Stadtverwaltung

Gartenbau in der Großstadt

Städtische Ballungsräume können von eher ländlich wirkenden Methoden profitieren. Das Beispiel Nairobi zeigt, wie notwendig urbane Landwirtschaft im Kampf gegen Armut und Ernährungsunsicherheit ist. Um zu überleben, bauen arme Bewohner dort ihre eigenen Lebensmittel an.
Städtischer Raum ist wertvoll. Cashman Städtischer Raum ist wertvoll.

Urban Gardening in Nairobi ist eine Form der Subsistenzlandwirtschaft und oft Frauensache, denn meist sind Frauen für die Ernährung der Familie verantwortlich. Sie wissen nur zu gut, dass Ernährungsunsicherheit im städtischen Raum ein echtes Problem ist (siehe Kasten).

In den ärmeren Bezirken Nairobis ist Fläche rar, daher werden auf kleinen Parzellen oft Grundnahrungsmittel wie Blattgemüse und Mais angebaut, wofür es keiner großen Geräte oder Technologien bedarf.

Urbane Landwirtschaft verbessert die Ressourceneffizienz des städtischen Ökosystems, indem sie Produktion und Verbrauch verknüpft. Experten sprechen daher sogar von einem urbanen Stoffwechsel. Auf jeden Fall ist das Ziel, durch Wiederverwertung von Ressourcen gegen Verschwendung anzugehen. Kapitalistische Konsumgesellschaften erzeugen hingegen Unmengen von Abfall.

Urban Gardening ist ressourceneffizient. Da chemischer Dünger unbezahlbar ist, verwenden Kleinbauern tierischen Dünger oder Kompost. Auch aufbereitetes Abwasser ist im städtischen Gemüseanbau gut nutzbar. Es kann den Stickstoff, Phosphor und Kalium liefern, den bestimmte Pflanzen zum Wachsen brauchen. Es gibt viele Möglichkeiten, organische Abfälle und Abwässer in die Lebensmittelproduktion einzubringen, allerdings ist Wissen seitens der Farmer und derjenigen, die die Systeme regulieren, nötig.

Es gibt einige vielversprechende Trends. In Nairobis größtem Slum Kibera ist die „Sackgärtnerei“ populär geworden, bei der einheimisches Gemüse in wiederverwendeten Säcken an Wänden und Dächern angebaut wird. Diesen Trend des vertikalen Gärtnerns stieß 2008 die NGO Solidarités International an, indem sie kostenlose Setzlinge verteilte und technische Beratung anbot. Diese Form des urbanen Gartenbaus verbessert die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln. Teilnehmer gaben an, seltener Mahlzeiten auszulassen.

In Kibera wird lokal angebautes Gemüse auch an Kioske verkauft und ein Teil der Einnahmen für den Unterhalt des Gartens verwendet. Das Unternehmen „Grow Kenya“ verkauft Kompost, der auf kommunalen Toiletten vor Ort erzeugt wird. Ein Frauenkollektiv erntet die unkrautartige Wasserhyazinthe, um Körbe und Kunsthandwerk zu fertigen.

Urbane Landwirtschaft nutzt Flächen optimal. Wie Katrin Bohn und André Viljoen (2005) betonen, können Lebensmittel überall angebaut werden, egal, wie die Parzellen sind, ob „groß, klein, horizontal, geneigt, vertikal, rechteckig, dreieckig, unregelmäßig, auf Brach- oder Grünflächen, in Parks, auf ehemaligen Straßen, weiten Ebenen oder in kleinen Ecken“. Der räumliche Nutzen dient ihrer Ansicht nach drei ökologischen Aspekten:

  • dem Erhalt der biologischen Vielfalt,
  • der Abfallwirtschaft und
  • der Energieeffizienz bei der Herstellung und Verteilung von Lebensmitteln.

Urbane Landwirtschaft erfüllt nicht nur ökologische Zwecke. Besonders wenn es Anbauflächen in kommunalen Räumen, etwa Gemeinschaftsgärten, gibt, haben städtische Farmen auch sozialen Nutzen, denn Stadtbewohner brauchen Grünflächen.

