Infrastruktur und Armut
Damit ländliche Entwicklung gelingt
[ Von Kwadwo Asenso-Okyere ]
In vielen Entwicklungsländern ist die Armut das dringendste Problem, das bekämpft und besiegt werden muss. Insbesondere in ländlichen Gebieten, wo die meisten Menschen leben und von der Landwirtschaft abhängen, ist Armut verbreitet. Wie Ahmed et al. (2007) gezeigt haben, lebt die extrem arme Bevölkerung (mit einem Einkommen von weniger als 50 USL-Cent pro Person und Tag) in abgelegenen Gegenden – weit weg von Straßen, Märkten, Schulen und Gesundheitseinrichtungen. Die Entwicklung der Infrastruktur für solche Dörfer ist eine Voraussetzung für erfolgreiche Armutsbekämpfung.
Transport
Bauern brauchen eine Transportmöglichkeiten, um ihre Waren rechtzeitig zum Markt bringen zu können (siehe Artikel S. 15). Wege dienen jedoch nicht nur Vermarktungszwecken, sondern sind auch anderweitig wichtig. Unzureichende Transportinfrastruktur ist ein echtes Gesundheitsrisiko. Zu viele Patienten sterben, weil sie nicht rechtzeitig in Krankenhäuser kommen. Dies ist ein Grund der hohen Mütter- und Säuglingssterblichkeit vieler Länder.
Manche Kinder müssen kilometerweit zur Schule laufen. Auf dem Weg dorthin sind sie Schlangen und anderen wilden Tieren ausgesetzt. Natürlich kommen sie müde in der Schule an, ihre Aufmerksamkeit ist beeinträchtigt. Es ist kein Wunder, dass die Abwesenheitsrate auf dem Land besonders hoch ist. Der Aufbau menschlicher Fähigkeiten ist die wichtigste Entwicklungsaufgabe. Bildungs- und Gesundheitsdienste sind dafür unverzichtbar – und Fortschritt auf beiden Feldern hängt nicht zuletzt von der Transportinfrastruktur ab. Nicht zufällig ist die Straßeninfrastruktur in abgelegenen Gebieten mit ungünstigen Produktionsbegebenheiten besonders mangelhaft, wo indigene Völker und Minderheiten leben (Rivera u. a., 2005).
Wasser
„Wasser ist Leben“ lautet das Motto des International Water Research Institute (IMWI). Es trifft auf das Überleben von Pflanzen, Tieren und Menschen zu. Weil es nicht genug Wasser für Afrikas Felder gibt, haben die Ergebnisse der Agrarforschung dort kaum zu den gewünschten Produktivitätssteigerungen geführt. Die meisten Afrikaner leben in den subhumiden oder ariden Tropen, wo nur wenige Flüsse Bewässerungszwecken dienen. Anders als in Süd- und Ostasien gibt es keine weiten Schwemmlandebenen, die billige Bewässerung zuließen. Daher ist der Anteil an bewässertem Ackerboden südlich der Sahara der niedrigste aller Entwicklungsregionen der Welt. Weniger als vier Prozent des in Frage kommenden Ackerlandes werden dort momentan bewässert, in Asien sind es dagegen 33 Prozent und im Nahen Osten und Nordafrika 29 Prozent.
Massive Investitionen sind im Wassersektor südlich der Sahara lebensnotwendig. In Asien gelang die Grüne Revolution dank der Verfügbarkeit von Wasser für ertragreiche Pflanzen. Darüber hinaus wird Wasser für die Viehzucht benötigt. Die von der Rockefeller Foundation sowie der Bill und Melinda Gates Foundation angeführte Alliance for a Green Revolution in Africa wird ihr Ziel kaum erreichen, wenn Höfe nicht an Bewässerungssysteme angeschlossen werden. Es kommt auch darauf an, Dürren zu vermeiden und ihr Ausmaß zu begrenzen.
In der Hoffnung auf bessere ländliche Lebensbedingungen haben einige Entwicklungsländer große Staudämme errichtet. Hierfür wurden viel Geld und Managementkapazitäten benötigt. Allerdings waren die Ergebnisse kaum befriedigend: Viele Programme scheiterten an unzureichender Leitung. Weite Gebiete wurden überflutet, viele Menschen mussten ihre Dörfer und Felder verlassen – mit der Folge neuer soziokultureller Probleme. Zudem breiteten sich Krankheiten wie Malaria aus.
