Malawi
Ernüchterung nach der Wahl in Malawi
Zwei Drittel der malawischen Bevölkerung sind der Meinung, dass die Regierung bei der Korruptionsbekämpfung schlechte Arbeit leiste und die Korruption unter Präsident Chakwera erheblich zugenommen habe, das ergab eine Umfrage des panafrikanischen Meinungsforschungsinstituts „Afrobarometer“ im April 2022. Im Mittelpunkt steht aktuell der Fall von Zuneth Sattar, eines in Malawi geborenen, in Großbritannien lebenden Geschäftsmanns. Gegen ihn laufen Untersuchungen der malawischen Antikorruptionsbehörde (ACB – Anti-Corruption Bureau) und der britischen Behörde zur Bekämpfung von Kriminalität (NCA – National Crime Agency) wegen Korruption im Zusammenhang mit Beschaffungsverträgen für die malawischen Sicherheitskräfte im Umfang von 150 Millionen Dollar.
Gegenüber der Financial Times sagte ACB-Chefin Martha Chizuma, dass der Fall alle Merkmale eines „State Capture“ mit systemischer Korruption aufweise, durch die wirtschaftliche Eliten staatliche Entscheidungsprozesse zu ihrem Vorteil beeinflussen und kontrollieren. Laut einem ACB-Bericht laufen gegenwärtig Ermittlungen gegen mehr als 80 hohe Funktionsträger aus Staat und Wirtschaft, die von Sattar Gelder erhalten haben sollen, darunter Vizepräsident Saulos Klaus Chilima. Er soll 2021 von Sattar 280 000 Dollar bekommen haben, um Beschaffungsvorgänge zu beeinflussen. Chilima wurde im November verhaftet, kam aber gegen Kaution sofort wieder frei. Präsident Chakwera entzog ihm alle offiziellen Aufgaben. Entlassen konnte er ihn aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht.
Die Regierung erweckt nicht den Eindruck, das ACB nachhaltig stärken zu wollen – das wurde zuletzt im Fall der ACB-Chefin Chizuma deutlich. Sie war im Dezember verhaftet und anschließend freigelassen worden. Eine eingesetzte Untersuchungskommission hat Hintergründe und Verantwortlichkeiten ihrer Verhaftung nicht vollständig aufgeklärt.
Prekäre wirtschaftliche Situation
Es gibt in Malawi auch positive Entwicklungen, zu denen die lebhafte Zivilgesellschaft und der relativ gute Zustand der Pressefreiheit beitragen. Die aktuelle wirtschaftliche und soziale Lage gibt aber keinen Anlass zu Optimismus. Malawi ist weiterhin eines der ärmsten Länder der Welt.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat für 2022 ein Wirtschaftswachstum von 0,9 Prozent berechnet, 2023 soll es auf 2,5 Prozent steigen. Bei einem Bevölkerungswachstum von etwa 3 Prozent bedeutet dies einen Rückgang der Wirtschaftsleistung pro Kopf. Eine nachhaltige Armutsreduzierung setzt ein stabiles Wirtschaftswachstum von 6 bis 7 Prozent voraus, doch fehlen hierfür die strukturellen Voraussetzungen. Das knappe Budget lässt der Regierung kaum Spielraum. Devisenmangel hat bereits zu Knappheit an Benzin, Medikamenten, Düngemitteln und anderen wichtigen Gütern geführt.
Die Verschuldung wird von Weltbank und IWF als nicht nachhaltig eingestuft, mit einem hohen Risiko der Zahlungsunfähigkeit. Die Gesamt-Inflationsrate lag annualisiert im November 2022 bei 20 Prozent. Die Preissteigerung für Nahrungsmittel liegt aktuell bei über 30 Prozent. Das treibt viele Menschen in die Armut: Geschätzte 3,8 Millionen Menschen werden in der Zeit von Oktober 2022 bis März 2023 Nahrungsmittelhilfe benötigen. 70 Prozent der Bevölkerung leben in Armut. Wirtschaftlich schlagen die negativen Auswirkungen der Covid-Pandemie, des Ukraine-Kriegs, des Tropensturms Ana Anfang 2022 und des globalen Wirtschaftsabschwungs zu Buche. Sie sind nicht der Regierung anzulasten.
Vertrauen zurückgewinnen
Unterm Strich hat Präsident Chakwera bei Amtsantritt eine erhebliche Erblast und leere Staatskassen übernommen. Die Regierung muss das verlorene Vertrauen der Wählerinnen und Wähler jetzt vor allem mit einer kompromisslosen Korruptionsbekämpfung und einer effektiven Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik zurückgewinnen.
Es ist zu hoffen, dass die internationalen Organisationen und Geberstaaten Malawi dabei unterstützen – nicht mit zahllosen kleinteiligen Projekten, sondern insbesondere beim Ausbau der Infrastruktur, mit wirtschaftlichen Investitionen, verstärkten Handelsbeziehungen und bei der Anpassung an die Folgen der Klimakrise, die für Malawi schon jetzt erheblich sind. Schuldenerlass und Budgethilfe wären ein richtiges Signal der Unterstützung.
Rolf Drescher ist freiberuflicher Consultant. Er lebt und arbeitet in Berlin und Lilongwe.
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