Eine Evaluierung des öffentlichen Raums von UN-Habitat ergab, dass in Nairobi kaum mehr als acht Prozent der Flächen der öffentlichen Erholung dienen. Internationaler Standard sollten laut UN-Habitat mindestens 15 Prozent sein. In Nairobi kommt erschwerend hinzu, dass fast ein Drittel der Erholungsgebiete nicht öffentlich zugänglich, sondern durch Öffnungszeiten, Gebühren und andere Hürden eingeschränkt ist. Wie überall auf der Welt ist die Lage in reicheren Gegenden besser.

In der Armensiedlung Dandora haben sich Jugendliche – die Dandora Transformation League – kaum genutzten Raum erschlossen und verwalten diesen nun gemeinsam. Das Ergebnis: mehr Beschäftigung, weniger Kriminalität. Gut genutzte öffentliche Räume erhöhen die Sicherheit. Nun wird unter anderem ein kommunaler Garten für Hochzeiten und andere Veranstaltungen vermietet, auch Gemeindeparkplätze bringen etwas Geld in die Kasse.


Den Reformen muss die Umsetzung folgen

Urbane Landwirtschaft gilt heute als attraktiver Ansatz, um Ernährungssicherheit und ökologische Nachhaltigkeit zu verbessern. Das muss auch durch die Gesetzgebung unterstützt werden. Wie in vielen anderen Städten der Welt gab es auch in Nairobi Reformen.

Bisher wandte die Stadtverwaltung von Nairobi aus Sorge um Gesundheit und Lebensmittelsicherheit nationale Gesetze an, um den Anbau von Lebensmitteln auf öffentlichen Straßen und Viehhaltung in der Stadt zu verbieten. Zivilgesellschaftliche Organisationen setzten sich für Veränderung ein: Eine Legalisierung würde Einkommen und Gesundheit steigern. Sie forderten eine Reform der Landgesetze, da städtische Kleinbauern damit überfordert wären, formale Genehmigungen einzuholen.

2015 trat der vom kenianischen Landwirtschaftsministerium entworfene „Urban Agriculture Regulation and Promotion Act“ zur Unterstützung der Bewohner dicht besiedelter und informeller Siedlungen in Kraft. Dieses Gesetz sieht unterstützende Strukturen vor, etwa Lehrräume und Schulungen, und regelt zudem relevante Themen wie Marketing, Lagerung oder Entsorgung von organischen Abfällen.

Die Reform ist vielversprechend, muss aber richtig umgesetzt werden. Leider ist gesetzlich nicht deutlich formuliert, wie man an eine Erlaubnis zur Nutzung von öffentlichem Land für Gemeinschaftsgärten kommt. Auch ist nicht klar, auf welche Weise die Regierung Ressourcen wie Wasser, Saatgut und Geräte bereitzustellen hat.

Um das Potenzial des Urban Gardenings voll auszuschöpfen, muss noch einiges geschehen. Manche Stadtgärtner kennen das neue Gesetz nicht einmal. Bis vor kurzem wusste kein einziges Mitglied eines Gemeinschaftsgartens in Mathare, dass die städtische Landwirtschaft legalisiert wurde. Sie lebten weiter in der Angst, die Regierung könnte ihr Projekt zerstören. Nachdem sie davon erfahren hatten, wollten sie sich nach der gesetzlich vorgesehenen Unterstützung erkundigen, wurden aber abgewimmelt – ohne Schmiergeld lief nichts. Es reicht nicht, vernünftige Gesetze zu verabschieden; auch eine ordnungsgemäße Verwaltung ist wichtig.


Quelle
Bohn, K., und Viljoen, A., 2005: Continuous productive urban landscapes. Abingdon, Routledge.

Katie Cashman ist Beraterin für städtische Nachhaltigkeit und arbeitete für UN-Habitat (United Nations Human Settlements Programme) in Nairobi, als sie den Artikel verfasste.
kcashman23@gmail.com