Deshalb wird dafür plädiert, dass Bauern kleinere Bewässerungssysteme aus flachen Röhren anlegen. Diese Infrastruktur ist weder sehr teuer noch schwer zu handhaben. In Ghana und Nordnigeria nutzen Bauern solche Methoden, um hochwertige Pflanzen wie Gemüse anzubauen.
Zusätzlich zur Bewässerung werden aber auch Trink- und Nutzwasser im Haushalt gebraucht. Wegen des Mangels daran sind viele Krankheiten wie Durchfälle und Flussblindheit weit verbreitet. Angemessene Sanitärentsorgung ist ebenfalls wesentlich, wenn Menschen gesünder und erfüllter leben sollen. Viel zu viele Kinder und Frauen laufen täglich weite Strecken, um Wasser zu sehr hohen Opportunitätskosten zu holen. Zeit, die für produktive Arbeit genutzt werden könnte, geht drauf; und Kinder versäumen die Schule – oder sind zu müde, um aufmerksam dem Unterricht zu folgen. Das zeigt abermals, wie sehr Gesundheits- und Bildungsdinge von Infrastruktur abhängen.
Investitionen in sauberes Trinkwasser für ländliche Gemeinden haben zwar mehrere Vorteile, aber die Kosten der Leitungsinfrastruktur sind hoch. Bohrlöcher und Pumpen zur Nutzung des Grundwassers können eine effiziente Alternative sein. Sie sind in vielen ländlichen Regionen beliebt, und sie sollten als Übergangslösung gefördert werden, bis behandeltes Leitungswasser zur Verfügung gestellt werden kann. Lokale Gemeinschaften sind normalerweise in der Lage, genug Geld aufzubringen, um Brunnen und Pumpen zu betreiben.
In mehreren Entwicklungsländern steht zur Debatte, ob der Privatsektor bei der Wasserversorgung mitmachen soll. Eine Denkschule sagt, Wasser sei ein Grundbedürfnis und müsse von der Regierung bereitgestellt werden. Vertreter dieser Schule fürchten, Privatfirmen würden – einmal im Geschäft aktiv – übertrieben hohe Preise verlangen, die die Armen nicht bezahlen könnten.
Die andere Denkrichtung argumentiert, dass die Regierungen von Entwicklungsländern nur begrenzte Finanzen haben, so dass der Privatsektor ermuntert werden sollte, sich an der Entwicklung der Infrastruktur zu beteiligen. Dies, so die Erwartung, werde den Ausbau der Versorgung mit sicherem Trinkwasser beschleunigen.
Indessen zahlen viele arme Menschen bereits heute unzumutbar hohe Preise für Wasser – und zwar auch finanziell, nicht nur in den Dimensionen Arbeit und Gesundheit. In der Regel kostet Arme ein Eimer Wasser mehr Geld, als Wohlhabende für die entsprechende Menge subventioniertes Leitungswasser aufwenden (DDE, 2007). Da staatliche Monopole also offenkundig versagt haben, ist es Unsinn, an diesem Prinzip festzuhalten. Die Beteiligung des Privatsektors zur Verbesserung der Situation ist zu begrüßen – vorausgesetzt, dass Regulierung für vernünftige und bezahlbare Preise sorgt.
Elektrizität
Auch im Energiesektor würden Entwicklungsländer von besserer Infrastruktur enorm profitieren. So berichtet Urgarla (2007) von einem klaren Zusammenhang zwischen dem Zugang zu Energiedienstleistungen und Erfolgen im Kampf gegen die Armut.
Auch Energie wird zur Befriedigung der Grundbedürfnisse benötigt: als Brennmaterial zum Kochen, Heizen und für Beleuchtungszwecke. Energie erleichtert den Betrieb von Wasserpumpen und Strom dient diversen Gesundheits- und Bildungszwecken. Allzu oft werden in ländlichen Gebieten schöne Schulen gebaut – aber es fehlt an qualifizierten Lehrern, um Schüler zu unterrichten. Wo die Elektrizitätsversorgung stimmt, ist es leichter, ausgebildetes Personal zu gewinnen. Außerdem sind die Lernbedingungen besser, wenn Schüler nach Einbruch der Dunkelheit noch lesen und Hausaufgaben machen können. Ländliche Kliniken können dank Strom Impfstoffe gegen tödliche Kinderkrankheiten lagern.
