt nicht, dass CSOs aus dem Süden einfach nur INGO-Marionetten wären. Es geht vielmehr darum, dass sie weniger Aufmerksamkeit und Respekt bekommen, als ihnen zustehen. 

Besonders ärgerlich war, dass asiatischen CSOs vorgeworfen wurde, sie unterlägen INGO-Imperialismus, als sie sich vor einigen Jahren gegen gen-manipulierte Pflanzen aussprachen. In Wirklichkeit hatten asiatischen CSOs ihre Position aufgrund bitterer Erfahrungen mit Pflanzenschutz- und Düngemitteln selbständig bezogen. Dennoch gelang es einem australischen Beraterbüro sie mit beachtlichem Erfolg dadurch zu diskreditieren, dass es auf ihre bekannten Beziehungen zu den INGOs hinwies. 

Die systemische Dominanz der INGOs verstetigt und verstärkt in der globalen Arena die Machtverhältnisse. Im Großen und Ganzen bestimmen die OECD-Mitglieder die Tagesordnung und die Entscheidungen. Auf mehrfache Weise beanspruchen INGOs für sich die Vertretung der Armen der Welt. Ihr Einfluss entsteht vor allem durch ihre Mittelbereitstellung für Süd-CSOs. Letztlich florieren sie dank der Entwicklungspolitik der OECD-Mitglieder.  

Es kommt nicht darauf an, wie wohlmeinend INGO-Manager sind. Ihr Einfluss ist systemisch. Ein paar INGOs – wie etwa auf besonders prominente Weise Action Aid – versuchen dem System zu entkommen und ihm entgegenzuwirken. Aber obwohl Action Aid seinen Zweigen im globalen Süden mehr Einfluss gegeben hat, sind sie immer noch keine authentischen Stimmen der ausgegrenzten Gemeinschaften und verteidigen weiterhin ihre eigene Machtposition.

Vielen INGO-Managern behagen diese Strukturen nicht. Sie äußern auch Kritik daran. Sie wissen  in wachsendem Maße, dass sie nicht nur der Öffentlichkeit ihrer Heimatländer, sondern auch anderen Zielgruppen Rechenschaft schulden – ihren CSO-Partnern im Süden zum Beispiel und besonders den Armen dort. Diesem Anspruch gerecht zu werden, ist aber schwerer, als ihn zu formulieren. INGOs können weiter arbeiten, ohne ihn zu erfüllen, aber kollabieren, wenn sie den Rückhalt zu Hause verlieren. Um die zivilgesellschaftliche Beteiligung an internationalen Beziehungen zu verbessern, sind schon einige sinnvolle Schritte getan worden, aber es muss noch viel mehr geschehen.

 

Antonio Tujan Jr. arbeitet für die unabhängige IBON International Foundation in Manila. 
atujan@iboninternational.org