Gemeinschaftsfinanzierung
Nötige Doppelstrategie
[ Von Benjamin-Immanuel Hoff ]
In den meisten Entwicklungsländern bestehen erhebliche Defizite im öffentlichen Budgetwesen – das gilt besonders für die ärmsten unter ihnen. Daher können die betroffenen Regierungen, obwohl viele von ihnen an Good Governance interessiert sind, Entwicklungsstrategien nicht umzusetzen.
Die im März 2005 verabschiedete „Paris Declaration on Aid Effectiveness“ strebt eine neue Qualität in der Gestaltung künftiger Zusammenarbeit zwischen Gebern und Entwicklungsländern an und betont das Instrument der Budgethilfe. Die Accra Agenda for Action aus diesem Jahr bestätigt das im Kern.
Bei der Budgethilfe, in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit als Programmorientierte Gemeinschaftsfinanzierung (PGF) bezeichnet, zahlen die verschiedenen Geber ihre Mittel in einen gemeinsamen Finanzierungspool ein. Wie die Mittel verwendet werden, hat ausschließlich das Partnerland zu verantworten – allerdings verständigen sich Geber und Partnerland zuvor über Auflagen, die auf dem Poverty-Reduction-Strategy-Program (PRSP) basieren.
Als Vorteile der Budgetfinanzierung werden folgende Aspekte genannt:
– Bessere Kohärenz (Alignment) der internen und externen Beiträge im Rahmen nationaler Programme,
– stärkere Ausrichtung auf Ergebnisse
und Wirkungen im Rahmen der EZ so-wie
– Senkung der Transaktionskosten der EZ auf Nehmer- und Geberseite.
Allerdings gibt es auch Kritik. Budgethilfe schränke die Spielräume der örtlichen Politiker und Verwaltungen ein, das parlamentarische Budgetrecht degeneriere angesichts der Gebervorgaben zur bloßen Akklamation. Auch stärke Budgethilfe innenpolitisch die Verwaltungen gegenüber der Legislative – wobei auch die Verwaltungsapparate nicht frei entscheiden dürften.
Die Kritik ist ernst zu nehmen, denn sie verweist auf Risiken, die Vorteile der Budgethilfe reduzieren oder gar aufheben könnten:
– Die Partnerseite hat bei der Budgethilfe mehr Gelegenheit zu Korruption und Missmanagement als bei der Einzelfinanzierung von Projekten, da die Geber die Mittelverwendung nicht nachverfolgen.
– Externe Mittel für entwicklungspolitisch sinnvolle Zwecke können interne Mittel freisetzen, die entwicklungspolitisch fragwürdig sind. Im Extremfall finanzieren Geber soziale Schlüsselsektoren, während im Land freiwerdende Mittel in die Rüstung gesteckt werden.
– Die Ausweitung von Budgethilfe kann die Ownership des Partnerlands gefährden, da es alle wichtigen Politik- und Budgetentscheidungen mit den Gebern abzustimmen hat. Das schränkt die Budgethoheit des nationalen Parlaments ein. Die Exekutive kann einseitig zu Lasten der Legislative sowie anderer Akteure gestärkt, die oft bestehende Schieflage zwischen starkem Präsidenten und schwachem Parlament verschärft werden.
– Die Budgethilfe führt zu einer Fokussierung auf die Ausgabenseite des öffentlichen Haushalts in den Partnerländern. Entwicklungspolitik ist aber mehr als Ausgabenpolitik. Die Einnahmenseite des Haushalts, das heißt die Mobilisierung interner Ressourcen in den Partnerländern, darf nicht vernachlässigt werden.
Programmorientierte Entwicklungszusammenarbeit und besonders Budgetfinanzierung stellt deshalb hohe Anforderungen an Integrität und Kompetenz der Finanzverwaltung im Partnerland. Empfänger von Budgethilfe müssen Voraussetzungen erfüllen beziehungsweise schaffen, damit Programmziele erreicht und treuhänderische Geberrisiken reduziert werden. Auch sind die Geber sehr daran interessiert, dass die Transfers ordnungsgemäß verwendet werden, um das auch ihren eigenen Kontrollinstanzen daheim – Rechnungshöfen und Parlamenten – und der Öffentlichkeit zu berichten. Selbstredend ist Finanzkontrolle an sich auch ohne den Kontext der Budgethilfe ein wichtiges Instrument der Verbesserung von Governance (siehe Seite 471).
Kontrollverlust
Budgethilfe, Katastrophenhilfe und EZ sind grenzüberschreitende Staatsausgaben, deren Kontrolle rechtlich wie praktisch erschwert ist. Bei der Budgethilfe verzichten die Geberstaaten auf eigene Kontrolle. Wenn das Parlament Haushaltsmittel für Budgethilfe zugunsten eines anderen Staates bewilligt, gibt es Einfluss- und Kontrollzuständigkeiten preis, die ihm die Finanzverfassung normalerweise zuweist.