Historisch waren Holz und Kohle in den meisten Agrarregionen die Hauptenergiequellen zum Kochen. Sie werden in den Entwicklungsländern weiterhin genutzt – und zwar sogar in den Städten. Die Folge sind Gesundheitsprobleme, insbesondere für Frauen. Abholzung hat darüber hinaus zur Zerstörung von Wäldern und dem allgemeinen Niedergang natürlicher Lebensräume geführt.
Energie dient jedoch nicht nur der Befriedigung von Grundbedürfnissen – sondern auch einkommensrelevanten Aktivitäten. Hohe ländliche Armutsquoten sind nämlich auch darauf zurückzuführen, dass es dort außerhalb der Landwirtschaft kaum Einkommenschancen gibt. Die Schaffung von Einkünften außerhalb der Farmen ist deshalb sinnvoll – und dafür wiederum ist die Energieversorgung eine Voraussetzung. Ohne sie ist es nahezu unmöglich, landwirtschaftliche Erzeugnisse mit höherer Wertschöpfung weiterzuverarbeiten. In manchen Ländern werden Solar- und Windkraft mit großem Erfolg eingesetzt. Zwar werden in vielen Entwicklungsländern die hohen Anschaffungskosten für solche Anlagen beklagt, es ist aber zu bedenken, dass diese im Vergleich zu den Chancen, die dem ländlichen Raum ohne Strom entgehen, nicht sehr hoch sind.
Biotreibstoffe werden zunehmend zur echten Alternative zu fossilen Energieträgern. Entwicklungsländer müssen prüfen, welche Folgen ihr Anbau für die Agrarentwicklung, die Lebensmittelpreise und den Massenkonsum haben. Sie sollten sich früh auf die neue Nachfrage vorbereiten und den Menschen ermöglichen, die Vorteile zu nutzen und negative Auswirkungen auf ihren Lebensunterhalt zu vermeiden.
Politische Entscheidungen
Ländliche Infrastruktur muss dazu dienen, Arme zur Nutzung lokaler Ressourcen zu befähigen, damit Produktion und Einkommen steigen. Eine ausreichende Infrastruktur ist dermaßen wichtig, dass einschlägige Investitionen nicht in Konkurrenz zu Maßnahmen im Gesundheits- und Bildungswesen betrachtet werden sollten. Sie sind vielmehr deren notwendige Ergänzung.
Da Infrastrukturinvestitionen teuer sind, müssen Entscheidungen gut abgewogen und den betroffenen Menschen dienen. Um Kosten zu reduzieren, sollten Maßnahmen von örtlichen Partnern mit Blick auf den vorgesehenen Zweck geplant, finanziert und ausgeführt werden. Darüber hinaus wird es oft klüger sein, sich für ein angemessenes technisches Niveau („appropriate technology“) zu entscheiden, anstatt auf die neuesten Erfindungen zu setzen.
Weil Infrastruktur viel Geld kostet, gibt es Korruptionsrisiken. Bewilligungsprozesse für Projekte sollten deshalb so gestaltet werden, dass Gelegenheiten in Behörden zur Abzweigung von Mitteln begrenzt werden. Zur Abschreckung anderer sollten im Fall der Aufdeckung die Zahler und Empfänger von Schmiergeldern bestraft werden.
Infrastrukturprojekte müssen national, als Teil des Entwicklungsplans eines Landes verantwortet werden. Sie dürfen nicht Politikerlaunen unterliegen. Eine gründliche Auswahl und Planung muss unproduktive, verschwenderische Projekte bereits im Vorfeld aussieben (DDE, 2007). Die gemeinsame Verantwortung für Infrastrukturprojekte kann vor allem über weitreichende Beteiligung und die Diskussion vorhandener Möglichkeiten erreicht werden.
Infrastrukturprojekte müssen instand gehalten werden, damit sie nachhaltig funktionieren. Sie existieren nicht umsonst. Angemessene Nutzungsgebühren sind daher im Interesse der Menschen – vorausgesetzt, dass das Geld in Wartung und Instandhaltung fließt. Schließlich müssen Infrastrukturprojekte auch ökologisch und sozial nachhaltig funktionieren, damit sie keine zukünftigen Probleme für Entwicklungsländer schaffen.