Armutsbekämpfung
„Null Hunger“ statt 50 Prozent
Silva die FAO.
Graziano da Silva übernimmt im Januar die Führung der Food and Agriculture Organisation (FAO) der Vereinten Nationen. Als Minister der Regierung von Luiz Ignacio Lula da Silva und Architekt des Anti-Hunger-Programms „Null Hunger“ (Fome Zero) werden dem Brasilianer große Verdienste zugeschrieben. Das Programm brachte im Grunde nichts umstürzend Neues – es verband aber bestehende Maßnahmen und Erfahrungen auf lokaler Ebene geschickt zu einem nationalen Plan. Graziano da Silva verspricht sich Erfolg davon, dieses Vorgehen auf Entwicklungsländer zu übertragen.
In Brasilien verachtfachte sich dadurch seit 2003 das Kreditvolumen für Kleinbauern; in ländlichen Gebieten sank die Armut gleichzeitig um 15 Prozent. Hinter diesem Erfolg steckten zum Beispiel Zuschüsse für arme Haushalte, die ihre Kinder zur Schule schicken und impfen lassen. Immerhin rund 28 Millionen Arme von insgesamt rund 192 Millionen Bürgern fanden so aus ihrer Sackgasse.
Die FAO hält das für beispielhaft. Die UN-Organisation arbeitet daran, die Produktion und Verteilung landwirtschaftlicher Güter und Nahrungsmittel weltweit zu verbessern. Nagelprobe für die FAO wird die Umsetzung der 1999 beschlossenen Millenniumsziele, vor allem im Kampf gegen extreme Armut und Hunger. Bis 2015 soll die Zahl derer halbiert werden, die hungern und von weniger als einem Dollar pro Tag leben.
Irrweg der Industriestaaten
Bei der FAO will der 62-jährige Brasilianer jetzt Augenmerk auf eine umweltbewusste Produktion von Nahrungsmitteln legen, die Grundlagen für kommende Generationen bewahrt, heißt es. „In Argentinien zum Beispiel werden heute bereits 90 Prozent allen Getreides mit einer Technik angebaut, die auf das Pflügen verzichtet“, sagte da Silva in einem Interview der Neuen Zürcher Zeitung. „Beispiele wie dieses lassen mich hoffen, dass durch neue Technologien die Verlängerung der Grünen Revolution in der Landwirtschaft möglich ist.“
Anlässlich seines Amtsantrittes im Januar warnte der Politiker davor, dass Verbraucher aus Schwellenländern einfach Konsumgewohnheiten der Industrieländer kopieren: „Der Nährwert der meisten Fertigprodukte steht oft in keinem Verhältnis zum Energieverbrauch für deren Herstellung. So ist es auch beim Fleisch, dessen Produktion Unmengen von Getreide und Wasser benötigt. Die Zukunft liegt im Konsum frischer, lokal produzierter Lebensmittel und in einer ausgewogenen Ernährung.“
Ideen und Wissen weitergeben
In der brasilianischen Hauptstadt Brasília eröffnete im November ein internationales Kompetenzzentrum zur Hungerbekämpfung. Das Zentrum beruht auf einer Partnerschaft der Regierung mit dem Welternährungsprogramm (WFP) der UN, das vor allem für Nothilfe zuständig ist. Das neue Zentrum soll Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika helfen, Ernährungsprogramme für Schüler umzusetzen und den weltweiten Austausch über Fragen der Ernährungssicherheit fördern.
Während der Einweihung bestätigte die WFP-Direktorin, Josette Sheeran, Brasiliens weltweite Führungsrolle im Kampf gegen Hunger. Das Land habe gezeigt, dass es sich wirtschaftlich auszahle, gegen Armut und Hunger zu kämpfen, sagte Sheeran. Diese Erfahrung sei „eines seiner wertvollsten Exportgüter“.
Peter Hauff