Krieg

Narben auf Kinderkörpern

Kleine Kinder in Syrien haben noch nie Frieden erlebt. Im laufenden Bürgerkrieg gibt es viele Gefahren für sie – Bomben, Schusswechsel oder Minen. Erschwerend kommt hinzu, dass das Gesundheitssystem weitgehend zusammengebrochen ist. Verletzte Menschen bekommen oft nicht die benötigte Behandlung. Die Zahl toter und verletzter Kinder ist erschreckend hoch.
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Der siebenjährige Ahmad Alkhateb spielte gerade mit seinen Freunden auf der Straße nahe seinem Elternhaus in al-Raqqa in Nordost-Syrien, als plötzlich eine Granate neben ihnen einschlug. Die Granatsplitter trafen Ahmad im Gesicht und hinterließen eine große Wunde auf seiner Wange. Was noch schlimmer war: Sein rechtes Bein musste amputiert werden, obwohl die Ärzte im Krankenhaus alles taten, was sie konnten. Er bekam erst eine Prothese, als die Straße nach Damaskus wieder sicher war.

Die junge Ärztin Doneaa arbeitet im Kinderkrankenhaus von Damaskus. Sie sagt, dass viele Kinder aus Gegenden im Osten wie Deir al-Zour oder al-Raqqa zu ihnen gebracht werden, da es dort keine adäquate medizinische Behandlung gebe. In Damaskus wurde auch Ahmad schließlich behandelt und bekam ein künstliches Bein. Er lernt jetzt wieder zu gehen.

Das psychologische Trauma hat Ahmads Erinnerung ausgelöscht. Die Ärztin meint, der kleine Junge sei noch in der „Phase der Verleugnung“. Ahmads Mutter ist besorgt, weil sich das Verhalten ihres Kindes drastisch geändert hat: „Er isoliert sich, und er spricht nicht mehr als ein oder zwei Worte zu uns.“

Laut dem UN-Kinderhilfswerk (UNICEF) sind rund 3,3 Millionen syrische Kinder Kriegsgefahren ausgesetzt, wie etwa Sprengfallen und Blindgängern. Die meisten verletzten Kinder bekommen nicht die notwendige medizinische Behandlung. UNICEF erklärt, dass 1,5 Millionen Menschen in Syrien mit langfristigen Behinderungen leben, die durch Kriegsverletzungen verursacht sind. Explosionen von Minen sind die Hauptursache, wenn Kinder in diesem Land sterben. Blindgänger verursachten vergangenes Jahr 434 Todesfälle.

Henrietta Fore, die Geschäftsführerin von UNICEF, weist darauf hin, dass allein 2018 1106 syrische Kinder in den Kämpfen getötet wurden. Seit der Krieg begann, war dies die „höchste Zahl von Kindern, die in einem einzigen Jahr starben“. Fore schätzt jedoch, dass die wirklichen Zahlen sehr viel höher liegen.

Millionen von Kindern haben ihr gesamtes Leben in Kriegszonen verbracht. Viele sind schwer traumatisiert. Aber es gibt keine Institution, die diese Kinder psychologisch unterstützt.  

Die elfjährige Rima hat eine lange Narbe auf ihrem Bein. „Als sie drei Jahre alt war, wurde unser Haus eines Nachts bombardiert“, berichtet ihre Mutter. „Rima hatte Verbrennungen dritten Grades. Erst nach acht Monaten ging es ihr besser.“ Wegen ihrer Narbe trägt Rima nur lange Hosen. Aber wann immer sie ein Mädchen in einem kurzen Kleid sieht, sagt sie zu ihrer Mutter: „Ich wünschte, ich könnte auch so ein kurzes Kleid tragen!“


Nawar Almir Ali ist Journalistin und lebt in Damaskus, Syrien.
nawaralmir@gmail.com