Hungersnot im Jemen
IRC: Mehr Geld und Friedensverhandlungen für Jemen nötig
Im März 2015 begann im Jemen der Krieg. Eine von Saudi-Arabien angeführte und von den USA und europäischen Mächten unterstützte Militärallianz der jemenitischen Regierung bekämpft von Iran unterstützte schiitische Huthi-Rebellen (siehe Maysam Behravesh in E+Z/D+C e-Paper 2018/01). Trotz der Friedensbemühungen der UN ist in diesem Krieg kein Ende in Sicht.
Für die Bevölkerung ist das desaströs. Von den knapp 30 Millionen Einwohnern Jemens brauchen mittlerweile zwei Drittel humanitäre Hilfe. Mehr als der Hälfte droht der Hungertod. Die Mehrzahl der Kinder ist aufgrund von Mangelernährung unterentwickelt.
Die Wirtschaft kollabiert, und das Finanzsystem ist instabil. Die jemenitische Währung Rial hat allein 2020 über 25 Prozent ihres Außenwerts verloren, während die Lebensmittelpreise in die Höhe geschossen sind. Selbst der Staat zahlt Gehälter höchst selten aus. Es gibt zwar noch Nahrungsmittel, aber nur die wenigsten können sie sich leisten.
Geber stellen nicht genug Geld bereit
Die Abhängigkeit von Hilfsorganisationen ist kontinuierlich gewachsen. Derzeit unterstützen mehr als 208 Organisationen jeden Monat durchschnittlich 13 Millionen Menschen im ganzen Land, finanziert auch von öffentlichen Gebern wie Deutschlands Auswärtigem Amt oder dem Europäischen Amt für Humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz (European Civil Protection and Humanitarian Aid Operations – ECHO). Bei der UN-Geberkonferenz am 1. März kamen aber nur 1,7 Milliarden Euro zusammen. Das war knapp die Hälfte der Summe, die nötig wäre. Im Vorfeld waren 3,3 Milliarden gefordert worden.
Die fehlenden 1,6 Milliarden Euro stehen symbolisch dafür, dass sich die reichsten Länder der Welt den drängendsten globalen Problemen immer weniger stellen. Ihre Finanzmittel retten Leben, auch wenn selbstverständlich mehr als Geld benötigt wird. Ohne Geld können Hilfsorganisationen wie das International Rescue Committee (IRC) aber nicht im nötigen Umfang arbeiten. Folglich werden Menschen sterben.
Nur erhöhter Druck der internationalen Staatengemeinschaft auf die Konfliktparteien kann Kriegsverbrechen und Straflosigkeit beenden und den Friedensprozess neu anstoßen. Der von der neuen US-Regierung angekündigte Kurswechsel bietet Grund zur Hoffnung: Unter Präsident Joe Biden wollen die USA:
- die unter Vorgänger Donald Trump ausgesetzten Hilfsleistungen im von den Huthis kontrollierten Norden des Landes wieder verfügbar machen,
- die Waffenverkäufe an Saudi-Arabien unterbrechen und
- die Unterstützung für die Offensiv-operationen der von Riad geführten Koalition beenden.
Auch der von der Bundesregierung verlängerte Stopp von Rüstungsexporten nach Saudi-Arabien (bis Ende 2021) ist wichtig. Zugleich muss aber sichergestellt werden, dass deutsche Waffen nicht über Ägypten oder die Vereinigten Arabischen Emirate in den Jemen geraten oder dass sie dort im Zusammenhang mit europäischen Projekten eingesetzt werden.
Es ist gut, dass die US-Regierung nun darauf verzichtet, die Huthi-Bewegung als Terrororganisation einzustufen. Das hätte die Lieferung von kommerziellen und humanitären Gütern unmöglich gemacht. Solche Sanktionen hätten vor allem die Zivilbevölkerung getroffen.
Doch all diese Schritte sind bestenfalls der Anfang eines von der internationalen Gemeinschaft getragenen Engagements zur Lösung des Jemen-Konflikts. Die Übernahme des Vorsitzes im UN-Sicherheitsrat im März sollten die USA dazu nutzen, das Völkerrecht als Basis internationaler Beziehungen zu stärken und Akteure, die es verletzen, zur Rechenschaft zu ziehen.
Um eine weitere Zuspitzung der humanitären Krise zu verhindern, muss die Weltgemeinschaft jetzt:
- ihre Finanzzusagen schnell erfüllen,
- den Zugang von humanitärer Hilfe gewährleisten,
- die richtigen Hilfsmittel ins Land bringen (inklusive Impfstoffen gegen Covid-19) und
- einen permanenten Waffenstillstand aushandeln.
Tamuna Sabadze ist die Landesdirektorin des International Rescue Committee (IRC) im Jemen.
IRCDeutschland@Rescue.org