Das Parlament ist indessen nicht Herr, sondern nur Verwalter der öffentlichen Finanzen. Es hat treuhänderisch mit den Mitteln umzugehen – im Dienste der Allgemeinheit, die die Mittel aufbringt. Das Parlament schuldet ihr Rechenschaft.
Budgetfinanzierung stellt somit Anforderungen an die Finanzkontrolle der Geber- wie auch der Nehmerländer. Weil diese in Entwicklungsländern auf staatlicher Seite oft fehlt – etwa, weil es keine funktionsfähige oberste Rechnungskontrollbehörde gibt –, führen in vielen Ländern private Unternehmen oder Wirtschaftsprüfer („Big Four“) die Überwachung durch.
Wirklich befriedigend ist das nicht. So wird nämlich nur geprüft, ob Mittel ordnungsgemäß verwendet werden. Das Verfahren widerspricht aber den Zielen Ownership und Capacity Development. Zudem wird die parlamentarische Verantwortung und Souveränität der Partnerländer beschränkt.
Es wäre besser, mit der Budgethilfe auch gleich dafür zu sorgen, dass die nötigen Kontrollinstanzen aufgebaut werden. Das britische Entwicklungsministerium (DFID) ist ein Vorreiter. Es hat mit dem britischen Rechnungshof vereinbart, dass Budgethilfe nur in Ländern praktiziert wird, die die Finanzen nach internationalen Standards kontrollieren.
Die Weltbank will bis 2015 mehr als die Hälfte ihrer Afrika-Unterstützung als Budgethilfe abwickeln. Das Volumen für die Länder südlich der Sahara soll bis dahin mit zusätzlichen bilateralen Zuwendungen verfünffacht werden. Daher werden Aufbau und Unterstützung von Obersten Rechnungskontrollbehörden und die Etablierung einer demokratischen und leistungsfähigen öffentlichen Finanzkontrolle besonders wichtig. Budgetfinanzierung muss stärker an die Existenz einer öffentlichen Finanzkontrolle gekoppelt werden – bestehend aus einer unabhängigen Obersten Rechnungskontrollbehörde sowie einem Parlament, das seine Budgetfunktion samt der parlamentarischen Haushaltskontrolle wahrnehmen kann. Über die Budgethilfe hinaus geht es also um die Bildung funktionsfähiger Finanzkontrolle.
Um Governance zu verbessern, bedarf es nachhaltig in der rechtlichen und politischen Struktur des Partnerlandes verankerter institutioneller Anknüpfungspunkte. Die Obersten Finanzkontrollbehörden spielen da eine große Rolle. Sie können erheblich zu Vermeidung von Korruption und Förderung von effektiver Ressourcenverteilung beziehungsweise Bewirtschaftung öffentlicher Güter beitragen. Im Reformprozess können sie außerdem beraten.
In vielen Entwicklungsländern sind Gewaltenteilung und Verwaltungsstrukturen bestehender Finanzkontrollinstitutionen unzureichend. Oft gibt es keine geregelten Beschäftigungsverhältnisse, und nach Regierungswechseln wird oft ein Großteil des Verwaltungspersonals ausgetauscht, befördert oder abgestuft. Schlechte, verzögerte oder ausbleibende Bezahlung erhöht die Korruptionsneigung.
Eingestellt wird oft, wer in der Gunst steht – nicht, wer fähig ist. Derartige Bedingungen müssen bei der Entwicklung wirksamer Finanzkontrolle berücksichtigt und korrigiert werden.
Die Obersten Finanzkontrollinstitutionen müssen unbedingt unabhängig sein, ansonsten erfährt der Steuerzahler nicht, was mit seinem Geld geschieht. Reformen in Verwaltung und Haushaltswesen werden gebremst, und es eröffnen sich Spielräume für Korruption. Daher legte die IX. Internationale Konferenz der Rechnungshöfe (INCOSAI) im Oktober 1977 in der „Lima Declaration of Guidelines on Auditing Precepts“ die Grundlagen unabhängiger und rechtsstaatlicher, externer Finanzkontrolle fest. Diese sind bis heute der Maßstab für Entwicklungsvorhaben.
Institutionen und Prozesse der externen Finanzkontrolle sind unverzichtbar für Reformen im öffentlichen Haushaltswesen. In der Regel stehen Bedarf und Möglichkeiten, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu verändern, umgekehrt proportional zueinander. Anders gesagt: Der größte Veränderungsbedarf besteht häufig im schwierigsten politischen Umfeld.