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Luftqualität

Wie 50 Zigaretten am Tag

Delhi ist für seine extreme Luftverschmutzung bekannt. Aber das Thema betrifft nicht nur die Hauptstadtregion Indiens. Auch verschmutzte Raumluft ist ein großes Problem.
Smog in Delhi. Gupta/picture-alliance/dpa Smog in Delhi.

Ashwinis vier Jahre alte Tochter hat seit November einen hartnäckigen Husten und Kratzen im Hals. Laut Doktor ist ihre Lunge wegen Delhis Luftverschmutzung entzündet. Ashwini muss zu Hause Luftreiniger benutzen und darf ihr Kind, das diesen Winter schon mehr als 20 Fehltage in der Schule hat, nicht aus dem Haus lassen.

Der 30-jährige Vikas, der bereits eine Krebserkrankung hinter sich hat, klagt über den harten Winter. Er hat Atemnot und war deswegen auch schon in der Notaufnahme. Ihm wurde ebenfalls geraten, zu Hause
einen Luftreiniger zu benutzen.

Arme sind überproportional von Luftverschmutzung betroffen. Sie können sich keine Luftreiniger oder qualitativ hochwertige Atemschutzmasken leisten. Außerdem können sie sich nicht in geschützten Räumen wie Autos, Büros oder guten Apartments aufhalten.

Die Luftverschmutzung stört auch Ausländer. Mariela Cruz Alvarez, Botschafterin von Costa Rica in Indien, beschreibt in einem Weblog, wie in Indien ihre Gesundheit beeinträchtigt ist. Jedes Jahr bei Wintereinbruch wird in den Medien die schlechte Luft in Delhi behandelt. Dieses Jahr war das nicht anders. Ende Oktober 2017 wurde an einigen Messstationen ein Wert von 999 auf dem Air Quality Index (AQI) gemessen. Laut Experten entspricht das dem Rauchen von 45 bis 50 Zigaretten pro Tag. Die Indian National Medical Association erklärte den „öffentlichen Gesundheitsnotstand“, und Arvind Kejriwal, Chief Minister von Delhi, verglich die Hauptstadt Indiens mit einer „Gaskammer“.

AQI basiert auf der Messung von Feinstaub (PM2.5), kleinste Partikel, die von Verbrennungsmotoren ausgestoßen werden. Es kann durch die Lunge in die Blutbahnen dringen und Menschen krank machen. Feinstaub kann zum Beispiel Herz- und Atemprobleme verursachen. Laut einer Studie des Wissenschaftsjournals The Lancet führten die verschiedenen Umweltverschmutzungen 2015 zu 2,5 Millionen Toten in Indien. Das war weltweit die höchste Zahl. Die Weltgesundheitsorganisation erklärte, dass von den 20 weltweit am schlimmsten verschmutzten Städten die Hälfte in Indien liegen. In der Tat ist die Luftqualität von Orten wie Gwalior, Allahabad oder Patna sogar schlimmer als die von Delhi. Dennoch scheint die indische Regierung dies zu ignorieren. Die Zentralregierung berichtet dem Parlament im Februar, dass es keine schlüssigen Daten gebe, die belegten, dass es eine direkte Korrelation zwischen Luftverschmutzung und Tod oder Krankheit gebe.

Aber nicht alle Behörden denken so. Der Supreme Court von Indien hat das Umweltministerium aufgefordert, landesweit tätig zu werden. Die Richter haben betont, dass das Problem nicht nur die Hauptstadt betrifft. Trotzdem hat das Central Pollution Control Board, das dem Umweltministerium untersteht, den Betrieb von 400 Wärmekraftwerken, die Schadstoffe über dem offiziellen Grenzwert ausstoßen, für bis zu fünf weitere Jahre erlaubt. So wird sich die Situation kaum verbessern.

Wärmeerzeugung verursacht rund 90 Prozent der Luftverschmutzung. Wiederum positiv ist, dass das National Green Tribunal beschlossen hat, dass neue Wärmekraftwerke erst dann eine Umwelt-Freigabe erhalten, wenn sie sich an die neuen Richtlinien halten.

Ländliche Gebiete sind auch von Luftverschmutzung betroffen. Studien des Indian Institute of Technology Bombay und des Health Effects Institute belegen, dass 75 Prozent der luftverschmutzungsbedingten Todesfälle dort passieren. Dabei spielt auch die Luftverschmutzung der Innenräume, die meist durch das Kochen mit Kohle, Holz oder Kuhdung verursacht wird, eine Rolle. Wie der Health of the Nation’s States Report der indischen Regierung veranschaulicht, verbessert sich die Luftverschmutzung der Innenräume aber seit 1990. Die Verschmutzung der Außenluft wird hingegen immer schlimmer. Zusammen sind sie für zehn Prozent der Krankheiten im Jahr 2016 verantwortlich und stehen an Rang 2, nur übertroffen von Mangelernährung bei Kindern und Müttern.

Der nationale Kampf gegen Luftverschmutzung braucht mehr als Kurzschlussreaktionen, die sich nur auf die Hauptstadtregion konzentrieren. Indien braucht durchschlagende und langanhaltende Erfolge, um die Luftqualität zu verbessern. Gesunde Arbeitskräfte und eine förderliche natürliche Umgebung sind entscheidend, damit unser Land die Erfolge seiner zwar langsamer, aber immer noch wachsenden Wirtschaft voll genießen kann.


Roli Mahajan ist freie Journalistin aus Delhi.
roli.mahajan@gmail.com