Entwicklung und
Zusammenarbeit

Elasticsearch Mini

Elasticsearch Mini

Afghanistan

Unvollendete Arbeit

Der hektische und unilaterale Abzug der US-Truppen aus Afghanistan dürfte ein ähnliches Chaos hinterlassen wie nach dem Abzug der Roten Armee 1989 eintrat. Das sogenannte „Friedensabkommen“ stellt keinen echten Frieden in Aussicht.
US-Helikopter 2001 in Afghanistan. picture-alliance/Photo12/Ann Ronan Picture Library US-Helikopter 2001 in Afghanistan.

Ende Februar unterschrieb die Supermacht USA nach fast zwei Jahrzehnten Blutvergießen einen Vertrag mit den aufständischen Taliban. Der endlos scheinende Krieg war teuer – und eine direkte Folge der Terroranschläge auf New York und Washington vom 11. September 2001. Bald darauf stürzten US-Truppen die Taliban, die Afghanistan ihrem islamistischen Regime unterworfen hatten und Terroristen wie Al-Kaida eine sichere Basis boten.

Aus Sicht gewöhnlicher Afghanen bot die US-Invasion eine einmalige Gelegenheit für Wiederaufbau und Demokratisierung. Erstmals überhaupt gab es freie und faire Wahlen. Die Sicherheitslage blieb immer angespannt, aber das Freiheitsgefühl war neu. Frauen und Mädchen konnten zum Beispiel nun arbeiten und zur Schule gehen.

Als die USA vor gut 18 Jahren intervenierten, versprachen sie nicht nur den Sturz der Islamisten. Auf der Tagesordnung standen auch Menschenrechte, Geschlechtergerechtigkeit, Meinungsfreiheit und der Schutz von Minderheiten. All das scheint Washington nicht mehr zu interessieren. Präsident Donald Trump will offenbar nur die Truppen heimholen, wie er 2016 im Wahlkampf versprach.

Politikerversprechen sind oft allzu einfach. Die USA sind seit der sowjetischen Invasion 1980 tief in die Geschicke Afghanistans verstrickt. Washington unterstützte die Mudschaheddin, die die Rote Armee bekämpften und aus denen die Taliban hervorgingen.

Wie bei der Invasion 2001 handelt das Weiße Haus nun wieder unilateral. Damals ließ sich danach schnell die Unterstützung von Verbündeten und besonders der NATO mobilisieren. Die internationale Staatengemeinschaft befürwortete den Eingriff. Jetzt nahmen aber an den Friedensverhandlungen weder Verbündete noch multilaterale Akteure teil. Noch deprimierender ist, dass weder Afghanistans Regierung einbezogen wurden, noch sonstige Organisationen oder die Zivilgesellschaft des Landes.

Der Kern des Abkommens ist, dass die Taliban künftig weder die USA bekämpfen noch irgend eine Organisation unterstützen werden, welche die USA bedroht. Im Gegenzug wird die US-Regierung sie nicht mehr als terroristisch bezeichnen und von entsprechenden schwarzen Listen nehmen. Gefangene werden freigelassen.

Das Weiße Haus scheint zu glauben, die Taliban würden sich als normale politische Partei in das Verfassungsgefüge Afghanistans friedlich einfügen. Das ist Wunschdenken. Die Geschichte zeigt, dass die Taliban uneingeschränkte Macht wollen. Leider ist auch wahr, dass es der internationalen Gemeinschaft nicht gelang, in Afghanistan den Aufbau eines stabilen, selbsttragenden politischen Systems zu fördern. Die gewählte Regierung ist tief gespalten und von Korruption geprägt.

Es hätte anders kommen können, hätte Washington ebenso viel Wert auf die Schaffung von Institutionen gelegt wie auf die Terroristenjagd. Es gab so heftige „Kollateralschäden“, dass allzu viele Menschen die internationalen Truppen nicht mehr als Befreier, sondern als Besatzer wahrnahmen. Dass Opium die wichtigste Exportware blieb, machte die Lage noch schwieriger. Eine friedensstiftende Verfassungsordnung ist kaum möglich, wenn eine kriminelle Branche die Volkswirtschaft dominiert. Unter Führung der USA hat die internationale Staatengemeinschaft auf dieses Problem nicht ernsthaft reagiert.

Die ethnische Zusammensetzung Afghanistans macht Frieden obendrein unwahrscheinlich. Die Taliban mögen ­Außenstehenden als religiöse Fanatiker erscheinen, aber aus afghanischer Sicht sind sie paschtunische Einheiten, die seit langem andere Volksgruppen bekämpfen. Die Nordallianz stützt sich auf andere Ethnien und erwies sich bei der US-Invasion als Partner Washingtons. Einige ihrer Spitzenleute gehören heute der Regierung an, und sie fühlen sich zu Recht von Trump verraten.

1989 hinterließ der Abzug der Russen ein gewaltiges Chaos. Es dürfte ähnlich kommen, wenn die Amerikaner hektisch abziehen. Das Risiko eines neuen Bürgerkrieges zwischen Taliban und Nordallianz ist groß – und früher oder später dürften die USA oder andere ausländische Mächte wieder hineingezogen werden.


Nawid Paigham ist wirtschaftspolitischer Analyst.
npeigham@gmail.com

Governance

Um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, ist gute Regierungsführung nötig – von der lokalen bis zur globalen Ebene.